Das Magazin 3/2008 - Evangelische Heimstiftung

Porträt
Genüsslich den Glocken lauschen
Mainhard von Degenfeld spielt auf dem Klavier das Geläut von Kirchenglocken
und versetzt dadurch so manchen Bewohner zurück in die Kindheit
Eigentlich schweigen die Glocken
des Ulmer Münsters zurzeit,
weil das rostige Gestell des
Glockenstuhls saniert wird.
Im Dreifaltigkeitshof in Ulm
aber brachte der Musiker Mainhard
von Degenfeld das Geläut
des höchsten Kirchturms der
Welt am Klavier zum Klingen.
In seinem Konzert entführte der
Glockenexperte die Bewohnerinnen
und Bewohner des
Pflegeheims der Evangelischen
Heimstiftung mit seinen Glockentönen
an viele bekannte und
vertraute Orte.
20 „Aus der Heimstiftung“ 3/2008
In der Braunschweiger Kirche St. Martini
wurde Stanislava Hoffziger vor
über 85 Jahren konfi rmiert und noch
immer ist der heute 98-Jährigen das
Geläut der Kirchenglocken sehr vertraut.
„Ich möchte mich bedanken,
dass ich die Glocken heute noch
einmal hören durfte“, sagt die kleine
grauhaarige Dame, die ihren Gehwagen
nach dem Konzert zu von
Degenfeld geschoben hat. „Das war
wunderschön.“ Der Mann im dunklen
Anzug lächelt und nimmt ihre
Hand. „Das ist aber auch wirklich ein
schönes Geläut“, erwidert er und
nickt dabei mehrmals energisch mit
dem Kopf. Braunschweig war eine der
Stationen auf Degenfelds musikalischer
Reise zu den Glockenklängen
aus dem In- und Ausland. „Eigentlich
habe ich nachts immer Probleme mit
dem Einschlafen“, meint Hoffziger,
„aber heute Nacht werde ich gut
schlafen.“
Erinnerungen wecken
Und auch Grete Weiser sitzt nach
dem Konzert ganz glücklich in der
ersten Reihe im Saal des Ulmer
Dreifaltigkeitshofs. Sie hat sich von
dem Musiker das Glockenläuten aus
Weingarten gewünscht, „das klang
ziemlich echt, als er das gespielt hat“,
lobt sie. „Ich wusste nicht, dass so
etwas mit dem Klavier möglich ist.“
Und dann erzählt die Bewohnerin
des Pfl egeheims, dass sie früher oft
in der oberschwäbischen Stadt zu
Besuch war, weil dort eine Freundin
studierte. Wenn sie jetzt die Glocken
höre, er innere sie sich an diese Zeit,
sagt sie.
Seit er elf Jahre alt ist, interessiert sich
Mainhard von Degenfeld für Glocken.
Damals habe er jeden Samstagabend
in seinem Elternhaus in Eybach (bei
Geislingen/Steige) am Fenster gestanden
und „genüsslich den Glocken gelauscht“,
erzählt der dünne Mann, der
mit seinen großen Augen hinter den
dicken Brillengläsern freundlich umherblickt
und beim Erzählen immer
wieder fröhlich kichert. Und so begann
seine Liebe zu Kirchenglocken,
die ihn seitdem zu den Glocken der
unterschiedlichsten Städte in Deutschland,
Österreich, der Schweiz, Italien
und sogar in die USA reisen ließ.