ein geeignetes Modell zur kosteneffizienten CO 2 - VRE
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STROM OHNE GRENZEN<br />
10<br />
WO STEHT DER EUROPÄISCHE STROMMARKT?<br />
Konflikt geboren; sie geht auf den EU-Gipfel in Hampton Court im<br />
Oktober 2005 <strong>zur</strong>ück, auf dem von der Britischen Ratspräsidentschaft<br />
<strong>ein</strong>e Europäische Energiepolitik thematisiert worden war. Das<br />
nunmehr vorliegende Grünbuch wäre ohne den Ukraine-Konflikt<br />
aber so gewiss nicht geschrieben worden und stände auch nicht so<br />
sehr in der öffentlichen Diskussion und Wahrnehmung. Das Grünbuch<br />
versucht, die Grundzüge der künftigen europäischen Energiepolitik<br />
festzuschreiben. Energie und Energiesicherheit stehen<br />
dabei im Zentrum der Überlegungen. Es werden praktisch alle<br />
Themen angesprochen, die aus Sicht der EU-Kommission europäisch<br />
und nicht mehr national zu regeln sind – und dies sind nicht die<br />
all<strong>ein</strong>igen Auffassungen des zuständigen Energiekommissars<br />
Piebalgs: Wurden die ersten Entwürfe des Grünbuches im Kabinett<br />
Piebalgs geschrieben, stammt die letzte Fassung aus dem direkten<br />
Umfeld des EU-Kommissionspräsidenten Barroso, ist also <strong>zur</strong><br />
„Chefsache“ geworden. Am 08.März 2006 veröffentlichten denn auch<br />
Barroso und Piebalgs gem<strong>ein</strong>sam in Brüssel das Grünbuch für <strong>ein</strong>e<br />
Europäische Energiepolitik [1].<br />
In diesem Grünbuch wird skizziert, wie die Europäische Energiepolitik<br />
die drei zentralen Ziele nachhaltige Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Versorgungssicherheit erreichen könnte.<br />
Barroso spricht in diesem Zusammenhang auch von der Trias Kyoto<br />
– Lissabon – Moskau. Das Grünbuch „Eine europäische Strategie für<br />
nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie“ nennt hierzu<br />
sechs vorrangige Bereiche mit Maßnahmenvorschlägen:<br />
■ Vollendung des Energiebinnenmarktes für Strom und Gas, u. a.<br />
Einführung <strong>ein</strong>es Europäischen Energienetz-Kodex, Schaffung <strong>ein</strong>er<br />
europäischen Regulierungsbehörde und <strong>ein</strong>es Europäischen Zentrums<br />
für Energienetze.<br />
■ Versorgungssicherheit im Energiebinnenmarkt/Solidarität, u. a.<br />
Schaffung <strong>ein</strong>er europäischen Stelle <strong>zur</strong> Beobachtung der Energieversorgung<br />
und <strong>ein</strong>es europäischen Zentrums für Energienetzwerke,<br />
regelmäßige und transparente Veröffentlichung des Stands der Erdölvorräte<br />
der Gem<strong>ein</strong>schaft, Entwicklung von Mechanismen <strong>zur</strong><br />
gegenseitigen Hilfe bei Infrastrukturausfällen.<br />
■ Nachhaltig ausgerichteter Energieträgermix, u. a. Analyse der EU-<br />
Energiestrategie und aller Energieträger bezüglich ihres Beitrages<br />
zu Erreichung der energiepolitischen Ziele, Debatte über den<br />
zukünftigen europäischen Energieträgermix, Festlegung <strong>ein</strong>es<br />
Minimalanteils sicher verfügbarer <strong>CO</strong> 2 -armer Energiequellen als<br />
Referenz für nationale Energiepolitik.<br />
■ Ein integrierter Ansatz für Klimaschutz, u. a. Beibehaltung und<br />
Ausbau der internationalen Vorreiterrolle der EU (u. a. Emissionshandel),<br />
verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen (Road Map)<br />
und Verbesserung der Energieeffizienz, <strong>CO</strong> 2 -Sequestrierung und<br />
unterirdischen Speicherung.<br />
■ Innovation, u. a. strategischer Plan für Energietechnologien.<br />
■ kohärente Energieaußenpolitik, u. a. Überprüfung der EU-Energiestrategie,<br />
Integration energiepolitischer Ziele in Außen-, Handelsund<br />
Entwicklungspolitik, Sicherung und Diversifizierung der Energieversorgung,<br />
Energiepartnerschaften und Dialog mit Erzeugerund<br />
Transitländern (explizit Russland).<br />
Deutlich ist das Bemühen der Kommission, die mit dem Gaskonflikt<br />
Russland/Ukraine <strong>zur</strong> Jahreswende offenbar gewordene internationale<br />
Dimension der Energiepolitik dazu zu nutzen, de facto mehr<br />
Kompetenzen für <strong>ein</strong>e Europäische Energiepolitik zu erhalten und<br />
die EU25-Staaten auf <strong>ein</strong>e gem<strong>ein</strong>same Energiestrategie <strong>ein</strong>zuschwören.<br />
In der Konsequenz der Verwirklichung der Ideen dieses<br />
Grünbuches müssten die EU-Mitgliedstaaten auf nationale Kompetenzen<br />
zugunsten der EU verzichten. Das Grünbuch könnte damit<br />
zu <strong>ein</strong>em Wendepunkt der europäischen Energiepolitik werden und<br />
dazu beitragen, dass die EU <strong>ein</strong>e internationale Bedeutung auf diesem<br />
Gebiet bekommt, die ungleich höher ist als die Addition von 25 mehr<br />
oder weniger verschiedenen nationalen Energiepolitiken. „Die grundlegendste<br />
Frage ist die, ob Einvernehmen darüber herrscht, dass<br />
<strong>ein</strong>e neue, gem<strong>ein</strong>same europäische Energiestrategie entwickelt<br />
werden muss, und ob Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und<br />
Sicherheit die zentralen Prinzipien s<strong>ein</strong> sollten, die dieser Strategie<br />
zugrunde liegen“ [2]. Die Kommission möchte „die Freiheit der Mitgliedstaaten,<br />
zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen,<br />
mit dem Erfordernis der EU insgesamt, über <strong>ein</strong>en Energieträgermix<br />
zu verfügen, der ihren zentralen Zielen im Energiebereich gerecht<br />
wird, verbinden“ [3].<br />
Die Europäische Kommission spricht also schon davon, dass die Wahl<br />
des Energieerzeugungsmix den Mitgliedstaaten überlassen bleiben<br />
soll. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass nationale Energiemarktentscheidungen<br />
<strong>ein</strong>es Mitgliedstaates die Energiepolitik und<br />
-sicherheit anderer EU-Staaten und der Europäische Union insgesamt<br />
be<strong>ein</strong>flussen. Wenn die Europäische Union mit <strong>ein</strong>er gem<strong>ein</strong>samen<br />
Stimme in Energiefragen sprechen würde, könnte sie die globale Energiedebatte<br />
mitbestimmen. Grundsätzlich stellt sich immer die Frage,<br />
auf welcher Ebene sich <strong>ein</strong>e politische Herausforderung besser lösen<br />
lässt, national oder europäisch? Diese Frage nach der Subsidiarität<br />
lässt sich bezüglich Energie heute aber <strong>ein</strong>deutig beantworten: Die<br />
Zeiten nationaler Energiepolitik sind vorbei. Die EU benötigt deshalb<br />
<strong>ein</strong>e kohärente europäische Energiepolitik, die in sich geschlossen<br />
ist und nicht nur die Addition von 25 nationalen Energiepolitiken –<br />
nationalen Energiepolitiken, die sich sehr oft gar nicht addieren lassen,<br />
da sie sich z. T. elementar widersprechen!<br />
Derzeit werden die verschiedenen Energieträger wie z. B. Kohle, Kernkraft,<br />
Wind, Gas, Biomasse, Wasserkraft, Sonnenenergie oder Geothermie<br />
national innerhalb der Europäischen Union z. T. grundlegend<br />
unterschiedlich <strong>ein</strong>geschätzt, protegiert oder be- bzw. verhindert. Bei<br />
diesen politischen Gegensätzen ist <strong>ein</strong>e Europäische Energiepolitik<br />
nur schwer vorstellbar. Dabei müsste doch <strong>ein</strong>e ausgeglichene Versorgung<br />
aus vielen Quellen für alle nur Vorteile haben? Braucht die<br />
Welt, braucht Europa nicht alle Energieträger-Quellen, alle verfügbaren<br />
Optionen? Es gibt k<strong>ein</strong>en optimalen Energieträger, alle haben<br />
ihre unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten, Vor- und Nachteile,<br />
Abhängigkeiten, kurz- und langfristige Kosten. Nur <strong>ein</strong> breiter Energiemix<br />
kann Risiken diversifizieren und <strong>ein</strong>seitige Abhängigkeiten<br />
begrenzen – sowohl von <strong>ein</strong>zelnen Energieträgern als auch von entsprechenden<br />
Exportstaaten. Die Europäische Union ist bereits heute<br />
der weltweit größte Energieimporteur, und die Kommission erwartet<br />
<strong>ein</strong>en weiteren Anstieg der Abhängigkeit von Energieimporten, von<br />
50 % im Jahre 2000 auf etwa 70 % bis 2030!<br />
Diesem Grünbuch kommt deshalb schon jetzt <strong>ein</strong> sehr hoher Stellenwert<br />
in der Geschichte der Energiepolitik der Europäischen Union<br />
zu. Das Papier wurde unmittelbar nach s<strong>ein</strong>er Veröffentlichung<br />
bereits auf der Sondersitzung des Energieministerrates am<br />
14.03.2006 in Brüssel diskutiert und schnell von nationalen<br />
Regierungen – überwiegend negativ – kommentiert. Auch der<br />
Europäische Rat, das Gremium der Staats- und Regierungschefs der<br />
25 EU-Mitgliedstaaten, hat das Papier bereits auf der Tagesordnung<br />
der Sitzung vom 23./24.03.2006 behandelt. Das Grünbuch ist<br />
nunmehr bis zum September 2006 Gegenstand <strong>ein</strong>es öffentlichen<br />
Konsultationsprozesses. Im Gegensatz zu ersten Vermutungen hat<br />
jüngst Kommissar Piebalgs erklärt, dass diesem Grünbuch, als Mitteilung<br />
der Kommission <strong>zur</strong> Diskussion, k<strong>ein</strong> „Weißbuch“ folgen<br />
wird, die Kommission also k<strong>ein</strong>e förmlichen Vorschläge für <strong>ein</strong> konkretes<br />
Tätigwerden der Gem<strong>ein</strong>schaft machen wird. Damit dürfte<br />
die Kommission bereits auf die Kritik verschiedener Mitgliedstaaten<br />
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 56. Jg. Special 6/2006