Hindernisfreies Bauen bei schützenswerten Gebäuden ... - Pro Infirmis
Hindernisfreies Bauen bei schützenswerten Gebäuden ... - Pro Infirmis
Hindernisfreies Bauen bei schützenswerten Gebäuden ... - Pro Infirmis
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Vorwort<br />
Diese wegweisende Schrift belegt eindrücklich die Machbarkeit behindertengerechten<br />
<strong>Bauen</strong>s. Möge sie mithelfen, die schweizerische<br />
Unart zu überwinden, die sich mit Vorliebe zuerst einmal auf das<br />
stürzt, was nicht geht… Eric Bertels zeigt, dass es nicht nur geht, sondern<br />
dass sich auch unter schwierigen Bedingungen in alten Gebäuden<br />
technisch saubere, architektonisch befriedigende und bezahlbare<br />
Lösungen finden lassen <strong>bei</strong> der Umsetzung des freien Zugangs für<br />
Menschen mit Behinderungen.<br />
Zunächst denkt man, Architekten und Bauträger, die behindertengerecht<br />
bauen, hätten die gleichen Perspektiven wie Behinderte, die<br />
Gebäude und öffentliche Räume nutzen. Seit ich mit meiner Schwester<br />
und Rollstuhlfahrerin und gelegentlich mit anderen Rollstuhlfahrern<br />
unterwegs bin, sehe ich das anders. Architekten müssen allen Behinderungsarten<br />
und allen Schweregraden von Funktionseinschränkungen<br />
angemessen Rechnung tragen. Bei bestehenden Bauten müssen<br />
sie manchmal Kompromisse schliessen, die Nutzer – ich zähle mich<br />
als Hilfsperson auch dazu – gelegentlich schwer verstehen. Der grösste<br />
Unterschied in der Sichtweise liegt wohl darin, dass Nutzerinnen<br />
und Nutzer in einem Gebäude wohnen, ar<strong>bei</strong>ten, zur Schule gehen,<br />
eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, etwas geniessen, konsumieren,<br />
erleben wollen. Und: Die Braut im Rollstuhl will das Standesamt<br />
mit Recht nicht durch einen Nebeneingang «betreten». Gleichstellung<br />
ist ein verfassungsmässig garantiertes Menschenrecht, dessen ethische<br />
Basis die Respektierung der Würde jedes einzelnen Menschen ist.<br />
Nebeneingänge, Warenlifte und dergleichen sind häufig anzutreffen,<br />
müssen aber Notlösungen bleiben und dürfen nicht zu Dauerprovisorien<br />
verkommen.<br />
Wer im Rollstuhl durch die USA gereist ist, weiss, was ein radikales<br />
Behinderten-Gleichstellungsgesetz (ADA, in Kraft seit 1990) zustande<br />
bringt. In einem Land, das um ein Vielfaches grösser ist als die<br />
Schweiz, fällt auch auf, wie lückenlos Bauhindernisse beseitigt sind.<br />
Zugegeben, unser Gleichstellungsgesetz ist 24 Jahre jünger und erst<br />
noch vergleichsweise lückenhaft. Trotzdem erleben wir nahezu <strong>bei</strong><br />
jedem Ausflug, <strong>bei</strong> jedem Restaurant-, Hotel-, oder Kinobesuch, dass<br />
ein Bereich zugänglich ist, ein anderer nicht. Mal fehlt das WC, oder<br />
es ist zu klein, mal ist das Kino zugänglich, aber der Rollstuhl muss<br />
weit am Rand auf einer schiefen Ebene stehen. Entdeckt man einen<br />
Treppenlift – meiner Ansicht nach ein Notbehelf – sucht man nicht selten<br />
zuerst die für ihn zuständige Person, dann sucht die Person den<br />
Schlüssel und dann sucht diese Person noch jemanden, der den Lift<br />
bedienen kann. Das ist kein Vergnügen und das ist auch kein gleichberechtigter<br />
Zugang. Und es ist frustrierend für die Helfer, die sich oft<br />
die grösste Mühe geben.<br />
5