Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
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GERHARD PORTELE<br />
‘Soziale Vorstellungen’ von Wissenschaftlern verschiedener<br />
Disziplinen über Wissenschaft <strong>und</strong> Moral*<br />
Soziale Vorstellungen (SV) sind nach Moscovici (1973, XIII) “kognitive Systeme<br />
mit einer eigenen Logik <strong>und</strong> Sprache”. Es sind keine Individualvorstellungen.<br />
Sie sind insofern “sozial” als sie determiniert sind “durch ein Netz objektiver,<br />
<strong>soziale</strong>r <strong>und</strong> ökonomischer Bedingungen (Herzlich, 1975, S. 384).<br />
Den Individuen erscheinen die Produkte der Sozialen Vorstellung als Realität,<br />
als “wahrnehmungsmäßige Daten”. “Als Konstruktion des Wirklichen gibt<br />
sich die Vorstellung den Anschein einer Wahrnehmung” (Herzlich, 384, Hervorhebung<br />
im Original). Die Untersuchungen zu den Sozialen Vorstellungen<br />
bisher hatten z.B. eine wissenschaftliche Theorie zum Gegenstand, bei Moscovici<br />
die Psychoanalyse (1961) oder Begriffe, z.B. bei Claudine Herzlich<br />
“Krankheit” (1973). Die “wesentliche <strong>und</strong> spezifische Funktion” der Sozialen<br />
Vorstellung ist die Verhaltenssteuerung. “If a social representation is a ‘preparation<br />
for action’, it is so because of tbe process of reconstruction and reconstitution<br />
of the elements in the environment” (Moscivici, 1973, XII). In der Tätigkeit<br />
wird die Wirklichkeit konstruiert.<br />
Es ist anzunehmen, dass Wissenschaftler verschiedener Disziplinen verschiedene<br />
Soziale Vorstellungen von Wissenschaft haben. Die Soziale Vorstellung<br />
von “Wissenschaft” wird beeinflußt von dem Gegenstand der Wissenschaft,<br />
der Art der Tätigkeit der Wissenschaftler, der historischen <strong>Entwicklung</strong> der<br />
Wissenschaft, der Wissenschaftstheorie. Es ist nicht anzunehmen, dass die Soziale<br />
Vorstellung von “Wissenschaft” dem entspricht, was Wissenschaftswissenschaftler<br />
meinen, was “Wissenschaft” sei. Die Wissenschaftler machen sich<br />
“Bilder” von ihrer <strong>und</strong> von anderen Wissenschaften. Diese Bilder sind in sich<br />
“kohärent”.<br />
An anderen Stellen wurde ausführlicher dargestellt, dass zur Beurteilung <strong>und</strong><br />
zur Entscheidung über Tätigkeiten <strong>und</strong> Tätigkeitsabsichten mindestens zwei<br />
kognitive Systeme notwendig sind (Portele, 1977 <strong>und</strong> 1978):<br />
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