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seitenbühne 01.02 - Staatstheater Hannover

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OPER<br />

selbstzerstörerische<br />

Außenseite<br />

einer Frau, deren<br />

Leben die Erfüllung versagt blieb<br />

und die von ihrem Wüten aufgefressen wird.<br />

Die ganze Ambivalenz dieser traurigen Figur,<br />

die ihre Sehnsüchte durch mörderische<br />

Ideologie unterdrückt, kommt in dem einen<br />

Satz zum Ausdruck: »Kein Ort ist für die Liebe<br />

in dieser Welt, eh nicht Gerechtigkeit uns<br />

mütterlich umhüllt.«<br />

Und da ist andererseits Helena, die Schöne,<br />

die Ursache des Trojanischen Krieges und<br />

indirekt der Anlass für die darauf folgenden<br />

blutigen Ereignisse im Haus des Agamemnon.<br />

Sie ist inzwischen gealtert; ihre Schönheit<br />

existiert nur noch in ihrer Erinnerung.<br />

Sie bewegt<br />

sich im Spiegelkabinett<br />

ihrer Vergangenheit<br />

und steht daher der vorgefundenen<br />

Situation völlig hilflos gegenüber. Sie<br />

versteht weder den unbändigen Hass, den<br />

Elektra ihr gegenüber hegt, noch die Ungeheuerlichkeit<br />

dessen, was während ihrer<br />

Abwesenheit geschah. So bleibt Helena die<br />

Welt verschlossen, in die sie zurückgekehrt<br />

ist: »Nirgends Eingang.« Sie, die mit Spiegelbildern<br />

lebte, wird schließlich selbst zum<br />

leblosen Spiegel ewiger Schönheit.<br />

Helenas Mann Menelaos wiederum, auf den<br />

Orest die Hoffnung gesetzt hatte, er möge<br />

ihn und Elektra vor der weltlichen Gerichtsbarkeit<br />

und dem Todesurteil schützen, ist<br />

der politische Taktiker, der sich »nicht jene<br />

zu Feinden machen« kann, die er vielleicht<br />

»als Freunde um sich haben muss«, um zum<br />

König gewählt zu werden. Auch Menelaos<br />

ist gelähmt. Er geht der Gefahr aus dem<br />

Weg, durch politisches Kalkül zur Ta-<br />

tenlosigkeit verurteilt.<br />

In diesem Ensemble von in sich selbst<br />

gefangenen Figuren ist Hermione,<br />

die Tochter Helenas, die einzige,<br />

die sich außerhalb des Kreislaufs<br />

des Mordens stellt und damit zu<br />

zwischenmenschlichen Bezie-<br />

hungen und zur Reflektion<br />

überhaupt in der Lage ist:<br />

»Ein jeder ist allein in seinem<br />

Hass, und es trifft sein<br />

Auge kein andres Auge.«<br />

Und sie ist es schließlich auch, deren<br />

Auge Orests Auge trifft und die Orests<br />

Blick nach außen wendet, nachdem er Helena<br />

getötet hat. Der tote Blick Klytaimnestras,<br />

der Orest verfolgt hat, verwandelt sich in die<br />

lebenden Augen Hermiones. Zum ersten Mal<br />

sieht Orest den anderen Menschen und<br />

durchbricht seine Kapsel. Der göttlich verordneten<br />

Erstarrung der anderen Figuren<br />

unterliegen Orest und Hermione als einzige<br />

nicht; die Macht des Gottes endet an ihrem<br />

Bündnis.<br />

Dennoch ist dieser Ausgang nicht als bloßes<br />

Happy End zu verstehen. Trojahn lässt nicht<br />

zuletzt durch seine Musik keinen Zweifel<br />

darüber aufkommen, dass Orest seine<br />

Schuld mit sich tragen wird. Wieder dringen<br />

am Ende die Frauenstimmen auf ihn ein, die<br />

seinen Namen rufen. Sie werden ihn auch in<br />

Zukunft begleiten, damit muss er leben.<br />

Doch der Ruf seines Namens fesselt ihn<br />

nicht, sondern weist ins Offene und Ungewisse:<br />

»Ich werde der sein, den ich finden<br />

werde.«

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