01.09.2014 Aufrufe

Sonderpädagogische Förderung in NRW

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Susanne Eßer<br />

störendem Verhaltensweisen kommt. Die Interventionen<br />

geben dem Schüler e<strong>in</strong>e Hilfestellung beim Auf- bzw. Ausbau<br />

se<strong>in</strong>er Verhaltensfähigkeiten. Die dah<strong>in</strong>terstehende Haltung,<br />

unterstützend zu wirken, erlaubt auch den E<strong>in</strong>satz von eher<br />

reaktiven und regulierenden Interventionen, wenn diese<br />

erforderlich s<strong>in</strong>d.<br />

Entsprechende Beispiele f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Tabelle II.<br />

4. Classroom management<br />

Der Begriff „classroom management“ wurde <strong>in</strong> den 70erJahren<br />

des 20. Jahrhunderts von Koun<strong>in</strong> geprägt. 18 Er hatte den<br />

Forschungsauftrag herauszuf<strong>in</strong>den, welches Lehrerverhalten<br />

jeweils für die Bearbeitung e<strong>in</strong>er Diszipl<strong>in</strong>störung e<strong>in</strong>es<br />

Schülers wirksam sei. Im Zuge se<strong>in</strong>er Forschungsarbeiten fand<br />

er heraus, dass es ke<strong>in</strong>en l<strong>in</strong>earen Wirkungszusammenhang<br />

zwischen e<strong>in</strong>er bestimmten Intervention des Erwachsenen<br />

und e<strong>in</strong>em spezifischen Störverhalten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des bzw.<br />

Jugendlichen gibt. Aus zahlreichen Videosequenzen <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Schulformen und Klassenstufen filterte er fünf<br />

Lehrerstil-Dimensionen 19 heraus, die geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> wirkungsvolles<br />

Erwachsenenverhalten h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er effizienten<br />

Arbeit mit K<strong>in</strong>dern bzw. Jugendlichen <strong>in</strong> Gruppen<br />

ausmachen:<br />

Allgegenwärtigkeit und Überlappung<br />

prägen e<strong>in</strong> Lehrerverhalten, das sämtliche Abläufe <strong>in</strong> der<br />

Klasse im Blick hat und simultan se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit auch<br />

zwei gleichzeitig auftretenden Problemen widmen kann.<br />

Reibungslosigkeit und Schwung<br />

bestimmen das Steuerverhalten des Lehrers bei sämtlichen<br />

Unterrichtsabläufen und auch bei den Übergängen von e<strong>in</strong>er<br />

Aktivität zur nächsten.<br />

Gruppenmobilisierung und Rechenschaftspr<strong>in</strong>zip<br />

zeichnen e<strong>in</strong> Lehrerverhalten aus, welches <strong>in</strong> Übungsphasen<br />

immer die Gruppe und den e<strong>in</strong>zelnen Schüler <strong>in</strong> den Blick<br />

nimmt.<br />

Valenz und <strong>in</strong>tellektuelle Herausforderung<br />

prägen e<strong>in</strong>en Unterricht, der für jeden Schüler bedeutsam ist<br />

und niemanden unter- bzw. überfordert.<br />

Abwechslung und Herausforderung bei der Stillarbeit<br />

charakterisieren sämtliche Lernaktivitäten, aber <strong>in</strong>sbesondere<br />

die <strong>in</strong>dividuelle E<strong>in</strong>zelarbeit, die immer wieder <strong>in</strong>tellektuell<br />

herausfordern soll.<br />

4.1 Bedeutung des classroom managements<br />

Wie bereits <strong>in</strong> den Studien von Koun<strong>in</strong> nachgewiesen<br />

wurde, setzt erfolgreiches Arbeiten <strong>in</strong> Klassen, welches von<br />

der Beteiligung aller Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ruhigen Atmosphäre<br />

geprägt ist, e<strong>in</strong> Lehrerverhalten voraus, welches die gesamte<br />

Klassengruppe professionell unterstützend <strong>in</strong> den Blick nimmt.<br />

Dem geht voraus, dass der Unterricht gut geplant und vorbereitet<br />

ist, so dass der Fokus des Lehrers im Unterricht deutlich<br />

auf der Beziehungsebene (Schüler – Schüler, Lehrer – Schüler,<br />

Schüler – Unterrichts<strong>in</strong>halt, Lehrer – Unterrichts<strong>in</strong>halt)<br />

se<strong>in</strong> kann. Pro-aktives Handeln dom<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong>en solchen<br />

Unterricht. Agierendes Lehrerverhalten prägt die Prozesse<br />

im Unterricht und baut so aktiv Störungen vor. Nach Koun<strong>in</strong><br />

stellt die Beherrschung von Klassenführungstechniken<br />

ke<strong>in</strong>en Selbstzweck dar, sondern dient der Erweiterung<br />

des <strong>in</strong>dividuellen Handlungsspielraums des Lehrers. Ohne<br />

Störungsverhalten <strong>in</strong> der Klasse können die Schüler ruhig<br />

an ihren Aufgaben arbeiten und der Lehrer kann <strong>in</strong>dividuelle<br />

Unterstützung geben. 20 Dieser Gedanke wird <strong>in</strong> neueren<br />

Veröffentlichungen zur Unterrichtsentwicklung zunehmend<br />

relevant.<br />

Übersetzt wird der Begriff des classroom managements<br />

häufig mit „Klassenführung“, wie auch der Titel des Repr<strong>in</strong>ts<br />

des Buches von Koun<strong>in</strong>: „Techniken der Klassenführung“<br />

lautet, oder sich auch entsprechend bei Helmke f<strong>in</strong>det.<br />

21 Helmke macht deutlich, dass Klassenführung und<br />

Unterrichtsqualität zwar begrifflich vone<strong>in</strong>ander unterschieden<br />

werden, aber stets wechselseitig eng mite<strong>in</strong>ander verflochten<br />

s<strong>in</strong>d. Effiziente Klassenführung ist sozusagen e<strong>in</strong><br />

Schlüsselmerkmal für Unterrichtsqualität und lässt sich nicht<br />

auf den Umgang mit Diszipl<strong>in</strong>problemen verkürzen, sondern<br />

schafft e<strong>in</strong>en geordneten Rahmen für anspruchsvollen<br />

Unterricht 22 Er bezeichnet e<strong>in</strong>e effiziente Klassenführung<br />

als e<strong>in</strong>e der Basiskompetenzen des Lehrerberufs und zitiert<br />

unterschiedliche <strong>in</strong>ternationale Studien, die belegen, dass<br />

„ke<strong>in</strong> anderes Merkmal so e<strong>in</strong>deutig und konsistent mit<br />

dem Leistungsniveau und dem Leistungsfortschritt von<br />

Schulklassen verknüpft ist wie die Klassenführung“ 23<br />

Prof. Clemens Hillenbrand, der <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> die<br />

Qualifizierungsmaßnahme des Schulm<strong>in</strong>isteriums für<br />

„Moderatoren für Inklusion“ 24 , die <strong>in</strong> der Lehrerfortbildung<br />

als Multiplikatoren wirken, mit konzipiert hat, kommt<br />

durch eigene empirische Studien zu dem Ergebnis, dass<br />

zur <strong>Förderung</strong> und Prävention bei Schülern mit e<strong>in</strong>er<br />

hohen Risikobelastung im Bereich der sozial-emotionalen<br />

Entwicklung unter anderem das classroom management<br />

e<strong>in</strong>e erfolgversprechende Form der Intervention darstellt. 25<br />

International herrscht die Sichtweise e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrativen<br />

Ansatzes vor, der „präventive, pro-aktive und reaktive<br />

Elemente umfasst, wobei die Vorbeugung (Prophylaxe) klar<br />

im Mittelpunkt steht.“ 26<br />

4.2 Der Ansatz des classroom managements<br />

nach Carolyn M. Evertson<br />

Carolyn Evertson erweitert <strong>in</strong> ihrem Ansatz das Verständnis<br />

von classroom management grundlegend. Seit über 30<br />

Jahren forscht sie <strong>in</strong> diesem Bereich und hat im Zuge ihrer<br />

Studien E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> das classroom management von über<br />

500 Klassen genommen. 27 Evertson bezieht auch die möglichen<br />

Anteile der Schüler bzw. der Klassengruppe am classroom<br />

management mit e<strong>in</strong> und bezeichnet ihren Ansatz als<br />

Lerner-zentriert. 28 Entsprechend des aktuellen Standes der<br />

26<br />

VDS · <strong>Sonderpädagogische</strong> <strong>Förderung</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> 2/2014

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!