Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
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der Politischen Bildung nur noch in einer zunehmend positiven Haltung gegenüber<br />
politischem Engagement zu manifestieren. Dass aber dieser Effekt<br />
nicht notwendig spezifisch für die B<strong>und</strong>eswehr ist, folgt aus einem Vergleich<br />
mit den gleichaltrigen Adoleszenten ohne B<strong>und</strong>eswehrerfahrung, die eine<br />
gleich hohe Bereitschaft zum politischen Engagement erkennen lassen. Damit<br />
aber ist der Charakter der B<strong>und</strong>eswehr als einer politischen Sozialisationsanstalt<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich in Frage gestellt.<br />
Aus diesem Bef<strong>und</strong> ergeben sich notwendigerweise weitere Untersuchungsschritte,<br />
die bestimmend für die z.Zt. anlaufenden Forschungsarbeiten am SO-<br />
WI sind. Wenn nämlich der hohe Anspruch der B<strong>und</strong>eswehr nicht eingelöst<br />
werden kann, dann ist nach den Ursachen zu fragen, die dem im Wege stehen.<br />
Es ist die moralische Atmosphäre der Organisation B<strong>und</strong>eswehr daraufhin zu<br />
untersuchen, ob sie moralische <strong>Entwicklung</strong> fördert oder hemmt. Konkret wäre<br />
zu überprüfen, inwieweit die Lern- <strong>und</strong> Ausbildungssituation der Wehrpflichtigen<br />
Möglichkeiten zuläßt, fremde Rollen <strong>und</strong> alternative Standpunkte<br />
zu übernehmen. Weiterhin ist zu klären, wie in den Organisationsstrukturen<br />
der B<strong>und</strong>eswehr Gerechtigkeit festgelegt ist, d.h. nach welchen Regeln <strong>und</strong><br />
Prinzipien faktisch sanktioniert wird <strong>und</strong> wie Konflikte ausgetragen werden.<br />
Eine systematische Analyse der moralischen Atmosphäre für die Wehrpflichtigen<br />
in der B<strong>und</strong>eswehr ist erst in den Anfängen begriffen, doch kann bereits<br />
beim jetzigen Kenntnisstand eine möglicherweise typische Auswirkung der<br />
moralischen Atmosphäre näher betrachtet werden, nämlich das Phänomen der<br />
Segmentierung von moralischen Urteilen.<br />
Im Rahmen einer standardisierten Erfassung des moralischen Urteils über Fragebögen<br />
sind die Erfassungsmöglichkeiten für Segmentierung sehr beschränkt.<br />
Durch die Anlage des M-U-F, der 2 moralische Dilemmata im militärischen<br />
<strong>und</strong> 2 Dilemmata im zivilen Bereich umfaßt, wird versucht, unterschiedliche<br />
Präferenzen als Indikatoren für Segmentierung zu verwenden.<br />
Wenn also z.B. die Argumente zu den beiden militärischen Dilemmata eindeutig<br />
auf Stufe IV <strong>und</strong> die Argumente zu den beiden zivilen Dilemmata eindeutig<br />
auf Stufe V am höchsten präferiert werden, dann wird diese Diskrepanz<br />
im Sinne von Segmentierung interpretiert. Dahinter steht die Annahme, dass<br />
sich eine bereichsspezifische Moralisierung in bereichsspezifischen Präferen-<br />
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