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Das Magazin 3/2008 - Evangelische Heimstiftung

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Impuls<br />

Zum Begriff des „Dienens“<br />

in Kirche und Diakonie.<br />

Der Theologe ist seit 2007 Prälat der <strong>Evangelische</strong>n Kirche in Heilbronn. Zuvor war er Ausbildungsdezernent im <strong>Evangelische</strong>n<br />

Oberkirchenrat und leitete von 1983 bis 1990 das Ausbildungsinstitut für praktische Theologie in Tübingen.<br />

„Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er<br />

empfangen hat – als die guten Haushalter der<br />

mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrus 4,10)<br />

„Du bist wirklich sehr begabt. <strong>Das</strong> kannst du<br />

gut.“ Es ist immer ein besonderes Ereignis,<br />

eine kaum mehr steigerbare Anerkennung,<br />

wenn uns jemand das so sagen kann. Manche<br />

unnötige Schärfe im Streit, viele böse und verletzende<br />

Worte könnten vermieden werden,<br />

wenn wir auch im schwierigen Nächsten bestimmte<br />

Begabungen und Fähigkeiten sehen<br />

und würdigen können, trotz allem, was uns an<br />

ihm oder ihr nicht gefällt. „Dient einander …“<br />

Was ist dieses „Dienen“ anderes, als dass ich<br />

mit meiner Begabung der Aufgabe, die mir gestellt<br />

ist, gerecht zu werden versuche. Freilich:<br />

<strong>Das</strong> Wort „Dienen“ und „Dienst“ hat in unserer<br />

Kirche nicht immer einen guten Klang. „Dienen“<br />

und „Dienst“ riecht nach Büro und oftmals<br />

auch nach Bürokratie, nach „Dienstzimmer“,<br />

„Dienstanweisung“, nach „Dienst nach<br />

Vorschrift“. „Dienen“ lässt nicht selten an<br />

Unterwürfi gkeit denken, daran, dass die einen<br />

dienen und die anderen sich bedienen lassen.<br />

Aber es gibt auch noch eine ganz andere<br />

Struktur des Dienens. Dann kommt es vor, dass<br />

auf einmal selbst der liebevoll und herzlich<br />

gemeinte Dienst unter der Hand zu einer geheimen<br />

Demonstration der Überlegenheit wird.<br />

Wir kennen das Bild, wie sich jemand über den<br />

Kranken beugt mit jenem Ton, der uns, wenn<br />

wir ihn selbst in einer solchen Lage hören<br />

mussten, nie gefallen hat: „Wie geht´s uns<br />

denn heute?“ Wir hören einen Ton, den auch<br />

pfl egebedürftige Angehörige schon im Voraus<br />

zu hören meinen, wenn der Aufenthalt in<br />

einem Heim und die „Verlegung“ dorthin in<br />

den Familien ins Gespräch kommen. Es ist<br />

die Angst, dann nur noch Pfl egeobjekt zu sein.<br />

Es ist dieses Gefälle von oben nach unten, von<br />

den Starken hinunter zu den Schwachen, die<br />

10 „Aus der <strong>Heimstiftung</strong>“ 3/<strong>2008</strong><br />

sich diesen Dienst oft einfach gefallen lassen<br />

müssen, das unseren diakonischen Dienst oft<br />

so schwer macht. Ich erlebte oft eine Angst,<br />

in eine die Jahre vorher nie gekannte Abhängigkeit<br />

zu geraten und auf einmal auf die Hilfe<br />

fremder Menschen angewiesen zu sein.<br />

Geist der Freiheit verbreiten<br />

Weil aber nun kranke, pfl egebedürftige, behinderte<br />

Menschen in ihren Möglichkeiten eingeschränkt<br />

sind, ist es so entscheidend, dass wir<br />

in unseren diakonischen Einrichtungen trotz<br />

und mit allen Finanzierungs- und Strukturproblemen<br />

einen Geist der Freiheit verbreiten, der<br />

„Freiheit eines Christenmenschen“. Zur diakonischen<br />

Haltung gehört also, sich in herzlicher<br />

Offenheit einander und den uns anvertrauten<br />

Menschen zuzuwenden, ohne zu verkrampfen,<br />

ohne rechthaberisch aufzutreten. Da wird Diakonie<br />

konkret: Jemand tritt ins Zimmer – und<br />

mir wird es nicht eng, sondern sehr weit ums<br />

Herz. Dieser diakonische „Dienst“ ist nur dann<br />

glaubwürdig, wenn diejenigen, die diesen<br />

Dienst anbieten, selber darum wissen oder<br />

wenigstens ahnen, wie das ist, in eine solche<br />

von der Hilfe anderer abhängige Hilfsbedürftigkeit<br />

zu geraten. Jeder von uns ist ja, wenn<br />

wir es recht bedenken, Tag für Tag darauf<br />

angewiesen, dass andere für mich da sind,<br />

an mich denken, für mich beten, mir zur Seite<br />

stehen: Menschen, denen ich vertraue und auf<br />

die ich mich verlassen kann. Ich brauche ihren<br />

Rat. Ich brauche ihre ehrliche, deutliche Meinung.<br />

Wir leben nicht nur von Lob und Zustimmung.<br />

Auch die Bereitschaft, unseren Nächsten zum<br />

richtigen Zeitpunkt die Wahrheit zu sagen und<br />

diese Wahrheit ihnen – „um des lieben Friedens<br />

willen“ – nicht vorzuenthalten, ist ein diakonischer<br />

Dienst, den wir einander schulden. Auch<br />

diesen Dienst der Wahrhaftigkeit brauchen wir<br />

wie das tägliche Brot. Ich brauche Menschen,<br />

die für mich eintreten, die mich – wenn es<br />

darauf ankommt – nicht im Regen stehen<br />

lassen. Ich brauche Menschen, die für mich<br />

ansprechbar sind, wenn ich nicht mehr weiter<br />

weiß. Tag für Tag leben wir von den Diensten<br />

unsrer Nächsten. Wir wären nicht lebensfähig<br />

ohne sie. „Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir<br />

wachen?“ (Matth 26,40) sagt Jesus selbst, von<br />

dem wir im Evangelium hören, dass er nicht gekommen<br />

ist, sich wie ein großer Herr bedienen<br />

zu lassen, „sondern dass er diene und gebe<br />

sein Leben zu einer Erlösung für viele“ (Mt 20,<br />

28), Jesus – unser aller Diakon – braucht in<br />

der Stunde seiner größten Anfechtung und<br />

Angst im Garten Gethsemane die Nähe und<br />

den diakonischen Beistand seiner Jünger.<br />

Um Jesu willen brauchen wir uns deshalb auch<br />

unserer eigenen Bedürftigkeit, auch unserer<br />

Ohnmacht nicht zu schämen. Er teilt sie mit<br />

uns. Er hat unsere Not zu der seinen gemacht.<br />

Diakonie um Christi willen<br />

<strong>Das</strong> ist die Diakonie Jesu Christi. Seine Diakonie!<br />

Deswegen – um Christi willen – sollen wir keine<br />

Diakonie aufbauen, die im täglichen Betrieb<br />

untergeht und vielleicht vergessen könnte, dass<br />

sie dieser Dienst am Nächsten ist. Und nichts<br />

anderes! Nicht die Zahlen, nicht die Strukturen,<br />

nicht die Planungen und Kalkulationen rechtfertigen<br />

ja die Existenz diakonischer Einrichtungen,<br />

die Existenz kirchlicher Diakonie, sondern allein<br />

die Menschen, denen wir in Gottes Namen dienen<br />

wollen, mit all den Gaben, Kompetenzen,<br />

mit all den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die<br />

uns immer noch zur Verfügung stehen. Diesen<br />

Menschen gilt der ganze organisatorische Aufwand,<br />

gelten die Sitzungen und Beratungen.<br />

Keinem anderen Ziel sonst. So den Menschen in<br />

Jesu Namen zugewandt bleiben wir „die guten<br />

Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“.

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