Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
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Georg Lind<br />
Verweigerer <strong>und</strong> Freiwillige. Einige empirische Bef<strong>und</strong>e zur Handlungsrelevanz<br />
des moralischen Bewußtseins<br />
“Zusammenfassend lassen sich die ‘idealtypischen’ Verweigerer wie folgt<br />
schildern: Eine heftige Adoleszenzkrise hat die frühkindlich vorgeprägte Basisloyalität<br />
gegenüber der Geselleschaft so weit aufgebrochen, dass sie sich<br />
nicht bruchlos in das Berufssystem integrieren <strong>und</strong> staatsbürgerliche Pflichten<br />
nicht als selbstverständlich hinnehmen. Im Verlauf ihrer Adoleszenzkrise haben<br />
sie postkonventionalistische Strukturen des moralischen Bewußtseins erworben,<br />
die für die Stabilität der eigenen Identität, von hoher Bedeutung sind<br />
[. . .] Ihre Entscheidung, den Wehrdienst zu verweigern, ist das kombinierte<br />
Produkt ihrer krisenbedingten Systementfremdung <strong>und</strong> der Struktur ihres moralischen<br />
Bewußtseins. Sie konkretisieren die abstrakten moralischen Prinzipien<br />
so, dass Verweigerung als Erfordernis moralischer Integrität erscheinen<br />
muß.” (Döbert <strong>und</strong> Nunner-Winkler 1975, S. 179).<br />
Dieser Beschreibung ist anzufügen, dass sich Verweigerer <strong>und</strong> Freiwillige<br />
noch etwas komplexer unterscheiden. Die Autoren machen darauf aufmerksam,<br />
dass zum einen die beiden Gruppen sich hinsichtlich der Häufigkeit von<br />
postkonventionalem moralischem Bewußtsein nicht unterscheiden, sondern<br />
nur hinsichtlich des konventionellen Bewußtseinsniveaus; <strong>und</strong> dass zum anderen<br />
die Heftigkeit des Krisenverlaufs besser zwischen den beiden Gruppen<br />
trennt. Dennoch ist gerade die Form des moralischen Bewußtseins in diesem<br />
Zusammenhang von großer Bedeutung, da die Postkonventionalität der Verweigerer<br />
im Zusammenhang mit heftigen Krisenverläufen das gesellschaftliche<br />
System vor ein Problem stellen, “weil sie dem politisch-ökonomischen<br />
Komplex generalisierte Basisloyalität <strong>und</strong> unspezifische Leistungsbereitschaft<br />
vorenthalten. Die ‘idealtypischen’ Verweigerer zögern den Eintritt in das Berufsleben<br />
hinaus, wählen marginale Berufe, suchen alternative Lebensformen<br />
<strong>und</strong> konfrontieren das System mit seinen eigenen Ansprüchen (dito. S. 179f.).<br />
Döbert <strong>und</strong> Nunner-Winkler haben diese Überlegungen mit den Ergebnissen<br />
aus Interviews an 15 Freiwilligen <strong>und</strong> 9 Verweigerern konfrontiert. Die Ergeb-<br />
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