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Vivaldi in - Rondo

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Klassik<br />

denken e<strong>in</strong>stellen. Denn was den<br />

warmen Gesamtklang, die agogische<br />

Geschmeidigkeit und nicht<br />

zuletzt den (geglückten) Versuch<br />

angeht, die E<strong>in</strong>zelstimmen kammermusikalisch<br />

transparent zu<br />

gestalten, zeigen sich die russischen<br />

Musiker von ihren idealen<br />

Möglichkeiten.<br />

Bleibt dieser durch Mahlers<br />

Brille gesehene Schubert trotzdem<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Experiment,<br />

kann Bashmet bei den beiden anderen<br />

Schubert-Bearbeitungen<br />

auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eigentlichen Profession<br />

als Bratscher glänzen. Bei<br />

der von e<strong>in</strong>em gewissen C.G. Wolff<br />

stammenden E<strong>in</strong>richtung des<br />

„Erlkönigs“ für Viol<strong>in</strong>e und Viola<br />

lässt es Bashmet geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Alena Baeva schaurig schön<br />

und bittersüß pulsieren (e<strong>in</strong> ideales<br />

Zugabenstück!). Und da die<br />

Arpeggione-Sonate schon längst<br />

nicht mehr nur vom Cello, sondern<br />

auch von der Viola gespielt<br />

wird, vergrößerte der Solocellist<br />

der Münchner Philharmonide<br />

dem erhofften Hörgenuss entspricht.<br />

Zu Zeiten Gustav Mahlers<br />

war das nicht anders. So haderte<br />

der Perfektionist besonders<br />

mit den für Kammermusik tödlichen,<br />

akustischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>es noch so edel ausgekleideten<br />

Klangtempels. Um daher den<br />

Nuancenreichtum e<strong>in</strong>es Beethoven-<br />

und Schubert-Streichquartetts<br />

bis <strong>in</strong> den h<strong>in</strong>tersten Saalw<strong>in</strong>kel<br />

hörbar zu machen, machte<br />

Mahler aus der Not e<strong>in</strong>e Tugend<br />

und bearbeitete die Werke e<strong>in</strong>fach<br />

für Streichorchester. Nun muss<br />

man sich im Falle von Schuberts<br />

berühmtem Streichquartett Nr. 14<br />

„Der Tod und das Mädchen“ erst<br />

e<strong>in</strong>mal mit dem recht monumentalen<br />

Streicherklang speziell im 3.<br />

Satz anfreunden. Und kommt das<br />

Todes-Motiv im langsamen Satz<br />

nicht vielleicht doch zu luftig süß,<br />

zu unbeschwert daher? An Yuri<br />

Bashmet und se<strong>in</strong>en Moscow Soloists<br />

liegt es jedenfalls nicht, dass<br />

sich gegenüber Mahlers Schubert-<br />

Version immer wieder leichte Be-<br />

ihre mehr im Schatten wandelnden<br />

Gestalten, deren Spuren allzu<br />

schnell verschw<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong>e solche<br />

Gestalt sche<strong>in</strong>t Fernand de la<br />

Tombelle (1854–1928) zu se<strong>in</strong>,<br />

Schüler von Guilmant und Dubois<br />

(wer kennt wenigstens noch die?),<br />

im Jahre 1896 immerh<strong>in</strong> Mitbegründer<br />

der berühmten Pariser<br />

„Schola Cantorum“. Se<strong>in</strong> Stil weist<br />

vor allem Verb<strong>in</strong>dungen zum<br />

Idiom Gabriel Faurés auf: Höchst<br />

geschmeidig und elegant auf melodischer<br />

und harmonischer Ebene,<br />

zu Hause im Spektrum jener<br />

breiten, ja der gesamten Tonartenpalette,<br />

die am F<strong>in</strong> de siècle<br />

die filigranen Kantilenen e<strong>in</strong>er<br />

fe<strong>in</strong>nervig-sensiblen, leicht angespannten<br />

bis überspannten Kammermusik<br />

zu umschmeicheln<br />

pflegte. Elektrisierender Moment<br />

am Beg<strong>in</strong>n des Streichquartetts<br />

op. 36: Irgendwo zwischen Bruckner<br />

und Strauss sche<strong>in</strong>en hier die<br />

ersten Takte angesiedelt zu se<strong>in</strong>,<br />

assoziativ rekapitulierend und<br />

vorwegnehmend, was diese dichker,<br />

He<strong>in</strong>rich Klug, das Stück auf<br />

Konzertformat. Und das Resultat<br />

überrascht! Denn geme<strong>in</strong>sam mit<br />

den Streichern fühlt sich die Bratsche<br />

<strong>in</strong> die volkstümlich-tänzerische<br />

Entspanntheit und idyllische<br />

Gelassenheit so e<strong>in</strong>, als wäre die<br />

Sonate genau für diese Besetzung<br />

geschrieben worden.<br />

<br />

Guido Fischer<br />

Fernand de la Tombelle<br />

Trio op. 35, Quatuor op.<br />

36<br />

●●●●●<br />

Laurent Mart<strong>in</strong>,<br />

Quatuor Satie<br />

Ligia/Klassik<br />

Center<br />

(62 M<strong>in</strong>., 9/2011)<br />

„Aber abseits, wer ist’s?“… Jede<br />

Epoche, jede nationale Schule hat<br />

ihre Ma<strong>in</strong>stream-Figuren und,<br />

rechts und l<strong>in</strong>ks der breiten Wege,<br />

Im Vergleich<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Die Englischen Suiten<br />

BWV 806–811<br />

46<br />

●●●○○<br />

Richard Egarr<br />

harmonia mundi<br />

(2 CDs, 141 M<strong>in</strong>., 9/2011)<br />

Johann Sebastian Bach<br />

Die Englischen Suiten<br />

BWV 806–811<br />

●●●●○<br />

Pascal Dubreuil<br />

Ramée<br />

(2 CDs, 142 M<strong>in</strong>., 10/2011)<br />

Sie heißen zwar „Englische Suiten“, doch welcher<br />

Nation Bachs früher großer Suitenzyklus<br />

wirklich gehört, bleibt umstritten. Laut e<strong>in</strong>er<br />

Quelle aus dem Besitz von Bachs jüngstem<br />

Sohn wurden die Stücke ausdrücklich „pour<br />

les Anglais“, also „für die Engländer“ verfertigt.<br />

Dennoch weisen die Suiten deutlich französische<br />

und so gut wie ke<strong>in</strong>e britischen Stilmerkmale<br />

auf. Am besten ist es also, man entscheidet<br />

den Streit auf Interpretenebene – und<br />

da fügt es sich gut, dass fast zeitgleich zwei<br />

der bedeutendsten Cembalisten Frankreichs<br />

und Englands ihre Sicht auf die Werke vorgestellt<br />

haben: auf der e<strong>in</strong>en Seite der Brite Richard<br />

Egarr und auf der anderen Seite des Kanals<br />

der Franzose Pascal Dubreuil. Als hätten<br />

sie sich auch noch auf gleiche Waffen verständigt,<br />

verwenden beide Nachbauten von Instrumenten<br />

der Amsterdamer Cembalobauerdynastie<br />

Ruckers.<br />

So spannend der Wettstreit auch sche<strong>in</strong>t:<br />

Es dauert kaum länger als e<strong>in</strong> Präludium und<br />

wenige Tänze und die Sache ist entschieden.<br />

Ausgerechnet der <strong>in</strong>novative, brillante Egarr,<br />

der uns noch bei se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>spielung der Händelschen<br />

Orgelkonzerte mit überbordender<br />

Verzierungslust überraschte, sche<strong>in</strong>t sich bei<br />

Bach aus übertriebenem Respekt selbst auszubremsen.<br />

Denn allzu oft schlägt se<strong>in</strong> Streben<br />

nach Klarheit <strong>in</strong> Nüchternheit um: So werden<br />

die Motive der Präludien oft nur gereiht, statt<br />

improvisatorisch ause<strong>in</strong>ander hervorzugehen;<br />

die Tänze wirken stets e<strong>in</strong>en Hauch zu stilisiert<br />

und die Jagdsignale der ersten Gigue wirken<br />

lustlos wie von e<strong>in</strong>em Vegetarier geblasen.<br />

E<strong>in</strong>e ganz andere Welt tut sich bei Pascal<br />

Dubreuil auf: Se<strong>in</strong> <strong>in</strong>terpretatorischer Ansatz<br />

besteht dar<strong>in</strong>, die barocke Rhetoriklehre<br />

bis <strong>in</strong> fe<strong>in</strong>ste Details auf musikalische Strukturen<br />

zu übertragen. Die Akribie, mit der Dubreuil<br />

das tut, grenzt zwar theoretisch schon<br />

an e<strong>in</strong>e fixe Idee, praktisch jedoch erweist sich<br />

die Anlehnung an die Redekunst als wirkungsvolle<br />

Inspirationsquelle für die Gestaltung von<br />

Spannungsbögen: Obwohl Dubreuil reichhaltiger<br />

und vielfältiger verziert als Egarr, verliert<br />

er niemals den roten Faden, sondern weiß se<strong>in</strong>e<br />

Hörer <strong>in</strong> beständiger Aufmerksamkeit auf<br />

das Kommende zu halten. Dies gilt auch für<br />

die Suiten als Ganzes, <strong>in</strong> denen beispielsweise<br />

immer deutlich zwischen den anspruchsvollen,<br />

Konzentration heischenden Allemanden<br />

und den leichtgewichtigeren Modetänzen<br />

wie Gavotte, Menuett oder Passepied unterschieden<br />

wird. Es gibt allerd<strong>in</strong>gs auch Momente,<br />

<strong>in</strong> denen Dubreuil leicht über das Ziel<br />

h<strong>in</strong>ausschießt: Den neckischen Terzentriller<br />

der schlichten zweiten Gavotte hat Egarr e<strong>in</strong>fach<br />

besser verstanden und wenn Dubreuil<br />

auf das klopfende Achtelmotiv im Prélude der<br />

sechsten Suite mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Tempoverzögerung<br />

aufmerksam zu machen sucht, dann<br />

läuft auch er Gefahr, den Puls und improvisatorischen<br />

Gestus der Musik zu verlieren. In der<br />

abschließenden Gigue s<strong>in</strong>d die Kräfteverhältnisse<br />

allerd<strong>in</strong>gs wieder klar: Ihre Triller, die auf<br />

Egarrs kammermusikalisch aufgenommenem<br />

Instrument klar und durchsichtig tönen, werden<br />

unter den halliger und orgelartiger <strong>in</strong>szenierten<br />

Klängen von Dubreuils farbenreichem<br />

Cembalo zu e<strong>in</strong>em bee<strong>in</strong>druckend prasselnden<br />

Höllenfeuer.<br />

Carsten Niemann

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