Jahresbericht 2008 - Kreissparkasse Heilbronn
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Moderne Architektur des 20. Jahrhunderts<br />
Prof. Dr. Christhard Schrenk<br />
Im Stadt- und Landkreis <strong>Heilbronn</strong><br />
finden sich Zeugnisse der verschiedensten<br />
architektonischen bzw.<br />
kunstgeschichtlichen Epochen: Antike<br />
– Romanik – Gotik – Renaissance<br />
– Barock – Rokoko. So lautet<br />
die Abfolge bis zum Ende des 18.<br />
Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert<br />
entstanden – nicht zuletzt durch die<br />
Industrialisierung – einerseits neue<br />
Herausforderungen für die Architekten,<br />
z. B. die Errichtung von Fabrikhal<br />
len und Bahnhöfen. Andererseits<br />
eröffneten neue Bau-Materialien<br />
viele zusätzliche Möglichkeiten zur<br />
Realisierung solcher Vorhaben. Im<br />
19. Jahrhundert spielte die Architektur<br />
alle überlieferten Stile – von der<br />
Antike bis zur Neuzeit – nochmals<br />
durch, bis der Jugendstil eine radikale<br />
Abwendung von allem seither<br />
Da gewesenen vollzog und florale<br />
Ele mente und geschwungene Linien<br />
in den Vordergrund stellte. Der Erste<br />
Weltkrieg setzte dem Jugendstil ein<br />
rasches Ende. Danach wandten sich<br />
viele Architekten bewusst vom Stil -<br />
em pfinden des 19. Jahrhunderts ab.<br />
Sie wollten jedoch keinen Bruch mit<br />
der Geschichte vollziehen, sondern<br />
sich vom »Formenballast« befreien<br />
und sich auf die Ursprünge zurückbesinnen.<br />
Sie nutzten die klassischen<br />
stereometrischen Formen als Gestaltungselemente<br />
und bevorzugten<br />
rechte Winkel. Das Hauptziel, das sie<br />
verfolgten, lautete »Zweckmäßig -<br />
keit«. So entstand die »Klassische<br />
Moderne« mit dem Rationalismus<br />
und dem Funktionalismus als wichtigste<br />
Elemente. Die neue Maxime<br />
lautete: »form follows function«<br />
(Louis Sullivan, 1856 – 1924). Ausschlag<br />
gebend für die Gestaltung der<br />
Architektur war also die Funktion des<br />
Gebäudes, welche die Form bestimm -<br />
te. Wenn eine Fabrikhalle z. B. im<br />
Stil des Klassizismus erbaut wurde,<br />
dann sieht man dieser Halle ihre<br />
Funk tionalität nicht an. Das sollte<br />
sich nun ändern. Die Baumaterialien<br />
Beton, Stahl und Glas ermöglichten<br />
dabei eine fast unbegrenzte Flexibi -<br />
lität und Variationsvielfalt. Sie erlaub<br />
ten auch eine serielle Bauweise<br />
unter Verwendung vorgefertigter Teile.<br />
Das war zuvor undenkbar.<br />
Parallel dazu veränderte sich auch<br />
das ästhetische Empfinden. Die Begriffe<br />
»Schönheit« und »Ästhetik«<br />
wurden völlig neu definiert. Die<br />
Zweckmäßigkeit wurde zum ästhetischen<br />
Prinzip erhoben. Als Maß für<br />
die Schönheit eines Gebäudes diente<br />
die Antwort auf die Frage, wie<br />
üb er zeugend sich die gewünschte<br />
Funk tionalität in klaren Formen ablesen<br />
ließ. Alle Elemente, die nicht<br />
ein zwin gender Bestandteil der Konstruk<br />
tion waren, wurden abgelehnt.<br />
Das führte zu einer radikalen Missbilligung<br />
alles Ornamentalen. Besonders<br />
konsequent setzte Walter<br />
Gropius (1883 – 1969) dieses funktionale<br />
Prinzip der Klassischen Moderne<br />
in seinem Schaffen um. Er gründete<br />
1919 die Kunstschule »Staatliches<br />
Bauhaus Weimar«, die eine Einheit<br />
von Kunst, Handwerk und Technik<br />
anstrebte und die in der Formge<br />
bung auf Zweckmäßigkeit abzielte.<br />
Ein wichtiges Beispiel für diesen<br />
Baustil ist die Stuttgarter Weißenhof -<br />
siedlung, die 1927 im Rahmen einer<br />
vom »Deutschen Werkbund« initiier -<br />
ten Ausstellung über »Die Wohnung«<br />
von verschiedenen bedeutenden<br />
Architekten unter der künstlerischen<br />
Leitung von Ludwig Mies van der<br />
Rohe erbaut wurde. Die schmucklose,<br />
kubische Architektur reduzierte<br />
die Baukörper auf stereometrische<br />
Grundfiguren. Es wurde mit neuesten<br />
Materialien gearbeitet und es wurden<br />
flexible Grundrisse realisiert.<br />
Am Weißenhof-Projekt war auch Le<br />
Corbusier (1887 – 1965) beteiligt,<br />
der sich ebenfalls ganz konsequent<br />
vom Funktionalismus leiten ließ und<br />
der die neuen konstruktiven Möglichkeiten<br />
voll ausnutzte. Der Stuttgarter<br />
Die Stuttgarter Weißenhofsiedlung wurde 1927<br />
vom Deutschen Werkbund initiiert.<br />
Architekt Hugo Häring (1882 – 1958)<br />
vertrat dagegen eine andere Position.<br />
Er ging im Gegensatz zu den<br />
Rationalisten weder von den klassischen<br />
Grundformen aus, noch orientierte<br />
er sich an irgendwelchen geometrischen<br />
Regelmäßigkeiten. Er<br />
entwickelte vielmehr die Form seiner<br />
Bauwerke aus der Aufgabenstellung.<br />
So konstruierte Häring z. B. einen<br />
ovalen Kuhstall, der so geschickt<br />
durchdacht war, dass ein einziger<br />
Mensch alle Kühe versorgen konnte.<br />
Der Architekt Hugo Häring wurde 1926 durch<br />
einen ovalen Kuhstall berühmt.<br />
Jedoch nicht alle Architekten des<br />
frühen 20. Jahrhunderts bewegten<br />
sich in der Ideenwelt der Moderne.<br />
Eine andere Gruppe, die sich durch-<br />
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