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Gewerbemiete und Teileigentum<br />
6. Jahrgang 2006 Zitat: GuT Heft 27 · Februar/März 2006<br />
Rechtsanwalt Dr. jur. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen 1<br />
Liquide Forderungen als Exclave gewerbemietvertraglicher<br />
Abkopplungsklauseln<br />
I. Vorbemerkungen<br />
Gewerbemietverträge ermöglichen es regelmäßig 2 mit Blick<br />
auf die Interessen der Vermieterseite, ohne Ausschöpfung des<br />
Rechtsschutzes für Gegenrechte des Mieters vorab einen Titel<br />
über Mietrückstände zu erlangen. Dies wird durch formularvertragliche<br />
Abkopplungsklauseln 3 erreicht. Der Mieter, der Gegenrechte<br />
in Form von Mietminderung, Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht<br />
oder Schadensersatz geltend macht, wird auf<br />
einen Folgeprozess verwiesen. Mit dieser Gestaltung wird dem<br />
Vermieter eine zügige Titulierung und Verwertung seiner Mietforderung<br />
ermöglicht. Der Mieter muss zunächst einmal die<br />
volle Miete zahlen. Gleichzeitig wird ihm das Prozess- und Beitreibungsrisiko<br />
im Hinblick auf seine gewährleistungsrechtlichen<br />
Ansprüche aufgebürdet. Liquide Gegenforderungen als<br />
Grundlage von Gegenrechten des Mieters durchbrechen allerdings<br />
diesen Mechanismus als Ausnahme. Diese Ausnahme vorzustellen<br />
und in ihren Anwendungsbereichen schärfer zu konturieren,<br />
ist Ziel dieses Beitrags.<br />
II. Meinungsstand<br />
Klauseln zur Abkopplung von Gegenrechten des Gewerbemieters<br />
gegen den Zahlungsanspruch des Vermieters nehmen<br />
unstreitige, entscheidungsreife und rechtskräftig festgestellte<br />
Gegenforderungen (liquide Forderungen) des Mieters, auf<br />
Grund derer er ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Aufrechnung<br />
erklären kann, aus ihrem Anwendungsbereich heraus.<br />
Ihnen ist gemeinsam, dass über die ihnen zugrunde liegenden<br />
Tatsachen kein Beweis mehr erhoben werden muss. 4 Damit folgt<br />
die Praxis einhelliger Meinung, 5 nach der liquide Forderungen<br />
als Grundlage von Gegenrechten des Mieters auch im kaufmännischen<br />
Verkehr nicht wirksam durch Formularklausel beschränkt<br />
oder gar ausgeschlossen werden können. Eine solche<br />
Klausel wäre unwirksam. Sie benachteiligt den Mieter unangemessen.<br />
III. Geltung für einzelne Gegenrechte<br />
Zu klären ist aber noch, welche Gegenrechte im Einzelnen<br />
zur Durchsetzung liquider Forderungen des Gewerbemieters<br />
vom Regelungsgehalt einer Abkopplungsklausel ausgenommen<br />
bleiben müssen.<br />
1. Aufrechnung<br />
Ausdrücklich ist die Frage für die Aufrechnung in § 309 Nr. 3<br />
BGB geregelt, dessen Rechtsgedanke über § 310 Abs.1 S. 2<br />
BGB auch bei der Inhaltskontrolle von Unternehmergeschäften<br />
Bedeutung zukommt. Formularvertragliche Aufrechnungs-<br />
GuT-Gesamtregister 2004–2005<br />
GuT-Einbanddecke 2004–2005<br />
Beachten Sie bitte die Hinweise in diesem Heft Seite 108<br />
(Umschlagseite IV)<br />
beschränkungen dürfen sich nicht auf unstrittige und rechtskräftig<br />
festgestellte Gegenforderungen beziehen. Entscheidungsreife<br />
Forderungen werden einbezogen, obgleich der Gesetzeswortlaut<br />
dies nicht vorsieht. Denn sie sind unter dem<br />
Aspekt der Prozessökonomie wie unstreitige Forderungen zu<br />
bewerten. 6<br />
2. Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrecht<br />
Für das Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrecht<br />
des Gewerbemieters in §§ 320, 273 BGB fixiert § 309 Nr. 2<br />
BGB, dass jede Einschränkung und erst recht jeder Ausschluss<br />
des Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechts<br />
durch Formularklausel unwirksam ist. Gegenüber Unternehmern<br />
als Vertragspartnern hat die Vorschrift lediglich indizielle<br />
Wirkung. Das Gebot, liquide Forderungen als Grundlage von<br />
Gegenrechten des Gewerbemieters vom Anwendungsbereich<br />
der Abkopplungsklausel auszunehmen, beruht jedoch auf grundlegenden<br />
Gerechtigkeitsvorstellungen. 7 Sie finden ihren kodifizierten<br />
Ausdruck in § 242 BGB. 8 Auf der Basis der dazu ergangenen<br />
AGB-Rechtsprechung ist die in § 307 BGB fixierte<br />
Generalklausel zur Inhaltskontrolle von Formularklauseln geschaffen<br />
worden. Das genannte Prinzip hat also generellen Charakter.<br />
Deshalb lässt sich für die Ausgangsfrage festhalten, dass<br />
dem Gewerbemieter unabhängig von der Gewichtung des § 309<br />
Nr. 2 BGB über § 310 Abs.1 S. 2 BGB zumindest Zurückbehaltungs-<br />
und Leistungsverweigerungsrechte auf Grund liquider<br />
Gegenforderungen nicht abgeschnitten werden dürfen.<br />
1) Der Verfasser ist als freier Rechtsanwalt (horst@rechtsanwalt-horst.de) sowie<br />
als Geschäftsführender Vorstand und Vorsitzender des Landesverbandes<br />
Niedersächsischer Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V., Hannover-Langenhagen<br />
tätig.<br />
2) Grundlegend: Horst, Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht, (2006),<br />
S. 22 ff.; auch Moeser, in: Lindner-Figura, Geschäftsraummiete (2006),<br />
S. 389 Rn. 6, bezeichnet diese Vertragsgestaltung als marktüblich.<br />
3) Zur Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundlegend: Horst, Abkopplungsklauseln<br />
im Gewerbemietrecht, S. 70 ff.<br />
4) Zum Begriff der liquiden Forderung: Emmerich, in: Emmerich-Sonnenschein,<br />
§ 552 a BGB Rn. 15; Sternel, Mietrecht, Teil III, S. 635 Rn. 126;<br />
Kraemer, in: Bub/Treier, Teil III. B Rn. 1373, S.1087.<br />
5) BGH, Urteil vom 16.10.1984 – X ZR 97/83, NJW 1985, S. 319 (320); BGH,<br />
Urteil vom 18. 4.1989 – X ZR 31/88, WPM 1989, S. 949 ff.; OLG Celle,<br />
Urteil vom 29.12.1989 – 2 U 200/88, WuM 1990, S.103 bis 115; OLG<br />
Düsseldorf, Urteil vom 25.10.1996 – 22 U 56/96, NJW-RR 1997, S. 757 f.;<br />
LG Wuppertal, Urteil vom 27. 7.1999 – 16 S 55/99, GuT 2002, S.19 f.; sowie<br />
die in der vorigen Fußnote zitierten Literaturhinweise.<br />
6) BGH, Urteil vom 15. 2.1978 – VIII ZR 242/76, WPM 1978, S. 620; Bub,<br />
in: Bub/Treier, Teil II Rn. 429, S. 229.<br />
7) BGH, Urteil vom 16.10.1984 – X ZR 97/83, NJW 1985, S. 319 (320); BGH,<br />
NJW-RR 1986, S.1110 (1111); OLG München, NJW-RR 1989, S.1434<br />
(1435); OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.10.1996 – 22 U 56/96, NJW-RR<br />
1997, S. 757 (758); Graf von Westphalen, in: Graf von Westphalen, „Zurückbehaltungsrecht“,<br />
S. 378 Rn. 23; Deutscher Bundestag, Drucksache<br />
7/3919, S. 28.<br />
8) Auch das LG Wuppertal (Urteil vom 27. 7.1999 – 16 S 55/99, GuT 2002,<br />
S.19) bewertet im Falle einer formularvertraglichen Abkopplungsklausel<br />
die Forderung der vollen Miete als rechtsmissbräuchlich, wenn die Gegenforderung<br />
des Mieters entscheidungsreif ist.<br />
Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 27 · 2–3/06 · Februar/März 2006<br />
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