einigkeit-2013-2
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Wenig Rechte, wenig Lohn Verdeckte Leiharbeit 1<br />
NGG aktiv Fortsetzung von Seite 1<br />
Missbrauch eindämmen!<br />
Wenig Rechte<br />
Wenig Lohn<br />
Wie Unternehmen Werkverträge (aus)nutzen<br />
In der Ernährungsindustrie werden Prozesse und<br />
Aufgaben zunehmend „ausgelagert“ – vor allem per<br />
Werkvertrag: Tendenz weiter steigend. Unter dem Titel<br />
„Wenig Rechte. Wenig<br />
Lohn. Wie Unternehmen<br />
Werkverträge (aus)nutzen“<br />
hat NGG jetzt eine<br />
Broschüre herausgebracht,<br />
in der die Arbeitsbedingungen<br />
von Werkvertragsbeschäftigten<br />
in<br />
verschiedenen NGG-Branchen<br />
dargestellt und Forderungen<br />
an die Politik<br />
formuliert werden.<br />
Fotos: Cintula<br />
Coca-Cola: Einigung in letzter<br />
„Neues Modell der Ausbeutung“<br />
Anlässlich der Vorstellung der Broschüre im März<br />
<strong>2013</strong> in Berlin forderte der stellvertretende NGG-<br />
Vorsitzende Claus-Harald Güster die Politik auf, dem<br />
Missbrauch von Werkverträgen möglichst schnell einen<br />
gesetzlichen Riegel vorzuschieben: „Seit der<br />
Missbrauch von Leiharbeit begrenzt werden konnte,<br />
haben die Arbeitgeber mit den Werkverträgen ein<br />
neues Modell der Ausbeutung gefunden. Auf<br />
Schlachthöfen stellen Beschäftigte mit Werkverträgen<br />
bis zu 90 Prozent der Belegschaften.“<br />
Mittlerweile sind Werkverträge in der gesamten Ernährungswirtschaft<br />
auf dem Vormarsch, vor allem in<br />
der Getränkeindustrie, der Milchwirtschaft sowie der<br />
Brot- und Backwarenindustrie, auch vor der Süßwarenindustrie<br />
machen sie nicht halt. Die genauen<br />
Zahlen kennt niemand, weil bei Werkvertragskonstruktionen<br />
mit Sub und Sub-Sub-Unternehmen, insbesondere<br />
ausländischen Unternehmen, dem Missbrauch<br />
Tür und Tor geöffnet sind. Wirksame Kontrollen<br />
sind mit den bestehenden Regelungen kaum<br />
möglich.<br />
Rechte der Betriebsräte stärken!<br />
Die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns<br />
von 8,50 Euro pro Stunde, wie ihn der<br />
Bundesrat am 1. März <strong>2013</strong> beschlossen hat, wäre<br />
aus NGG-Sicht ein erster wirksamer Schritt, weil er<br />
auch für Werkverträge gelten würde. Güster: „Die<br />
Schlupflöcher können auch geschlossen werden,<br />
wenn die Rechte der Betriebsräte gestärkt werden.“<br />
Heute sei es ihnen kaum möglich, den Missbrauch<br />
von Werkverträgen zu verhindern. „Die Bundesregierung<br />
ist aufgefordert, Ausbeutung durch Werkverträge<br />
nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern unsere<br />
konkreten Vorschläge aufzugreifen und in Gesetze<br />
zu gießen.“<br />
Sei es Einsicht oder Wahlkampfgetöse: Jedenfalls hat<br />
sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen<br />
Mitte März dahingehend geäußert, wenn Fremdpersonal<br />
nicht nur gelegentlich in die Arbeitsorganisation<br />
eines Betriebes eingebunden werde, der Betriebsrat<br />
einbezogen werden müsse. Während die Arbeitgeber<br />
diese Art gesetzliches Vetorecht als verfassungswidrig<br />
bezeichnen, geht es NGG nicht weit genug,<br />
zumal noch gar nicht klar ist, ob es bei bloßen<br />
Ankündigungen der Ministerin bleibt.<br />
■ NGG-Broschüre online: www.ngg.net/the-<br />
■ Hat sich für die Coca-Cola-Beschäftigten stark gemacht: die große, 84-köpfige NGG-Tarifkommission. Wie sie<br />
selbst das ausgehandelte Tarifpaket bewerten, erzählen einige der Tarifkommissionsmitglieder auf S. 6 und 7<br />
(siehe Kästen).<br />
Das Tarifpaket, das die NGG-Tarifkommission<br />
am 9. April <strong>2013</strong> für die rund 10.600<br />
Beschäftigten der Coca-Cola Erfrischungsgetränke<br />
(CCE) AG geschnürt hat, ist nicht<br />
vom Himmel gefallen, sondern wurde in elf<br />
Verhandlungsrunden und zahlreichen Warnstreiks<br />
hart erkämpft.<br />
Noch im November 2012 hatte Coca-Cola<br />
den Abbau von 450 Stellen angekündigt.<br />
„Ich bin mir sicher, dass sich dieser Abschluss<br />
in der deutschen Getränkeindustrie sehen<br />
lassen kann und wir für die Kolleginnen und<br />
Kollegen ein gutes Resultat erzielt haben.<br />
Keine Abfüllung rund um die Uhr an sieben<br />
Tagen der Woche bei einer höchstmöglichen<br />
Flexibilität, sondern ein Kompromiss, der zum<br />
einen dem Wunsch des Arbeitgebers nach<br />
einer möglichst hohen Flexibilität Rechnung<br />
trägt, zum anderen den Kolleginnen und Kollegen<br />
eine bessere Planbarkeit ihrer Freizeit<br />
gewährt.<br />
Höchstens 13 Samstage in Produktion und<br />
Lager, davon fünf in örtlicher Mitbestimmung<br />
und höchstens zwei hintereinander. All dies<br />
mit verbesserten Ankündigungsfristen und<br />
Vergütung bei kurzfristigen Absagen.<br />
Darüber hinaus konnten wir die Vergütung<br />
der Schichtübergabe- und Umziehzeiten<br />
erreichen. Eine Personalplanung für die<br />
Produktion ist erstmals Bestandteil dieses<br />
Tarifvertrages.<br />
Als Teil des Gesamtpakets ist dies ein sehr<br />
gutes Ergebnis.“<br />
Eberhard Immel, BR-Vorsitzender, Urbach<br />
Claus-Harald Güster, stellvertretender NGG-<br />
Vorsitzender und Verhandlungsführer: „Ich<br />
bin froh, dass wir weiterhin betriebsbedingte<br />
Beendigungskündigungen für die Laufzeit<br />
des Unternehmenstarifvertrages ausgeschlossen<br />
haben. Ich bedanke mich sehr<br />
herzlich bei allen Beteiligten - Ehren- und<br />
Hauptamtlichen - für die hervorragende<br />
Vorbereitung, Organisation und Zusammenarbeit<br />
bei den Arbeitskämpfen und in den<br />
Tarifverhandlungen.“<br />
„Wichtiger Meilenstein“<br />
Die Entgelte bei der CCE AG erhöhen sich<br />
in diesem Jahr um 3,5 Prozent, im nächsten<br />
Jahr um weitere drei Prozent. Alle Ausbildungsvergütungen<br />
steigen um jeweils 100<br />
„Was die Altersteilzeit betrifft, so ist der neue<br />
Tarifvertrag weitgehend so, wie er war. Es<br />
gibt aber eine Verbesserung: Bei den unteren<br />
Lohngruppen wurde von 85 auf 90 Prozent<br />
aufgestockt. Leider wurde noch kein Rechtsanspruch<br />
auf Altersteilzeit vereinbart, aber in<br />
den vergangenen drei Jahren ist das in der<br />
Praxis sehr gut gelaufen.<br />
Gut ist auch, dass Altersteilzeitler im Krankheitsfall<br />
26 Wochen lang den Aufstockungsbetrag<br />
erhalten. Das heißt: Selbst wenn<br />
jemand länger als sechs Wochen krank ist,<br />
gerät er finanziell nicht gleich in eine Hartz-<br />
IV-ähnliche Situation.“<br />
Hermann Badendick,<br />
stellvertretender GBR-Vorsitzender, Perleberg<br />
6 <strong>einigkeit</strong> 2/<strong>2013</strong>