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natur und mensch - Rheinaubund

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Netzsicherheit, wie von den KWO verlangt,<br />

braucht es gar nicht, denn die vorhandenen<br />

Kapazitäten genügen vollauf. Der vergrösserte<br />

Grimselsee bietet mehr Möglichkeiten<br />

zum Pumpen <strong>und</strong> Wiederturbinieren.<br />

Der Pumpspeicherbetrieb würde 10–20<br />

mal mehr Strom vernichten als zusätzlich<br />

produzierte erneuerbare Energie.<br />

Zudem werden netto CO2-Treibhausgase<br />

produziert (r<strong>und</strong> 530 g CO2 pro kWh),<br />

weil zur Betreibung der Pumpen fossile<br />

Energie aus dem Euromix benötigt<br />

wird. Von „ökologischer Stromproduktion“<br />

oder Klimaschutzmassnahme kann also<br />

keine Rede sein. Schliesslich hat der<br />

Pumpspeicherbetrieb auch verheerende<br />

Folgen für das hydrologische Regime <strong>und</strong><br />

die aquatische Fauna.<br />

(4) „KWO Plus“-Projekte verschärfen Gewässerschutzprobleme.<br />

Nebst der ungenügenden<br />

Restwassermenge in den gefassten Bächen<br />

(nach heute gültiger Kon zession)<br />

<strong>und</strong> dem Moorschutz am Grimselsee gibt<br />

es noch weitere äusserst gravierende<br />

Umweltschutzprobleme. Die Auswirkungen<br />

des Sunk-Schwall Betriebs sind hinlänglich<br />

bekannt: die zeitlich rasanten Abfluss<strong>und</strong><br />

Pegeländerungen im Rhythmus<br />

des Turbinierens gefährden die Fische<br />

<strong>und</strong> Kleinlebewesen massiv. Entgegen<br />

den Behauptungen der KWO sind die<br />

Pegelamplituden enorm. Am 9. Januar<br />

2006 wurde in der Aare bei Brienzwiler<br />

ein Pegelanstieg von 74 cm in 10 Minuten<br />

gemessen. Am 10. Januar 2006 stieg der<br />

Abfluss von 3 m 3 /s um 6 Uhr auf 54 m 3 /s<br />

um 9 Uhr, was einen Schwallfaktor von 18:1<br />

ergibt. Dieser Faktor würde durch die angekündigte<br />

sechste Turbine im Kraftwerk<br />

Innertkirchen 1 noch wesentlich erhöht. In<br />

Österreich werden Faktoren von 3–5 als ökologisch<br />

vertretbar angesehen. Wieso soll dieser<br />

Standard nicht auch in der Schweiz gelten?<br />

Zwar planen die KWO, dieses Problem<br />

mit Hilfe eines Ausgleichsbeckens zu mildern.<br />

Eine gute Absicht, aber leider schlecht<br />

umgesetzt, denn die Kapazität des geplanten<br />

Beckens ist viel zu klein. Der Sunk-<br />

Schwall Effekt in der Aare muss zum Schutz<br />

der aquatischen Fauna vermindert werden.<br />

Auch das Vorfeld des<br />

Ober aar gletschers wäre<br />

vom Höherstau des<br />

Grimselsees betroffen.<br />

Foto: visipix.com / kwo<br />

Ein zweites, nicht minder brisantes Thema ist<br />

die Trübung des Brienzersees <strong>und</strong> der damit<br />

möglicherweise verb<strong>und</strong>ene Fisch rückgang.<br />

Selbst eine wissenschaftliche Studie konnte<br />

den Beweis nicht einwandfrei erbringen, dass<br />

der Trübung keine ökologische Bedeutung<br />

zukomme. Zwar wird die Wintertrübung vom<br />

Kraftwerksbetrieb unzweifelhaft erhöht, indem<br />

statt wie früher 3’000 Tonnen jetzt jeden<br />

Winter 14’000 Tonnen Schwebstoffe eingetragen<br />

werden. Deren Bedeutung wird aber<br />

von den KWO heruntergespielt, während die<br />

Auswirkungen auf die Frühjahrsproduktion<br />

der Algen wohl unterschätzt wurden. Da<br />

der nährstoffarme Brienzersee sowieso nur<br />

geringe Algenbiomassen erzeugen kann,<br />

werden diese noch zusätzlich verringert,<br />

indem die Frühjahrsproduktion wegen<br />

Lichtmangels geschmälert wird. Darunter leiden<br />

dann das Zooplankton <strong>und</strong> die Felchen<br />

am Ende dieser Nahrungskette: sie haben<br />

nichts zu fressen, wachsen langsamer, <strong>und</strong><br />

die Populationsdichte bzw. der Fischbestand<br />

nimmt ab.<br />

(5) Energie- <strong>und</strong> regionalwirtschaftliche Alternativen.<br />

Der Wert der Wasserkraft als alte<br />

erneuerbare Energiequelle ist uns selbstverständlich<br />

bewusst. Es gibt jedoch auch<br />

Grenzen der Nutzung. Wenn die Politiker<br />

<strong>und</strong> Kraftwerksbetreiber den Vorzug der<br />

CO2-freien Stromproduktion hervorheben<br />

(der bei Pumpspeicherung allerdings<br />

ins Gegenteil kehrt), muss man gleichzeitig<br />

auch den gesellschaftlichen Wert der<br />

aquatischen Ökosysteme im Auge behalten.<br />

Die Energiedebatte muss im Sinne der<br />

Ökonomie <strong>und</strong> Nachhaltigkeit auch dezentrale<br />

Energieformen berücksichtigen,<br />

nebst dem sehr beträchtlichen technischen<br />

Sparpotential, das es auszuschöpfen gilt. Die<br />

Umweltorganisationen empfehlen deshalb<br />

das Know-how der KWO mit einem zu gründenden<br />

Kompetenzzentrum für dezentrale<br />

Energieerzeugung zu nutzen. So würde<br />

zum Beispiel der Ersatz von unsinnigen in<br />

den 1970er Jahren noch geförderten Elektro<br />

heizungen <strong>und</strong> Ölheizungen durch Wärme<br />

kraftkopplungsanlagen in den Häusern<br />

eine viel effektivere Wärmenutzung <strong>und</strong><br />

Stromeinsparungen ermöglichen. Die von<br />

allen propagierte Förderung von Arbeitsplätzen<br />

liesse sich auch so erreichen.<br />

Zusammenfassend halte ich fest, dass die<br />

Umweltverbände die von den Behörden vorgenommene<br />

Interessenabwägung zugunsten<br />

des Kraftwerkausbaus <strong>und</strong> gegen das<br />

BLN-Gebiet nicht akzeptieren <strong>und</strong> dies auch<br />

begründen können. Für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

heisst das, dass wir uns auch in diesem Fall<br />

engagiert <strong>und</strong> sachlich f<strong>und</strong>iert für den<br />

Gewässerschutz <strong>und</strong> den Landschaftsschutz<br />

als Anwalt der Natur im nationalen Interesse<br />

einsetzen.<br />

(Weitere Informationen unter<br />

www.wwf-be.ch <strong>und</strong> www.pro<strong>natur</strong>a.ch/be)<br />

Jürg Bloesch<br />

Dr. sc. nat. ETH Limnologe<br />

Kopräsident Rheinaub<strong>und</strong><br />

Stauffacherstrasse 159<br />

8004 Zürich<br />

Tel. 044/241 11 19<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 17

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