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(Arbeitstitel)<br />
54 55<br />
Der<br />
FaustIn<br />
and out<br />
Clown<br />
26 jun —— 14<br />
uraufführung<br />
von Nis-Momme Stockmann<br />
Regie Anne Lenk<br />
Bühne Judith oswald<br />
Kostüme SiLJa Landsberg<br />
Lew Katz unterrichtet Physik und hat<br />
Krebs. Von dem zweiten ist er grundsätzlich<br />
und weitestgehend überzeugt. Mindestens<br />
aber davon, dass irgendetwas<br />
mit ihm nicht stimmen kann, denn jeden<br />
Morgen bevor er in die Universität fährt,<br />
überkommen ihn schwere Schmerzanfälle.<br />
Lews Frau Anne kauft sich einen Hund<br />
und besucht Schreibkurse, weil es seit<br />
Monaten nur noch um die Krankheit ihres<br />
Mannes geht.<br />
Marlene ist Lews Studentin, jobbt nebenher<br />
bei der Bahn und ist mittlerweile der<br />
Überzeugung, es gehe gar nicht um Brezeln,<br />
sondern um Demut vor dem Patriarchat.<br />
Basil ist Kontrabassist, der mit den<br />
letzten Resten einer glänzenden Karriere<br />
zwischen Hotelbars und silbernen Hochzeiten<br />
tingelt. Eva ist Basils Assistentin,<br />
eigentlich Freundin, eigentlich talentierte<br />
mar<br />
staLL<br />
5 JUN —— 14<br />
Bassistin. Und Schröder ist eigentlich nur<br />
Rezeptionist in einem schlechten Hotel.<br />
Gemeinsam haben sie im Grunde nur,<br />
dass sie sich übermächtigen und unbeeinflussbaren<br />
Umständen ausgesetzt fühlen.<br />
Wenn aber keiner von ihnen die Kontrolle<br />
hat, wer hat sie dann? Und wo kommt eigentlich<br />
das ganze Unglück her? Was bewegt<br />
einen von Zuversicht zu Depression?<br />
Ein nicht zur rechten Zeit angekommenes<br />
Krebstestergebnis, ein plötzlich bissig<br />
werdender Hund, ein Anruf, eine Bemerkung<br />
auf dem Flur, ein Handgemenge,<br />
eine Beleidigung – in dem Durcheinander<br />
scheinbar unbedeutender Handlungen,<br />
Gedanken, Äußerungen verschränken sich<br />
ihre Wege: Lew trifft Marlene. Anne trifft<br />
Basil. Lew tötet den Hund. Die Therapie<br />
läuft schlecht. Boris ruft Anne an. Schröder<br />
ruft Eva an. Eva trifft Marlene und<br />
wirft einen Kontrabass mit ihr aus dem<br />
Seitenfenster des Führerwagens eines<br />
fahrenden ICEs. Lew mag Marlene. Jörg<br />
mag Marlene. Boris mag Marlene. Marlene<br />
mag Eva. Basil trifft Lew. Lew hat genug!<br />
NIS-MOMME STOCkmann<br />
Und während es unter der Haut und hinter<br />
den Augen der Menschen schwelt und die<br />
Entwicklungen zwingend werden, bewegt<br />
sich ein gewaltiger Sturm auf Nordeuropa<br />
zu.<br />
„Der Mann der die Welt aß“, „Kein Schiff<br />
wird kommen“, „Tod und Wiederauferstehung<br />
der Welt meiner Eltern in mir“ – die<br />
Stücke von Nis-Momme Stockmann fallen<br />
nicht nur durch ihre poetischen Titel auf,<br />
sie fangen auf wundersame Weise auch<br />
das Lebensgefühl seiner jungen Generation<br />
ein und wurden vielfach ausgezeichnet.<br />
Anne Lenk inszeniert zwischen Augsburg,<br />
Hamburg und Wien und hat im Cuvilliéstheater<br />
Anfang 2012 Franz Xaver Kroetz‘<br />
„Du hast gewackelt. Requiem für ein liebes<br />
Kind“ uraufgeführt, das zu den Mülheimer<br />
Theatertagen eingeladen wurde.<br />
„Ein Stück über das dämliche Wort<br />
‚Schicksal‘, die Macht des Einzelnen,<br />
über die Masse und das Individuum,<br />
über die Zeit, über Kontrolle und vor<br />
allem über die gängige Verwechslung<br />
von Angst mit Liebe.“<br />
von<br />
Regie<br />
Elfriede Jelinek<br />
Johan Simons<br />
Als Goethes Faust auf der Straße Gretchen<br />
sieht, befiehlt er Mephisto: „Hör, du musst<br />
mir die Dirne schaffen!“ Und Mephisto<br />
„schafft ihm“ die junge Frau, man weiß,<br />
mit welchem Ende: Margarete ist tot, und<br />
Faust zieht weiter, höheren Weihen und<br />
dem zweiten Teil von Goethes bekanntestem<br />
Werk entgegen.<br />
An diesem beiläufig hingenommenen Kollateralschaden<br />
setzt Elfriede Jelineks<br />
„Sekundärdrama“ an, von dem die Autorin<br />
verfügt hat, dass es nur in Verbindung mit<br />
der Primärtragödie gespielt werden darf.<br />
FaustIn und GeistIn, weibliche Pendants<br />
zu Faust und Mephisto, erzählen von heutigen<br />
Gretchen-Tragödien: Von der Frau,<br />
„Man muß aber<br />
dran glauben.<br />
Jeder muß dran<br />
glauben.“<br />
die von ihrem Vater jahrelang in den Keller<br />
gesperrt und vergewaltigt wird, damit<br />
ihr Leben und ihr Körper seiner Gewalt<br />
vollständig unterliege. Von der Frau, die<br />
im Supermarkt gekündigt wird, nachdem<br />
sie abgelaufenen Pudding mit nach Hause<br />
genommen hat. Von der Frau, die wie<br />
so viele andere ohne Perspektiven zurückbleibt,<br />
wenn der Versandhandel, bei<br />
dem sie angestellt war, in Konkurs geht.<br />
Jelinek musste nicht lange nach Beispielen<br />
suchen, sie finden sich in den Tagesnachrichten.<br />
Und so besteht „FaustIn and<br />
out“ aus alltäglichen Geschichten in ihrer<br />
ganzen Monströsität. Die Herrschaft des<br />
Marktes und der Männer verfügt über Verfallsdatum,<br />
Ausschluss und Auslöschung<br />
von Frauenleben. Das Abrutschen in die<br />
Gewalt liegt dabei, wie Jelinek wortspielreich<br />
erweist, oft nur eine Silbe, eine<br />
Verbergänzung, eine kleine Bedeutungsverschiebung<br />
weit entfernt.<br />
Johan Simons, Intendant der Münchner<br />
Kammerspiele, ist bekannt für die behutsamen<br />
theatralen Resonanzräume, die<br />
er den oft schmerzend schonungslosen<br />
Jelinek-Stücken bereitstellt. Seine Inszenierung<br />
im Cuvilliéstheater ist Teil eines<br />
freundschaftlichen Austauschs der beiden<br />
Häuser, der Martin Kušej übers Jahr auch<br />
zu einer Inszenierung auf die andere Seite<br />
der Maximilianstraße führen wird.<br />
C<br />
cuvilliés<br />
theater