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Vivaldi in - Rondo

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Da Capo<br />

Gezischtes Doppel: Premierennotizen<br />

der RONDO-Opernkritik<br />

Visueller<br />

Zauber neben<br />

Klangbrennschärfen:<br />

„Das Mädchen<br />

mit den<br />

Schwefelhölzern“<br />

Traumhaft schönes<br />

Leiden<br />

Ruhrtriennale, Bochum<br />

Lachenmann: „Das Mädchen mit<br />

den Schwefelhölzern“<br />

Wer wie Helmut Lachenmann immer gegen<br />

Trends und Traditionen ankomponiert hat,<br />

der konnte auch Ende des 20. Jahrhunderts<br />

nicht e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Oper schreiben. Und so bezeichnete<br />

er das 1997 <strong>in</strong> Hamburg uraufgeführte<br />

„Mädchen mit den Schwefelhölzern“<br />

schlicht als „Musik mit Bildern“. Doch wohl<br />

eher trifft dafür der Werkbegriff „Hörtragödie“<br />

zu, den Lachenmanns Lehrer Luigi Nono geprägt<br />

hat. Denn entlang von Andersens gleichnamigem<br />

Märchen sowie Texten von Gudrun<br />

Enssl<strong>in</strong> und Leonardo da V<strong>in</strong>ci hat er e<strong>in</strong>e für<br />

Sänger, Sprecher, großes Orchester und Raum-<br />

Elektronik gesetzte Klangsprache entwickelt,<br />

die mit ihrem von Schaben über Wispern bis<br />

Stammeln reichenden Spektrum von den<br />

Seelentrümmerlandschaften, vom Scheitern<br />

und Sterben erzählen.<br />

Im Rahmen der Ruhrtriennale, die noch bis<br />

zum nächsten Jahr unter der künstlerischen<br />

Leitung des Komponisten He<strong>in</strong>er Goebbels<br />

steht, wurde dieses enorm anspruchsvolle<br />

Opus Magnum der Dekonstruktion <strong>in</strong> der<br />

riesigen Bochumer Jahrhunderthalle <strong>in</strong>szeniert.<br />

Und der amerikanische Regisseur<br />

Robert Wilson machte dabei se<strong>in</strong>em Ruf als<br />

Zeremonienmeister e<strong>in</strong>er kühlen und zugleich<br />

doch stets schicken Ästhetik alle Ehre.<br />

E<strong>in</strong>gerahmt von den Zuschauertribünen,<br />

wandelt er so auf e<strong>in</strong>er streng geometrischen<br />

32<br />

Spielkastenfläche schnappschussartig durch<br />

Märchen- und Traumwelten.<br />

Zu der Musik, die das von Emilio Pomàrico<br />

sensationell e<strong>in</strong>justierte hr-S<strong>in</strong>fonieorchester<br />

samt Vokalsolisten durch den Raum jagt und<br />

hetzt, ist Wilson höchstselbst <strong>in</strong> die Rolle e<strong>in</strong>es<br />

diabolischen Verführers geschlüpft. Derweil<br />

ertastet sich sehnsuchtsvoll, stumm und <strong>in</strong><br />

für Wilson typischer Slow Motion Schauspieler<strong>in</strong><br />

Angela W<strong>in</strong>kler als weißgewandete<br />

K<strong>in</strong>dsfrau ihre Wege zu surrealen Bildern, die<br />

von René Magritte stammen könnten. Und<br />

spätestens, wenn riesige Geste<strong>in</strong>sbrocken<br />

herumschweben oder e<strong>in</strong> brennender Stuhl<br />

<strong>in</strong> der Luft steht, ist das zwar alles schönste<br />

Theatermagie. Doch mit Lachenmanns aufreibenden,<br />

das unmittelbar Existenzielle <strong>in</strong>s<br />

Visier nehmenden Klangbrennschärfen hat<br />

dieser Wilson-Zauber wenig zu tun.<br />

<br />

Guido Fischer<br />

Ross<strong>in</strong>i-Weltwunder<br />

Pesaro<br />

Ross<strong>in</strong>i: „Guillaume Tell“ u. a.<br />

Ross<strong>in</strong>i-Aufführungen können nicht lange<br />

genug dauern! Zeigt diese Me<strong>in</strong>ung nun, dass<br />

man von der grassierenden ‚Ross<strong>in</strong>itis’ angesteckt<br />

wurde? „Guillaume Tell“ <strong>in</strong> Pesaro<br />

jedenfalls dauert mit 5 ¼ Stunden fast so lange<br />

wie die „Meisters<strong>in</strong>ger“. Freilich mit e<strong>in</strong>em –<br />

hier wiederum präsenten – Juan Diego Flórez<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Debüt-Rolle als Arnold.<br />

Nicht nur die Sänger, auch Besucher des<br />

Festivals kehren immer wieder. Oder verdrehen<br />

noch Jahrzehnte später die Augen vor<br />

Verzückung. Schlüssel dafür ist der kle<strong>in</strong>e,<br />

auch heute noch durch die Fußgängerzone<br />

stuppelnde Alberto Zedda. Er betreut<br />

das Festival seit 1980 und entdeckte hier<br />

Sänger wie Renée Flem<strong>in</strong>g, Cecilia Bartoli und<br />

Daniela Barcellona. In diesem Jahr verströmt<br />

Mar<strong>in</strong>a Rebeka (Mathilde) die Grandezza<br />

e<strong>in</strong>er heldisch gewordenen Mozart-König<strong>in</strong>.<br />

Nicola Alaimos bissiger Tell, Veronica Simeoni<br />

(Hedwige) und Celso Albelo (Pêcheur) sorgen<br />

für e<strong>in</strong>e bis <strong>in</strong> die letzte Reihe idiomatische<br />

Besetzung. So f<strong>in</strong>det man das an ke<strong>in</strong>em<br />

normalen Opernhaus.<br />

Juan Diego Flórez schließlich, der sich dies<br />

Debüt-Umfeld ausgesucht hat, legt metallische<br />

Streben an, ohne die Spr<strong>in</strong>glebendigkeit<br />

se<strong>in</strong>es Flummy-Tenors im M<strong>in</strong>desten e<strong>in</strong>zubüßen.<br />

Grandios! Da steckt man die läppische<br />

Klassenkampf-Inszenierung von Graham Vick<br />

– mit explodierendem Apfel! – mühelos weg.<br />

Michele Mariotti (aktueller Freund der im<br />

Parkett anwesenden Olga Peretyatko) dirigiert<br />

flockig-mediterran mit lässiger Hand.<br />

Nebendran kriegt man mit „L’occasione fa<br />

il ladro“ hier noch die wohl letzte Inszenierung<br />

von Jean-Pierre Ponnelle zu sehen (von 1987).<br />

Immerh<strong>in</strong> mit Elena Tsallagova. „L’italiana<br />

<strong>in</strong> Algeri“, „Viaggio a Reims“ und Bruno<br />

Can<strong>in</strong>os zyklische Wiedergabe von Ross<strong>in</strong>is<br />

„Sünden des Alters“ (<strong>in</strong> der historischen Rocca<br />

Costanza) bilden das Beiprogramm. Wem<br />

noch immer Reise-Gründe fehlen, der ziehe<br />

die beiden großformatigen Giovanni Bell<strong>in</strong>i-<br />

Altarbilder <strong>in</strong> Betracht, die <strong>in</strong> den Musei Civici<br />

herumhängen. Oder die Fresken <strong>in</strong> der Villa<br />

Imperiale, an denen Bronz<strong>in</strong>o beteiligt war.<br />

Pesaro: das liebenswürdigste Weltwunder der<br />

Klassik! <br />

Robert Fraunholzer<br />

Fotos: Lucie Jansch/Ruhrtriennale

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