Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Ausrichtung von Organisationen an Zielen, bei der Militärorganisation<br />
der Eventualfall kollektiver Gewaltanwendung, schafft vermutlich funktionale<br />
Zwecke, um deren Erreichung willen zwischenmenschliche Beziehungen <strong>und</strong><br />
Probleme instrumentalisiert oder instrumentell-strategischen Orientierungen<br />
untergeordnet werden. Die Strukturmerkmale von Bürokratien, wie Norm der<br />
Unpersönlichkeit, explizites Regelsystem <strong>und</strong> Hierarchie, bieten nach Max<br />
Weber die optimalen Bedingungen für die “moralische Selbstverleugnung” 4<br />
des Beamten.<br />
Exemplarisch für diese Form der Segmentierung sei die Argumentation eines<br />
Offiziers mit der Urteilsstufe V zu der Frage wiedergegeben, warum er es als<br />
notwendig erachten würde, dass die Rekruten morgens zum Frühstück geführt<br />
werden sollten:<br />
Pb: Es kommt mir darauf an, dass die Leute lernen, im Gleichschritt zu marschieren<br />
[. . .] Es kommt mir darauf an, dass man die Zeit zwischen den<br />
Ausbildungen, zur Ausbildung verwenden kann <strong>und</strong> das auch vermehrt<br />
tun sollte [. . .] Wir sind damals noch im Laufschritt zum Essen geführt<br />
worden.<br />
I: Nun sagen einige Rekruten: ja, wir glauben, dass sie sich dabei was denken.<br />
Aber wir fühlen uns wie kleine Kinder oder Affen, die da zum Essen<br />
geführt werden müssen. Was geht in Dir vor, wenn die das sagen?<br />
Pb: Was geht in mir vor? [. . .] Ich würde wahrscheinlich mich an meine<br />
Gr<strong>und</strong>ausbildung erinnern <strong>und</strong> würde feststellen, dass es mir ähnlich<br />
ging. In dem Fall, ja müßte ich einfach sagen: Leute, [. . .] das ist so. Das<br />
machen wir so, <strong>und</strong> Ende.<br />
Bezeichnend ist die Tatsache, dass dieser Pb seine moralische Kompetenz zugunsten<br />
instrumenteller Erwägungen sistiert, obwohl er die moralische Bewertbarkeit<br />
des Problems erkennen kann. Die Rechtfertigung für diese moralische<br />
Ausblendung findet der Pb in einem instrumentellen Begriff von Führung:<br />
I: Ja,wer gibt Dir denn das Recht dazu?<br />
Pb: Mein Vorhaben, also diese Idee, dass man die Zeit, die zwischen diesen<br />
Abschnitten liegt, dass man die verwenden sollte, die gehört zum Führen.<br />
Und Führen heißt eben auch, seinen Willen durchsetzen.<br />
56