Moralische Entwicklung und soziale Umwelt - Universität Konstanz
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Ein Vergleich von Rekruten in der Gr<strong>und</strong>ausbildung <strong>und</strong> Soldaten in der Vollausbildung<br />
in den gemittelten Stufen des moralischen Urteils erbrachte keine<br />
signifikanten Unterschiede. Desgleichen ließen sich auch die aus der B<strong>und</strong>eswehr<br />
entlassenen Reservisten, bezogen auf das moralische Urteil, nicht davon<br />
unterscheiden. Während des Wehrdienstes <strong>und</strong> in den nachfolgenden Jahren<br />
ist also keine <strong>Entwicklung</strong> bzw. Veränderung des moralischen Urteils nachzuweisen.<br />
Auffallend ist, dass in allen Stichproben der Anteil der Probanden auf<br />
den Stufen II <strong>und</strong> III mindestens ein Drittel beträgt. Das bedeutet, dass mindestens<br />
ein Drittel der Wehrpflichtigen überhaupt nicht die notwendigen Voraussetzungen<br />
für die hoch gesteckten Ziele der Politischen Bildung<br />
mitbringen. Sie können postkonventionelle Argumentationsmuster nicht anders<br />
als auf der Inhaltsebene bloßer Zustimmung bzw. Ablehnung übernehmen.<br />
Eine strukturell f<strong>und</strong>ierte Übernahme ist a priori ausgeschlossen.<br />
Zu thematisieren wäre noch, inwieweit durch die Rekrutierung der Wehrpflichtigen<br />
Personen mit spezifischen Einstellungsmustern <strong>und</strong> spezifischem<br />
strukturellen <strong>Entwicklung</strong>sniveau erfaßt werden. Da sich Adoleszente ohne<br />
B<strong>und</strong>eswehrerfahrung von Reservisten der B<strong>und</strong>eswehr weder auf der Ebene<br />
politischer Einstellungen noch auf der strukturellen Ebene des moralischen<br />
Urteils unterscheiden lassen, kann zunächst angenommen werden, dass die<br />
Rekrutierung unabhängig davon erfolgt. Diese Annahme ist aber dahingehend<br />
zu modifizieren, dass sich Kriegsdienstverweigerer in ihrem moralischen<br />
Urteil – nicht in ihren politischen Einstellungen – deutlich davon abheben lassen.<br />
Sie unterscheiden sich von den beiden anderen Gruppen durch den geringen<br />
Anteil an “law-and-order”-Orientierungen <strong>und</strong> den überproportionalen<br />
Anteil an postkonventionellen Orientierungen. Entweder basiert die Entscheidung,<br />
den Wehrdienst zu verweigern, von vornherein auf der Ablehnung traditioneller<br />
Wertvorstellungen oder aber durch den Zwang zur Entscheidung,<br />
Wehr- oder Zivildienst abzuleisten, werden postkonventionelle Orientierungen<br />
erst hervorgerufen.<br />
Im Endergebnis kann festgehalten werden, dass die B<strong>und</strong>eswehr mit ihrem<br />
Anspruch, den Wehrpflichtigen Politische Bildung zu vermitteln, im Jahre<br />
1977 einer wesentlich schwierigeren Aufgabe als im Jahre 1972 gegenübergestellt<br />
wird. Wie an den Ergebnissen abzulesen ist, scheint sich eine Wirkung<br />
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