Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz - Aktionswoche Alkohol
Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz - Aktionswoche Alkohol
Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz - Aktionswoche Alkohol
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fit für den <strong>Arbeitsplatz</strong> oder Leistungssteigerung mit allen Mitteln?<br />
Die Arbeitswelt verlangt immer mehr<br />
Anpassungsfähigkeiten der Beschäftigten<br />
für Veränderungsprozesse, wie Umstrukturierungen<br />
in der Organisation, Bereitschaft<br />
zum Wechsel des Wohnortes sowie<br />
flexible Arbeitszeiten bis hin zur dauerhaften<br />
Erreichbarkeit des Arbeitnehmers.<br />
Neue Kommunikationstechnologien verändern<br />
Arbeitsprozesse und stellen die<br />
Nutzer vor die Anforderung, Arbeitsbeziehungen<br />
neu zu gestalten. Gearbeitet wird<br />
zunehmend in Projekten und in Te<strong>am</strong>arbeit.<br />
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen<br />
sind mit Unsicherheiten bezüglich<br />
ihres <strong>Arbeitsplatz</strong>es, mit Wettbewerb und<br />
Termindruck konfrontiert. So sind neben<br />
körperlicher Fitness vor allem auch<br />
kognitive und psychische Ressourcen der<br />
Beschäftigten gefragt. Ein erwünschtes<br />
Profil von Bewerberinnen und Bewerbern<br />
für eine Stelle ist: schnelle Auffassungsgabe<br />
und Informationsverarbeitung,<br />
Kreativität, Kommunikationsfähigkeit,<br />
gutes Erinnerungsvermögen, fokussierte<br />
Aufmerks<strong>am</strong>keit, Ausdauer und Stressresistenz.<br />
Was aber ist mit jenen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern, die aufgrund von Einschränkungen<br />
in ihrer Gesundheit durch<br />
Krankheit oder dauerhafte Fehlbelastungen<br />
oder wegen ihres höheren Alters die<br />
genannten Fähigkeiten zeitweise oder<br />
dauerhaft nur noch eingeschränkt<br />
aufweisen können?<br />
Psychische Belastungen als eine Ursache<br />
für den Konsum von Medik<strong>am</strong>enten<br />
Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen<br />
hat das Marktforschungsinstitut<br />
Kantar Health beauftragt, den Zus<strong>am</strong>menhang<br />
von Arbeitsbelastung und Schlaf<br />
herauszufinden. In einer Umfrage wurden<br />
2.322 Berufstätige im Alter zwischen 18<br />
und 65 Jahren befragt.<br />
Ergebnisse der Studie, die 2010 vorgestellt<br />
wurde: 84 % der Befragten sind<br />
außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit für<br />
Kunden, Kollegen und Vorgesetzte per<br />
Internet, Festnetzanschluss oder Handy<br />
erreichbar. Die Hälfte der Befragten (51 %)<br />
ist sogar jederzeit „stand-by“. Die Trennung<br />
von Berufs- und Privatleben fällt<br />
dadurch immer schwerer. Jedem Siebten<br />
macht die ständige Erreichbarkeit für<br />
berufliche Belange zu schaffen. Spannend<br />
ist allerdings auch die Aussage von zwei<br />
Dritteln der Befragten, dass ein ständiges<br />
„Stand-by“ nicht offiziell verlangt wird.<br />
Fast die Hälfte der Befragten (46 %) geht<br />
keiner „regulären“ 5-Tage-Woche nach.<br />
Sie arbeiten regelmäßig an S<strong>am</strong>stagen,<br />
Sonn- und Feiertagen, im Schicht-, Nachtoder<br />
Bereitschaftsdienst.<br />
Jeder zweite Befragte ist von Schlafproblemen<br />
betroffen. Bei der Hälfte der Berufstätigen<br />
treten Schlafprobleme sowohl<br />
an Arbeitstagen als auch an arbeitsfreien<br />
Tagen auf. Als häufigsten Grund gaben die<br />
Befragten an: allgemeiner Stress, knapp<br />
gefolgt von beruflichem Stress bzw.<br />
beruflicher Überforderung, dem „Nichtabschalten-Können<br />
von der Arbeit“<br />
sowie privaten Sorgen und f<strong>am</strong>iliären<br />
Problemen.<br />
2<br />
„Ein Volk im Dauerstress“, titelt im Mai<br />
2009 die Hannoversche Allgemeine Zeitung.<br />
Sie nimmt Bezug auf eine Studie der<br />
Techniker Krankenkasse (TK). Die TK befragte<br />
1.014 Personen zwischen 14 und 65<br />
Jahren zu ihrem Stresspegel, ihrem Umgang<br />
mit Stress und gesundheitlichen Beeinträchtigungen.<br />
Zus<strong>am</strong>mengefasst: Acht<br />
von zehn Befragten erleben ihr Leben als<br />
stressig. Jeder Dritte steht nach eigenen<br />
Angaben sogar unter „Dauerstrom“.<br />
Stressfaktor Nummer eins ist der Studie<br />
zufolge der Job. Jeder Dritte arbeite <strong>am</strong><br />
Limit, getrieben von Hektik, Termindruck<br />
und einem zu hohen Arbeitspensum.<br />
In diesem Zus<strong>am</strong>menhang wundern die<br />
Folgen nicht: In Deutschland sind inzwischen<br />
die „psychischen Erkrankungen“<br />
die vierthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit.<br />
„Psychische <strong>Störungen</strong>“ machen<br />
10 % der Arbeitsunfähigkeitstage aus.<br />
Finanziell ist das Leid der Betroffenen<br />
nicht einschätzbar. Für die Allgemeinheit<br />
entstehen volkswirtschaftliche Kosten in<br />
Höhe von etwa 6,3 Milliarden Euro, davon<br />
entfallen etwa 3 Milliarden auf die Krankenbehandlungen<br />
und etwa 3 Milliarden<br />
auf den Produktionsausfall.<br />
Wo sind die Übergänge von „sich belastet<br />
fühlen“ und dementsprechenden Befindlichkeitsstörungen<br />
und einem diagnostizierten<br />
psychischen Krankheitsbild?<br />
Wann ist der Einsatz von Psychopharmaka<br />
indiziert und wo liegt ein Fehlgebrauch<br />
dieser Mittel vor – wie auf Seite 68 bei den<br />
Definitionen des Medik<strong>am</strong>entenkonsums<br />
beschrieben? Klare Grenzen scheinen<br />
schwer definierbar.<br />
Zu diesen genannten Konsumgründen<br />
fügt sich ein weiterer ein, nämlich der<br />
Einsatz von Medik<strong>am</strong>enten bei Gesunden<br />
zur Steigerung der eigenen kognitiven<br />
Fähigkeiten und/oder psychischen Befindlichkeiten.<br />
Doping <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> oder Neuro-Enhancement<br />
oder „das optimierte Gehirn“<br />
Was ist Enhancement? Der Begriff kommt<br />
aus dem Englischen und bedeutet „verbessern,<br />
aufwerten, mehren“. Neuro-<br />
Enhancement kann auch durch operative<br />
Eingriffe zu therapeutischen Zwecken<br />
erfolgen, wie z. B. durch „Hirnschrittmacher“.<br />
An dieser Stelle ist aber ausschließlich<br />
das psychopharmakologische Enhancement<br />
gemeint, d.h. die nicht medizinisch<br />
indizierte Verabreichung von Medik<strong>am</strong>enten,<br />
die für Patienten mit Depressionen,<br />
Aufmerks<strong>am</strong>keitsstörungen, Narkolepsie,<br />
Demenzerkrankungen oder Bluthochdruck<br />
entwickelt wurden.<br />
Die Deutsche Angestellten Krankenkasse<br />
(DAK) hat ihren Gesundheitsreport 2009<br />
unter das Schwerpunktthema „Doping <strong>am</strong><br />
<strong>Arbeitsplatz</strong> – Leistungssteigerung durch<br />
Psycho- und Neuro-Pharmaka“ gestellt.<br />
Von den 3.000 Personen im Alter von 20<br />
bis 50 Jahren war 43,5 % der Befragten<br />
bekannt, dass es Medik<strong>am</strong>ente gibt, die<br />
eigentlich zur Linderung und Behandlung<br />
von alters- und krankheitsbedingten Gedächtniseinbußen<br />
oder Depressionen entwickelt<br />
wurden, aber auch bei Gesunden<br />
wirken. Immerhin gaben 5 % an, schon<br />
einmal den Versuch unternommen zu<br />
haben, mit Medik<strong>am</strong>enten ihre Leistungsfähigkeit<br />
<strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> zu steigern.<br />
76 77