Sonderpädagogische Förderung in NRW
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Die Strukturpr<strong>in</strong>zipien der Entwicklungspädagogik als e<strong>in</strong> wirksames classroom management<br />
Die Tabelle macht deutlich, dass die Interventionsstrategien<br />
der Entwicklungspädagogik durchaus e<strong>in</strong> Modell für classroom<br />
management darstellen. Was diese Darstellungsform<br />
nicht zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt, ist die Entwicklungsdimension,<br />
die auch den E<strong>in</strong>satz der Interventionsstrategien vom <strong>in</strong>dividuellen<br />
Entwicklungsstand des Schülers bestimmt sieht.<br />
Hillenbrand sieht <strong>in</strong> dieser Hierarchisierung das besondere<br />
Verdienst des entwicklungspädagogischen Ansatzes, da<br />
dadurch e<strong>in</strong>e gestufte Handlungskompetenz erworben wird,<br />
die vor unkontrollierten Reaktionen schützt. 40<br />
6. Schlussfolgerungen und Ausblick<br />
Die schulische <strong>Förderung</strong> von Schülern mit e<strong>in</strong>em<br />
Förderbedarf <strong>in</strong> ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung<br />
basiert grundlegend auf e<strong>in</strong>er tragfähigen Pädagogen-<br />
K<strong>in</strong>d-Beziehung. Berechenbarkeit und Vorhersagbarkeit des<br />
Handelns sowie klare Strukturen wirken unterstützend und<br />
geben die Sicherheit, die von den Schülern benötigt wird, um<br />
<strong>in</strong> ihrer Entwicklung voranzuschreiten. 41 Re<strong>in</strong>hard Stähl<strong>in</strong>g,<br />
der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch „Du gehörst zu uns“ die <strong>in</strong>klusive<br />
Schulentwicklung der von ihm geleiteten Grundschule<br />
beschreibt, formuliert, dass klare Regeln und Strukturen die<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>es „Nährbodens von Achtung, Verlässlichkeit<br />
und Zugehörigkeit“ <strong>in</strong> der Schule ermöglichen. 42 K<strong>in</strong>der<br />
f<strong>in</strong>den erst auf der Basis e<strong>in</strong>er tragfähigen, verlässlichen<br />
Beziehung den Mut zu neuen Wegen. 43<br />
Die Entwicklungspädagogik und das Konzept des classroom<br />
managements nach Evertson tragen dem Rechnung.<br />
Beide gehen von dem Grundsatz aus, durch pro-aktives<br />
Pädagogenverhalten dem Schüler die Möglichkeit zu<br />
angemessenem Verhalten zu bahnen. E<strong>in</strong> Menschenbild,<br />
welches durch Vertrauen <strong>in</strong> die Entwicklungsmöglichkeiten<br />
des Schülers geprägt ist, wirkt sich sowohl <strong>in</strong> der<br />
Entwicklungspädagogik als auch im classroom management<br />
auf das Erwachsenenverhalten aus und lässt es nicht manipulativ<br />
wirken. Die angebotenen Strukturen dienen nicht<br />
als Selbstzweck oder zur Herstellung e<strong>in</strong>es Schonraumes,<br />
sondern geben je nach Entwicklungsstand das Maß an<br />
Sicherheit und Orientierung, welches vom Schüler <strong>in</strong>dividuell<br />
benötigt wird, wobei das classroom management durch die<br />
Entwicklungsdimension, die das entwicklungspädagogische<br />
Modell bietet, e<strong>in</strong>e qualitative Ergänzung erfährt. Das Erfassen<br />
der jeweiligen Entwicklungsstufe des Schülers durch die entwicklungspädagogische<br />
Diagnostik gibt Aufschlüsse über<br />
die aktuellen Entwicklungsziele und die damit verbundenen<br />
Entwicklungsansprüche an e<strong>in</strong> unterstützendes Umfeld. E<strong>in</strong>e<br />
passgenaue Gestaltung des Umfeldes, der Erwachsenen-<br />
Schüler-Beziehung und der konkreten Unterrichtsgestaltung<br />
wird so ermöglicht. Im Vordergrund der <strong>in</strong>klusiv/<strong>in</strong>tegrativen<br />
<strong>Förderung</strong> stehen dann nicht Prozessqualitäten, die<br />
ausschließlich von Struktur und Ergebnissen geprägt s<strong>in</strong>d,<br />
sondern e<strong>in</strong> Menschenbild prägt die geme<strong>in</strong>same Arbeit,<br />
welches jedem E<strong>in</strong>zelnen auf se<strong>in</strong>em Weg und se<strong>in</strong>e Weise<br />
Teilhabe, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung mit den<br />
spezifischen Hilfen ermöglicht. 44<br />
Das classroom management wiederum ergänzt das entwicklungspädagogische<br />
Modell um den deutlichen Fokus<br />
auf das kooperative Lernen. Damit ist die Anb<strong>in</strong>dung an<br />
den aktuellen Stand der Unterrichtsentwicklung gegeben,<br />
womit der E<strong>in</strong>satz im <strong>in</strong>klusiv/<strong>in</strong>tegrativen Fördersett<strong>in</strong>g<br />
erleichtert wird. Entsprechend der Empfehlungen der deutschen<br />
Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz zur <strong>in</strong>klusiven Bildung ist die<br />
empfohlene enge Verknüpfung von sonderpädagogischen<br />
Angeboten mit der Pädagogik der allgeme<strong>in</strong>en Schule gegeben.<br />
45<br />
Re<strong>in</strong>hard Stähl<strong>in</strong>g postuliert: „Wird die strukturierte<br />
Klassenführung vernachlässigt, kommen Nachteile stark<br />
heterogener Lerngruppen zum Vorsche<strong>in</strong>. LehrerInnen fühlen<br />
sich dann überfordert und die Lernchancen „geme<strong>in</strong>samen“<br />
Unterrichts werden vertan. Auffällige K<strong>in</strong>der werden zu<br />
Störern und fühlen sich <strong>in</strong> ihrer Klasse nicht mehr zugehörig<br />
…“ 46 Classroom management lediglich auf die Ebene e<strong>in</strong>er<br />
strukturierten Klassenführung, auf die Gesamtheit aller<br />
Unterrichtsaktivitäten und Verhaltensweisen e<strong>in</strong>er Lehrkraft<br />
zu begrenzen, mit der Zielsetzung e<strong>in</strong> optimales Lernumfeld<br />
für Schüler bereitzustellen, ist nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>klusiven<br />
Schulentwicklung, die deutlich auf die Entwicklung aller<br />
Beteiligten zielt, Teamprozesse betont und die Ausbildung<br />
professioneller Lerngeme<strong>in</strong>schaften als besonders förderlich<br />
erachtet. 47 Als Richtschnur für <strong>in</strong>klusive Schulentwicklung<br />
wird vielfach der „Index für Inklusion“ zitiert. 48 Speziell für<br />
den Indikator „Unterstützungssysteme bei psychischen und<br />
Verhaltensproblemen werden mit denen bei Lernproblemen<br />
und mit der <strong>in</strong>haltlichen Planung koord<strong>in</strong>iert“ wird dort die<br />
Notwendigkeit formuliert, dass H<strong>in</strong>dernisse für das Lernen<br />
und die Teilhabe <strong>in</strong> Schulstrukturen und Kulturen sowie<br />
Schulpraktiken zu erkennen und abzubauen s<strong>in</strong>d. 49<br />
E<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer theoretischer H<strong>in</strong>tergrund, basierend auf<br />
e<strong>in</strong>em classroom management Modell, welches die aktuelle<br />
Unterrichtsentwicklung und die Strukturpr<strong>in</strong>zipien zur<br />
<strong>Förderung</strong> der sozial-emotionalen Entwicklung verknüpft,<br />
bietet e<strong>in</strong>e tragfähige Basis der Zusammenarbeit aller am<br />
Förderprozess Beteiligten. Geme<strong>in</strong>sam kann so e<strong>in</strong> pädagogisches<br />
Feld geschaffen werden, welches jedem Schüler<br />
wichtige Entwicklungsimpulse gibt.<br />
Langfristig kann Inklusion nur im Rahmen von geme<strong>in</strong>sam<br />
angestrengten Schulentwicklungsprozessen gel<strong>in</strong>gen. Der<br />
Schulentwickler Hans-Günter Rolff beschreibt, dass Schulen<br />
sich Prioritäten für ihren Entwicklungsprozess setzen müssen,<br />
welche sie aus e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Vision abgeleitet<br />
haben. 50 Mit dem Gedanken der Inklusion ist nicht nur<br />
allen Schulen, sondern der gesamten Gesellschaft e<strong>in</strong>e<br />
Vision vorangestellt, die es zu verfolgen und e<strong>in</strong>zulösen gilt.<br />
Rolff beschreibt, dass Schulen sich zu lernenden Schulen<br />
entwickeln, dass sie systemeigene Lernkapazitäten und<br />
VDS · <strong>Sonderpädagogische</strong> <strong>Förderung</strong> <strong>in</strong> <strong>NRW</strong> 2/2014 31