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Kultur<br />

Mey Mitte der siebziger Jahre<br />

POP<br />

Unter den Wolken<br />

Es ist so einfach, sich über Reinhard Mey lustig zu machen. Dabei dürfte es niemanden<br />

geben, der das Lebensgefühl seiner Generation so genau vertont hat wie<br />

er. Mey, 70, war der gute Westdeutsche. Unideologisch, außer, wenn es gegen<br />

den Krieg ging. Beseelt von dem Glauben, dass viele kleine Schritte die Welt<br />

besser machen können. Weltoffen und frankophil. Selbstdiszipliniert und mit<br />

dem Herzen ein bisschen links. Verträumt und doch pragmatisch, mit Pilotenschein<br />

und der Sehnsucht nach der großen Freiheit – aber geprägt von dem Wissen<br />

des Nachkriegskindes, dass das echte Leben unter den Wolken stattfindet.<br />

All das lässt sich nun auf den vier CD-Boxen der „Jahreszeiten“-Edition nach -<br />

hören, die pünktlich zum Weihnachtsgeschäft noch einmal Meys 26 Studioalben<br />

präsentieren. Von „Ich wollte wie Orpheus singen“ (1967) bis zu „Dann mach’s<br />

gut“ (2013). Es ist die alte Bundesrepublik, der man hier zuhören kann, das<br />

Milieu derjenigen, die zusammen mit ihr groß geworden sind und die heute<br />

manchmal die Welt nicht mehr verstehen.<br />

T. SUCHEFORT / ACTION PRESS<br />

LITERATUR<br />

Schatten und Stille<br />

In dieser Woche wird Alice Munro der<br />

Literaturnobelpreis verliehen, und selten<br />

waren sich Leser und Kritiker so<br />

einig, dass die Auszeichnung die Richtige<br />

getroffen hat. Die Einstimmigkeit<br />

der Begeisterung ist fast schon ein wenig<br />

langweilig. Doch dann nimmt man<br />

Munros neues Buch zur Hand, den Erzählband<br />

„Liebes Leben“. Die darin<br />

versammelten 14 Geschichten handeln<br />

von der Vergänglichkeit des Lebens,<br />

und nach der Lektüre bleibt die hell<br />

leuchtende Überzeugung: wie gut,<br />

dass Munro für ihre hohe, aber stille<br />

Könnerschaft endlich angemessen gewürdigt<br />

wird. Seit je hat die kanadische<br />

Autorin die Lebensgeschichten<br />

von Frauen in den Mittelpunkt ihrer<br />

Kurzgeschichten gerückt und bereits<br />

früh davon erzählt, wie die Träume ihrer<br />

Protagonistinnen in Vergeblichkeit<br />

münden, weil das Leben seinen Lauf<br />

nimmt. Auf 20, 30<br />

Seiten entwickelt<br />

sie den Reichtum einer<br />

Biografie, als ob<br />

sie einen Roman geschrieben<br />

hätte. Die<br />

Ungewissheit, die<br />

ihre Figuren umgibt,<br />

macht ihre Erzählungen<br />

manchmal<br />

so spannend wie<br />

Krimis. In der Geschichte<br />

„Kies“<br />

etwa, in der ein kleines<br />

Mädchen mit<br />

Mutter und Schwester<br />

in einen Wohnwagen<br />

am Rand einer<br />

Kiesgrube zieht,<br />

rückt der Schatten,<br />

Alice Munro<br />

Liebes Leben<br />

Aus dem Englischen<br />

von Heidi<br />

Zerning. S. Fischer<br />

Verlag, Frankfurt<br />

am Main; 368 Seiten;<br />

21,99 Euro.<br />

der das Leben des Mädchens nie mehr<br />

verlassen wird, Seite für Seite näher,<br />

von Munro präzise und meisterlich<br />

beschrieben. Das Besondere an dem<br />

neuen Erzählband sind die letzten vier<br />

Geschichten, die, so die Autorin, „vom<br />

Gefühl her autobiografisch“ seien.<br />

Dem Leser wird nahegelegt, dass<br />

Munros Vater mit einer Farm für Pelztiere<br />

pleiteging, dass ihre Mutter eine<br />

gespreizte Person war, die später an<br />

Parkinson litt. Diese vier Erzählungen<br />

zeigen, dass die leicht anachronistische<br />

ländliche Welt ihrer Geschichten<br />

auch die Welt Alice Munros war. Und<br />

sie offenbaren, dass die 82-jährige<br />

Schriftstellerin ihr eigenes Leben mit<br />

jener liebevollen, aber unsentimentalen<br />

Schärfe betrachten kann, die ihr<br />

gesamtes Werk auszeichnet.<br />

DER SPIEGEL 50/2013 115

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