Diplomarbeit Bensmann 210507 - Universität Osnabrück
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II. Literaturübersicht 51<br />
5.2 Bindungsrepräsentanzen traumatisierter und traumatisierender<br />
Erwachsener<br />
Eine traumatische Vorerfahrung bei mindestens einem Elternteil kann als<br />
wesentliche Determinante eines desorganisierten Bindungsstils angesehen werden.<br />
Diese Determinante umfasst den ungelösten traumatischen Verlust von<br />
Bindungsfiguren, traumatischen Misshandlungserfahrungen in Form physischer oder<br />
sexueller Gewalt oder auch erst kurz zurückliegende Traumatisierungen. Van<br />
Ijzendoorn et al. (1996) gehen davon aus, dass desorganisierte Bindung nicht auf<br />
konstitutionelle Faktoren zurückzuführen ist (Wöller, 2006). Darüber hinaus<br />
tendieren sie selbst aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen zur Fortführung von<br />
Misshandlung und Vernachlässigung in zwischenmenschlichen Beziehungen<br />
(Streeck-Fischer & van der Kolk, 2000).<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund derartiger Erfahrungen die<br />
Fähigkeit, sich in den mentalen Zustand anderer einzufühlen, nachhaltig und<br />
dauerhaft gestört bleibt und die Wahrscheinlichkeit einer Transmission der<br />
traumatischen Erfahrung in der Interaktion mit den eigenen Kindern erhöht (vgl.<br />
Fonagy & Target, 1996; Hauser, 2001; zitiert nach Strauß, 2005). Zusammenhänge<br />
zwischen traumatischen Erfahrungen und Beeinträchtigungen von selbstreflexiven<br />
Funktionen wurden in mehreren empirischen Studien belegt (vgl. Fornagy, 2002;<br />
zitiert nach Strauß, 2005).<br />
Das Elternverhalten desorganisierter Kinder lässt sich beschreiben als ängstlicherschrockenes<br />
und gleichzeitig ängstigend-erschreckendes Verhalten. Dieses<br />
Verhalten bringt das Kind in den unlösbaren Konflikt, bei den Eltern Schutz zu<br />
suchen und sich gleichzeitig vor ihrem Verhalten schützen zu müssen (Main &<br />
Hesse, 1990; zitiert nach Wöller, 2006). Der so entstehende Annäherungs-<br />
Vermeidungskonflikt lässt dem Kind keine vorhersagbare Bewältigungsstrategie<br />
treffen, um mit den Eltern erfolgreich in Interaktion zu treten.<br />
Bei den Eltern handelt es sich bei diesen Reaktionen am ehesten um dissoziative<br />
Reaktionen, bei denen – ausgelöst durch kindliche Merkmale und<br />
Verhaltensweisen – eigene traumatische Erfahrungen, vor allem eigene Erfahrungen<br />
von traumatischem Verlust und sexuellem Missbrauch, hervorgerufen werden<br />
(Hesse, 1999; Liotti, 1995, 1999; Main & Morgan, 1996; Nijenhuis et al., 2003;<br />
zitiert nach Wöller 2006).