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ein geeignetes Modell zur kosteneffizienten CO 2 - VRE

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STROM OHNE GRENZEN<br />

In diesen Regelungen taucht die alte Argumentation aus den 90er<br />

Jahren wieder auf, die Kunden würden bei Übernahmen zum Sachzeitwert<br />

durch erhöhte Abschreibungen mehrfach belastet [26], insbesondere<br />

durch die Fortführung abgeschriebener Anlagen mit<br />

Anhaltewerten. Mit diesem Vorbringen hatte sich das Oberlandesgericht<br />

München in s<strong>ein</strong>er ersten Kaufering-Entscheidung aus<strong>ein</strong>andergesetzt<br />

und war zu dem Ergebnis gekommen, Anhaltewerte<br />

seien in der Elektrizitätswirtschaft üblich und <strong>zur</strong> Korrektur <strong>ein</strong>er<br />

ver<strong>ein</strong>fachungsbedingten Unterbewertung von Stromversorgungsnetzen<br />

betriebswirtschaftlich geboten. Diese Ausführungen hat<br />

der Bundesgerichtshof in der „Endschaftsbestimmung“-Entscheidung<br />

als rechtsfehlerfrei gebilligt [27], ohne über die Zulässigkeit von<br />

Anhaltewerten aus revisionsverfahrensrechtlichen Gründen entscheiden<br />

zu können [28].<br />

Es ist wohl nicht nur für den Juristen erstaunlich, daß solche von<br />

der höchstrichterlichen Rechtsprechung verworfenen alten Überlegungen<br />

der 90er Jahre wie die „Doppelbelastung von Kunden“<br />

im Jahre 2005 im Gewand <strong>ein</strong>er Rechtsverordnung der Bundesregierung<br />

wieder auftauchen und als materielles Gesetz bundesweite<br />

Verbindlichkeit beanspruchen.<br />

Die Ver<strong>ein</strong>barkeit von § 6 Absätze 6 und 7 NEV mit den<br />

Ermächtigungsgrundlagen des Energiewirtschaftsgesetzes und höherrangigem<br />

Recht hat mit der Abwicklung und Auslegung von Endschaftsbestimmungen<br />

unmittelbar nichts zu tun, sondern die Normen<br />

strahlen auf solche Vertragsklauseln lediglich aus. Gerichtliche Aus<strong>ein</strong>andersetzungen<br />

werden in Netzentgeltgenehmigungsverfahren<br />

vor den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof zu führen<br />

s<strong>ein</strong>. Über sie wird wiederum der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs<br />

[29] befinden, der dann s<strong>ein</strong>e Rechtsprechung zu den<br />

Endschaftsbestimmungen zu Grunde legen kann. Nicht auszuschließen<br />

ist, daß letztendlich das Bundesverfassungsgericht zu<br />

entscheiden haben wird, ob und wie weit § 6 Absätze 6 und 7 NEV<br />

und andere Teile der beiden Verordnungen verfassungsgemäß sind.<br />

Verfahrensrechtlich wird zu untersuchen s<strong>ein</strong>, ob Vorschriften der<br />

NEV gemäß Artikel 80 Absatz 1 Satz Grundgesetz von den<br />

Ermächtigungsnormen des EnWG gedeckt sind. Unter dem Aspekt<br />

des Grundrechtsschutzes wird geprüft werden müssen, ob beispielsweise<br />

das schrankenlose Verbot der Abschreibung unter Null<br />

Grundrechte der Netzbetreiber aus den Artikeln 14, 12 und GG verletzt,<br />

weil sie gezwungen werden, Wirtschaftsgüter unentgeltlich zu<br />

veräußern, die noch <strong>ein</strong>en erheblichen nachhaltigen wirtschaftlichen<br />

Wert im Geschäftsverkehr haben. Zu dem Zwangs<strong>ein</strong>griff, alle<br />

zwanzig Jahre das Netzeigentum <strong>zur</strong> vertraglichen Disposition zu<br />

stellen, tritt der Zwang, Wirtschaftsgüter mit hohem Wert zu Null<br />

abzugeben, also „zu verschenken.“ [30]. „Die Eigentumsgarantie des<br />

Art. 14 GG hat die Aufgabe, den Bestand des Eigentums in der Hand<br />

des Eigentümers zu sichern“ [31]. An diesem Maßstab müssen sich<br />

auch die §§ 6 StromNEV/GasNEV messen lassen.<br />

Die Wertermittlung als Energiekartellrecht<br />

Bisher ist zu Grunde gelegt worden, dass die unveränderten kartellrechtlichen<br />

Maßstäbe fortgeführt werden können. Mit der Unterstellung<br />

der Netzbereiche unter <strong>ein</strong> Regulierungsregime ist zu prüfen,<br />

ob Endschaftsklauseln seit dem 13. Juli 2005 dem Kartellrecht oder<br />

dem Regulierungsrecht unterfallen.<br />

Eine erste Antwort findet sich in der Stellung der Norm im EnWG,<br />

nämlich im „nichtregulierten“ Teil 5 (Planfeststellung, Wegenutzung).<br />

Das ist zutreffend, denn materiell ist § 46 EnWG wie die<br />

Vorgängernorm des § 13 EnWG 1998 die energierechtliche Fortführung<br />

der §§ 103, 130 a GWB [32].<br />

38<br />

WO STEHT DER EUROPÄISCHE STROMMARKT?<br />

Die Zuordnung zum Energiekartellrecht folgt auch aus § 46 Abs. 5<br />

EnWG, wonach die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden<br />

nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen<br />

im Rahmen des § 46 EnWG unberührt bleiben. Das ist auch<br />

systematisch und logisch begründbar. In Konsequenz der kartellrechtlichen<br />

Abstammung der Absätze 1 bis 4 des § 46 EnWG ist<br />

dessen Absatz 5 <strong>ein</strong>e Kompetenzzuweisung an die Kartellbehörden,<br />

die <strong>ein</strong>e Zuständigkeit der Bundesnetzagentur ausschließt. Diese<br />

könnte ohnehin nur ihre allgem<strong>ein</strong>en Instrumente nach § 65 EnWG<br />

<strong>ein</strong>setzen, wohingegen die Kartellbehörden die kartellrechtlichen<br />

Spezialinstrumente der §§ 19, 20 GWB <strong>zur</strong> Verfügung hat. § 46 Abs.<br />

5 EnWG entzieht Lebenssachverhalte aus dem Bereich des § 46<br />

der Zuständigkeit der jeweiligen Regulierungsbehörde und belässt<br />

sie in der Zuständigkeit des Bundeskartellamtes bzw. der Landeskartellbehörden.<br />

Bei der Prüfung von Endschaftsbestimmungen sind nach Aufhebung<br />

der §§ 103, 103a GWB a.F. die §§ 19 und 20 GWB un<strong>ein</strong>geschränkt<br />

anwendbar, da § 46 EnWG k<strong>ein</strong>e ausdrücklich abschließende<br />

Regelung im Sinne von § 111 Absatz 1 Satz 1 EnWG enthält. Führt<br />

<strong>ein</strong>e Kartellbehörde <strong>ein</strong> Verfahren nach § 19 GWB durch, so hat<br />

sie der Bundesnetzagentur Gelegenheit <strong>zur</strong> Stellungnahme zu geben<br />

(§ 58 Abs. 2 EnWG).<br />

Selbst wenn man <strong>ein</strong>e konkurrierende Kompetenz der Regulierungsbehörde<br />

und der jeweils zuständigen Kartellbehörde oder des Bundeskartellamts<br />

in Fällen des § 46 EnWG annehmen würde, hätte die<br />

jeweilige Regulierungsbehörde den Vorrang der Regelungen des<br />

GWB zu achten, der sich aus unmittelbarer bzw. bei der Anwendung<br />

durch Landesregulierungsbehörden analoger Anwendung von §<br />

58 Abs. 3 EnWG ergibt.<br />

Richterliche Kontrolldichte<br />

Von entscheidender Bedeutung für <strong>ein</strong> rechtsstaatliches Regulierungsregime<br />

wird die richterliche Kontrolldichte s<strong>ein</strong>, mit der das Verwaltungshandeln<br />

der Regulierungsbehörden, vorrangig der Bundesnetzagentur,<br />

durch die Dritte Gewalt überwacht und notfalls gezügelt<br />

wird.<br />

Einem verfassungsgemäßen Verhältnis von richterlicher Kontrolle<br />

der Verwaltung kann nur entsprechen, dass die richterliche Kontrolle<br />

umso intensiver ist, je stärker die Exekutive in die Rechte<br />

von Unternehmen <strong>ein</strong>greifen kann. Ein allumfassendes Regulierungsregime<br />

mit straffen gesetzlichen Instrumenten, wie sie im 3. und im<br />

8. Teil des EnWG enthalten sind, erfordert zum Ausgleich und zum<br />

Ausbalancieren <strong>ein</strong>e deutlich höhere Kontrolldichte als zum Beispiel<br />

die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle. Die hergebrachten verwaltungsrechtlichen<br />

Lehren vom Ermessen und den unbestimmten<br />

Rechtsbegriffen mit und ohne Beurteilungsspielraum bedürfen daher<br />

<strong>ein</strong>er Aktualisierung in ihrer Anwendung im Regulierungsrecht der<br />

Energiewirtschaft [33]. Das gilt insbesondere in der Anlaufphase,<br />

in der die Weichen auch im Umgang mit<strong>ein</strong>ander für lange Zeit<br />

gestellt werden. Es ist weder nach Verfassungsrecht noch nach Verwaltungsrecht<br />

notwendig, <strong>ein</strong> neues Sonderrecht der Regulierung<br />

zu konstruieren, das sich in das überlieferte Verwaltungsrechtssystem<br />

nicht <strong>ein</strong>füge und das wegen s<strong>ein</strong>er direktiven Eingriffsmöglichkeiten<br />

und s<strong>ein</strong>er Systemfremdheit stärkere gerichtsfreie<br />

Spielräume benötige. Im Gegenteil: Entscheidungen der Regulierungsbehörden<br />

sind stets ökonomisch determiniert und schon deswegen<br />

voll nachprüfbar. Sie handeln nicht politisch-gouvernemental, sondern<br />

vollziehen Gesetze. Die Maßstäbe der Rationalität und Nachprüfbarkeit,<br />

die die Regulierungsbehörde an das Verhalten der regulierten<br />

Unternehmen anlegt, muß sie auch gegen sich gelten lassen. Dezisio-<br />

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 56. Jg. Special 6/2006

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