Pfarrbrief 1/2011 - Pfarrei in Regen
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Unser Leitartikel zur österlichen Bußzeit<br />
„Ich war’s!”<br />
So lautet das Motto der<br />
diesjährigen Aktion „Sieben<br />
Woche ohne“ der evangelischen<br />
Kirche.<br />
Sieben Wochen ohne — zur<br />
Fastenzeit denken viele da<br />
zunächst an den Verzicht<br />
bestimmter Lebens- oder<br />
Genussmittel. Ob es ganz<br />
traditionell der Fleischkonsum<br />
ist, die Schokolade, der<br />
Alkohol oder das Fernsehen:<br />
worauf verzichtet<br />
wird, ist erst e<strong>in</strong>mal völlig unerheblich bei<br />
dieser Art Fasten. Dabei soll das Verlangen<br />
sich dem Willen unterwerfen oder<br />
biblisch gesprochen: der Geist das<br />
Fleisch besiegen. E<strong>in</strong>fach ist es nicht,<br />
sieben Wochen Verzicht auf Gewohntes<br />
zu üben. Schon gar nicht, wenn man das<br />
Fasten ernst nimmt, und sich e<strong>in</strong>e lieb<br />
gewonnene Sache dazu aussucht. Wer<br />
sowieso nur selten e<strong>in</strong> Glas Bier oder<br />
We<strong>in</strong> tr<strong>in</strong>kt, wird es beim Alkoholfasten <strong>in</strong><br />
den sieben Wochen leichter haben als jemand,<br />
der auf Süßigkeiten verzichten will<br />
und sonst jeden Tag e<strong>in</strong> bisschen nascht.<br />
Es ist aber nicht nur der re<strong>in</strong> körperliche<br />
Verzicht, der uns neue Erfahrungen lehren<br />
kann. Die Fastenzeit soll uns Menschen<br />
e<strong>in</strong>e Hilfestellung geben, sich mit<br />
der eigenen Lebenssituation zu beschäftigen.<br />
Das kann vielerlei bedeuten.<br />
Zum Beispiel, dass wir alltägliche Rituale<br />
e<strong>in</strong>mal kritisch h<strong>in</strong>terfragen. Dass wir<br />
versuchen, jeden Moment ganz bewusst<br />
wahrzunehmen und zu leben. Nicht alles<br />
2<br />
so tun, wie wir es halt immer getan haben,<br />
sondern auch e<strong>in</strong>mal fragen, warum<br />
man manches tut und manches lässt.<br />
Es kann auch bedeuten, Punkte <strong>in</strong> unserem<br />
Leben, die uns unzufrieden machen,<br />
aufzudecken und zu erforschen, was diese<br />
Unzufriedenheit auslöst. Das ist unbequem<br />
und kann auch weh tun, wenn<br />
man dabei merkt, dass man manches <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Leben verändern müsste. Aber<br />
auch das gehört zum Fasten dazu: es<br />
muss spürbar se<strong>in</strong>; am Ende muss e<strong>in</strong>e<br />
Veränderung stattgefunden haben.<br />
Fasten heißt: Mut zur Veränderung aufbr<strong>in</strong>gen.<br />
Und das Motto „Ich war's!“ der<br />
diesjährigen Fastenaktion br<strong>in</strong>gt das<br />
sehr gut auf den Punkt.<br />
„Ich war's!“, dieser Satz benötigt Mut.<br />
Denn man gibt damit meist e<strong>in</strong>en Fehler<br />
zu, oder e<strong>in</strong> Verhalten, das bei anderen<br />
auf Unverständnis oder Ablehnung stößt.<br />
Da muss man erst e<strong>in</strong>mal über se<strong>in</strong>en<br />
Schatten spr<strong>in</strong>gen. Oder über se<strong>in</strong>en<br />
Stolz. Oder se<strong>in</strong>e Scham.<br />
3<br />
„Ich war's!“ – Sieben Wochen ohne Ausreden.<br />
Es ist e<strong>in</strong>e ganz andere Art des<br />
Fastens, die diese Aktion von uns fordert.<br />
Nämlich e<strong>in</strong>mal darauf zu verzichten,<br />
Schuld von sich zu weisen und zu<br />
se<strong>in</strong>en Fehlern zu stehen. Wir s<strong>in</strong>d ja<br />
gern schnell dabei, wenn es um Ausreden<br />
geht. Irgendjemand oder irgendetwas<br />
lässt sich immer f<strong>in</strong>den, dem man<br />
die Schuld <strong>in</strong> die Schuhe schieben kann.<br />
Oder man hofft durch e<strong>in</strong> dreistes „Ich<br />
war's nicht!“ Glauben zu f<strong>in</strong>den und mit<br />
e<strong>in</strong>er Lüge durchzukommen.<br />
Aber warum ist das so, dass es uns oft<br />
so schwer fällt, etwas zuzugeben? Wir<br />
wissen doch ganz genau, dass wir Menschen<br />
nicht fehlerlos se<strong>in</strong> können. Egal<br />
wie sehr wir uns anstrengen, egal wie wir<br />
uns bemühen: wir können niemals perfekt<br />
se<strong>in</strong>. Es wird immer D<strong>in</strong>ge geben, die<br />
uns missl<strong>in</strong>gen.<br />
Oft ist es die Angst vor der Reaktion der<br />
Mitmenschen, die uns <strong>in</strong> Ausreden treibt.<br />
Noch öfter s<strong>in</strong>d es aber die Ansprüche,<br />
die wir an uns selbst stellen. „Das hätte<br />
mir doch nie passieren dürfen!“ - Aber<br />
warum denn nicht?<br />
Wenn man e<strong>in</strong>mal den Mut aufgebracht<br />
hat, zu sagen: „Ich war's!“, merkt man<br />
schnell, welche befreiende Kraft <strong>in</strong> diesen<br />
Worten steckt. Dann muss man ke<strong>in</strong>e<br />
Ausflüchte mehr suchen und sich <strong>in</strong><br />
Lügengebäuden verstecken, die immer<br />
wackliger werden, je höher man sie bauen<br />
muss.<br />
„Ich war's!“ bedeutet aber auch, sich mutig<br />
den Konsequenzen zu stellen. Und es<br />
heißt auch: Buße zu tun! — denn Buße<br />
tun heißt Umkehr vom bisherigen Weg,<br />
heißt etwas zu verändern. Wie beim Fasten.<br />
E<strong>in</strong>en neuen Weg e<strong>in</strong>schlagen, alte<br />
Muster h<strong>in</strong>ter sich lassen. Das ist Fasten.<br />
Das ist nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>fach, aber auf<br />
jeden Fall heilsam! „Ich war's“ – probieren<br />
Sie den Satz doch auch e<strong>in</strong>mal aus!<br />
Tamara Stampka, Pfarrer<strong>in</strong>