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Vollstreckungsabwehr titulierter Gewerbemietforderungen<br />
einmal um die Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem<br />
für vollstreckbar erklärten notariell beurkundeten Gewerbemietvertrag<br />
im Hinblick auf die Mietforderung des Vermieters<br />
geht, ist die Vollstreckungsgegenklage von ihrem Klageziel her<br />
der richtige Rechtsbehelf.<br />
III. Zahlungstitel aus dem Urkundenprozess<br />
Diese Variante unterscheidet sich von der zuvor behandelten<br />
Konstellation wesentlich dadurch, dass der Zahlungsanspruch<br />
des Vermieters gerichtlich überprüft wurde, bevor der Zahlungstitel<br />
erging. Deshalb drängen bereits prozessökonomische<br />
Überlegungen zu der Frage, ob das Prozessgericht 1. Instanz als<br />
das auch für die Vollstreckungsgegenklage zuständige Gericht<br />
(§ 767 Abs.1 ZPO) nochmals mit dem Rechtsstreit befasst werden<br />
sollte. Gleichfalls führen Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu<br />
dieser Frage: Der Mieter sieht sich trotz gesetzlicher Gegenrechte<br />
gegen Mietforderungen des Vermieters mit einem Zahlungsprozess<br />
konfrontiert. Er wird mit seinen Gegenrechten<br />
klauselbedingt in einen Folgeprozess gedrängt und hat schließlich<br />
zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem Zahlungstitel<br />
auch noch Vollstreckungsgegenklage zu erheben, die aber im<br />
Falle des Endurteils (§ 600 ZPO) trotz eingreifender Abkopplungsklausel<br />
gemäß § 767 Abs. 2 ZPO regelmäßig wegen<br />
Präklusion scheitern muss. 20 Hier bedarf es eines einfacheren<br />
und gestraffteren Verfahrens, das die aufgezeigten Schwächen<br />
vermeidet.<br />
Soweit der Mieter auf den Zahlungstitel des Vermieters noch<br />
nicht geleistet hat, aber Gegenrechte hat, die seinen Zahlungsanspruch<br />
ausschließen, kommt nur eine negative Feststellungsklage<br />
in Betracht, die sich darauf richtet, dass dem Vermieter<br />
der Zahlungsanspruch nicht zusteht. Das kann zum Beispiel<br />
nach einer Aufrechnung mit sachmangelbedingten Gegenansprüchen<br />
der Fall sein. Gleichwohl steht dem Vermieter sein<br />
Zahlungstitel gegen den Mieter zur Verfügung, aus dem er die<br />
dort titulierten Mietforderungen in voller Höhe vollstrecken<br />
kann. Daraus erwächst die Frage, ob der Mieter schon unter Verweis<br />
auf sein Feststellungsurteil die Zwangsvollstreckung des<br />
Vermieters aus dessen Zahlungstitel abwehren kann, ohne dass<br />
Bedacht auf eine zusätzliche Vollstreckungsgegenklage genommen<br />
werden muss. Dieselbe Frage entsteht, wenn der Mieter<br />
auf Rückzahlung minderungsbedingt überzahlter Mietanteile<br />
geklagt hat und über einen Rückforderungstitel verfügt.<br />
Ein Lösungsansatz kann sich nur aus § 775 Nr.1 und 2 ZPO ergeben.<br />
Es handelt sich um die einzige Vorschrift, mit der eine<br />
Zwangsvollstreckung durch Vorlage von gerichtlichen Entscheidungen<br />
endgültig abgewendet werden kann. Allein die Vorlage<br />
des Feststellungs- oder des Rückforderungstitels genügt<br />
gemäß § 775 Nrn.1 und 2 ZPO nicht, um die Zwangsvollstreckung<br />
abzuwehren. Die Vorschrift verlangt, dass aus der vorgelegten<br />
gerichtlichen Entscheidung ein Vollstreckungshindernis<br />
in Bezug auf den zu vollstreckenden Titel selbst offenbar<br />
wird. Feststellungs- und Rückforderungstitel ergehen aber vom<br />
Zahlungstitel des Vermieters isoliert und treffen keine Aussagen<br />
zu Vollstreckungshindernissen. Die Vorschrift ist direkt<br />
nicht anwendbar. Es fragt sich insbesondere aus prozessökonomischen<br />
Gründen, ob sie analog herangezogen werden kann.<br />
Denn zumindest bei einem rechtskräftigen Feststellungs- oder<br />
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Rückforderungstitel des Mieters steht endgültig fest, dass er<br />
dem Vermieter die volle Miete, die er aber aus dem Zahlungstitel<br />
vollstrecken kann, nicht schuldet.<br />
Die in § 775 Nr.1 und 2 ZPO vorgefundene Regelungslücke<br />
für den hier zu untersuchenden Fall ist als erste Voraussetzung<br />
einer Analogie 21 planwidrig. Die Vorschrift will Hinderungsgründen<br />
Rechnung tragen, die den Fortgang der zu betreibenden<br />
Zwangsvollstreckung aufhalten. 22 Die genannten rechtskräftigen<br />
Titel des Mieters stellen derartige Hinderungsgründe<br />
dar, die der Gesetzgeber nicht bedacht hat. Die in § 775 Nrn. 1<br />
und 2 ZPO geregelten Fälle sind mit der hier zu untersuchenden<br />
Gestaltung vergleichbar, wenn auch die Titel des Mieters<br />
das Gebot einer Einstellung der Zwangsvollstreckung inhaltlich<br />
und damit formell nicht ausdrücklich anordnen. Auf Grund ihrer<br />
Rechtskraft steht dauerhaft fest, dass dem Vermieter seine<br />
zu vollstreckende Forderung nicht zusteht. Nur dieser Tenor erwächst<br />
in Rechtskraft, nicht die Entscheidungsgründe. Dem<br />
Vollstreckungsorgan wird deshalb auch keine materiellrechtliche<br />
Prüfung zugemutet, die nicht in seine Sachkompetenz fällt<br />
und ausschließlich dem Prozessgericht vorbehalten ist. Schon<br />
durch einen reinen Vergleich des Urteilstenors aus dem Titel des<br />
Mieters mit dem Zahlungstitel des Vermieters wird deutlich,<br />
dass dem Vermieter die dort titulierte Forderung nicht zusteht.<br />
Würde man dem Mieter mit seinem rechtskräftigen Gegentitel<br />
die Abwehr der Zahlungsvollstreckung nicht ermöglichen und<br />
ihn auf die Vollstreckungsgegenklage verweisen, so wäre das<br />
Prozessgericht erster Instanz erneut mit der Sache befasst, obwohl<br />
auf Grund der Rechtskraft der Gegentitel des Mieters bereits<br />
klar ist, dass nichts mehr geschuldet ist. Die Lösung über<br />
eine analoge Anwendung von § 775 Nrn. 1 und 2 ZPO ist daher<br />
nicht nur prozessökonomisch, sondern dient ebenso der Entlastung<br />
der Justiz von unsinnigen Verfahren. Sie ist auch in der<br />
Sache pragmatischer. Muss auf Grund der Abkopplungsklausel<br />
schon ein zweiter Prozess des Mieters gegen den Vermieter in<br />
Kauf genommen werden, dann dient das daraus erwachsende<br />
rechtskräftige Urteil zugunsten des Mieters wenigstens der endgültigen<br />
Entscheidung des Streits und damit der Rechtsbefriedung.<br />
Mit der eröffneten Möglichkeit einer Abwehr der<br />
Zwangsvollstreckung des Zahlungsanspruchs des Vermieters<br />
werden die im Streit befindlichen wirtschaftlichen Mittel unter<br />
den Parteien endgültig so aufgeteilt, wie dies auch nach der Abkopplungsklausel<br />
geschuldet ist. Der Umweg über einen dritten<br />
Prozess – hier der Vollstreckungsgegenklage – wird vermieden.<br />
Der Vermieter wird nicht benachteiligt. Er erhält genau<br />
die Mietanteile, die er endgültig sachmangelbedingt erhalten<br />
würde. Gleichzeitig kann vermieden werden, dass der Mieter<br />
zunächst trotz seines rechtskräftigen Gegentitels zahlen<br />
muss, auf den Rückfluss der ihm zustehenden Mietanteile warten<br />
muss und dazu auch noch als Kläger einer Zwangsvollstreckungsgegenklage<br />
durch die Führung dieses Rechtsstreites<br />
wirtschaftlich belastet wird. Auf den Fall eines vorhandenen<br />
rechtskräftigen Gegentitels ist folglich § 775 Nrn. 1 und 2 ZPO<br />
analog anzuwenden. Der Mieter kann allein durch die Vorlage<br />
dieses Titels die Zwangsvollstreckung des Vermieters aus seinem<br />
Zahlungstitel abwehren.<br />
Ist der Titel des Mieters erst vorläufig vollstreckbar, so entsteht<br />
die parallele Frage, ob die Zwangsvollstreckung aus dem<br />
Zahlungstitel wenigstens vorläufig einzustellen ist. Auch auf<br />
diesen Fall passen §§ 775 Nr. 2, 707 Abs.1, 769 Abs.1 ZPO unmittelbar<br />
nicht. Auf Grund der bisherigen Darlegungen ist ihre<br />
analoge Anwendung aber ebenso auf den Fall der vorläufigen<br />
Vollstreckbarkeit der Gegentitel des Mieters zu befürworten.<br />
IV. Schlussbemerkung<br />
Gegen Endurteile im Nachverfahren ist die Vollstreckungsgegenklage<br />
bei eingreifender Abkopplungsklausel als Rechts-<br />
20) BGH, BGHR ZPO § 256 Abs.1 ZPO „Negative Feststellung Nr.15“; ausführlich:<br />
Horst, Abkopplungsklauseln im Gewerbemietrecht, 2006,<br />
S.148–152.<br />
21) Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 366 ff.<br />
22) Zöller-Stöber, § 775 Rn.1.<br />
Gewerbemiete und Teileigentum · Heft 27 · 2–3/06 · Februar/März 2006 65