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Medien<br />

Brandt: Das habe ich gesagt? Was für ein<br />

blöder Satz. Ich verstehe den Gedanken,<br />

aber es klingt doch sehr hochmütig.<br />

SPIEGEL: Hoffen Sie darauf, dass Sie jemand<br />

aus den Niederungen des Fernsehens<br />

herauszieht, so wie es der bis dato<br />

kaum beachtete Christoph Waltz es durch<br />

Quentin Tarantino erfahren hat?<br />

Brandt: Niederungen? Entschuldigen Sie<br />

mal, wie reden Sie denn über meine<br />

Arbeit? Nein, tue ich nicht, dann hätte<br />

ich ja nicht mehr alle Tassen im Schrank.<br />

Auf so etwas kannst du doch nicht<br />

warten.<br />

SPIEGEL: Bei Ihrem Hang zum Skurrilen –<br />

warum sind Sie eigentlich kein Komiker<br />

geworden?<br />

Brandt: Kommt vielleicht noch. Ich bin<br />

ja, wie Sie richtig festgestellt haben, ein<br />

Spätzünder. Die Biografie des Schau -<br />

spielers Theo Lingen heißt: „Komiker aus<br />

Versehen“. Wahrscheinlich bin ich ein<br />

Tragöde aus Versehen. Stan Laurel und<br />

Oliver Hardy, Jack Lemmon, Peter Sellers<br />

– alle meine frühesten Helden waren<br />

Komödianten.<br />

SPIEGEL: Aber keinen anderen verehrten<br />

Sie so sehr wie Günter Netzer.<br />

Brandt: Das größte Idol, das ich je hatte<br />

und habe. Schwarzer Ferrari, schwarze<br />

Klamotten, die Disco „Lovers’ Lane“ in<br />

Mönchengladbach und dann noch ab und<br />

zu einen Traumpass spielen. Und: Der<br />

Mann hat sich, als es gar nicht mehr anders<br />

ging, selbst eingewechselt, 1973 im<br />

Pokalfinale in Düsseldorf. Das habe ich<br />

mir fürs Leben gemerkt: Sich selbst einzuwechseln<br />

ist auch eine Option.<br />

SPIEGEL: Haben Sie ihn später mal kennen -<br />

gelernt?<br />

Brandt: Wir saßen mal im selben Lokal.<br />

Meine Frau wunderte sich, warum ich<br />

plötzlich so klemmig war. Ich wollte ihn<br />

nicht ansprechen. Ich konnte meine kindliche<br />

Befangenheit nicht überwinden. Ich<br />

bin selbst mit einem Idol aufgewachsen<br />

und weiß, wie viel Leute in jemanden<br />

hineinprojizieren, den sie verehren. Aber<br />

dann sprach Netzer plötzlich mich an,<br />

um mir zu sagen, dass er meine Arbeit<br />

schätzt! Damit konnte ich überhaupt<br />

nicht umgehen. Ich habe nicht verstanden,<br />

warum er plötzlich meinen Text sagt,<br />

ein Schauspieleralptraum!<br />

SPIEGEL: Stimmt es eigentlich, dass Sie auf<br />

einem Auge blind sind?<br />

Brandt: Nein, das nicht, aber ich sehe<br />

auf dem linken Auge sehr schlecht. Die<br />

Sehfähigkeit beträgt zehn Prozent, von<br />

Geburt an. Der Augenarzt hat mir erklärt,<br />

dass das Hirn das kompensiert,<br />

wenn man es schon als Kind hat.<br />

SPIEGEL: Hat das Einfluss auf Ihre Arbeit<br />

als Schauspieler?<br />

Brandt: Nein, aber auf mein Tennisspiel.<br />

Weil ich kein räumliches Sehen habe,<br />

haue ich immer am Ball vorbei.<br />

SPIEGEL: Herr Brandt, wir danken Ihnen<br />

für dieses Gespräch.<br />

PRESSE<br />

Wer war<br />

Mister X?<br />

Wegen einer zweifelhaften Aussage<br />

ermittelte die Münchner<br />

Staatsanwaltschaft gegen einen<br />

Journalisten und<br />

zwei leitende Kriminalbeamte.<br />

Reporter Bendixen<br />

MARTIN BINDER / BR<br />

Vom Restaurant im siebten Stock<br />

des Hotels Bayerischer Hof in<br />

München haben Besucher einen<br />

wunderbaren Blick über die Stadt, bei<br />

gutem Wetter bis zu den Alpen. Doch<br />

die beiden Journalisten, die sich im<br />

Oktober vergangenen Jahres dort trafen,<br />

interessierten sich kaum für die schöne<br />

Aussicht. Stattdessen, so behauptet ein<br />

Informant der Münchner Staatsanwaltschaft,<br />

hätten sie über die Vorbereitung<br />

einer Straftat gesprochen:<br />

Es sei darum gegangen, Beamte<br />

zu bestechen, um an<br />

brisante Dokumente zu<br />

kommen.<br />

Zwar waren die Vorwürfe<br />

gegen Oliver Bendixen,<br />

Reporter beim Bayerischen<br />

Rundfunk, nicht mit belegbaren<br />

Fakten begründet.<br />

Doch das hielt die Ermittler<br />

nicht davon ab, Maßnahmen<br />

einzuleiten, als ginge<br />

es um ein Schwerverbrechen.<br />

Telefone wurden abgehört,<br />

Familienangehörige<br />

überwacht, Beschattungen<br />

angeordnet.<br />

So vehement agierten die Staatsanwälte,<br />

dass ihre Aktion nun Politiker und Berufsverbände<br />

gleichermaßen aufbringt.<br />

Über eine „diffuse Einstellung“ zum Journalismus<br />

klagt Michael Busch, Vorsitzender<br />

des Bayerischen Journalisten-Verbands.<br />

Und die bayerische SPD will wissen,<br />

wer dieser Informant ist, dem die<br />

Justiz so viel Glauben schenkte.<br />

Es war der 14. September 2012, als der<br />

ominöse Zeuge bei der Staatsanwaltschaft<br />

München I auftauchte und zunächst<br />

einmal Vertraulichkeit verlangte.<br />

Die wird üblicherweise gewährt, wenn<br />

Lebensgefahr oder „unzumutbare Nachteile“<br />

drohen. Warum sie in diesem Fall<br />

vereinbart wurde, will die Behörde nicht<br />

verraten.<br />

Er wisse von einem Kontaktmann, behauptete<br />

der Informant, dass Bendixen,<br />

der über „exzellente Kontakte zum Po -<br />

lizeiapparat“ verfüge, „einhundertvierzig<br />

Akten/Leitzordner aus dem Fall<br />

Hypo Alpe Adria ./. BayernLB auf Datenträger<br />

gegen Entgelt“ besorgen könne.<br />

30 000 Euro verlangten die beiden Chefs<br />

der LKA-Abteilung Ermittlungen/Ope -<br />

rative Spezialeinheiten dafür. Der „Vollzug<br />

dieses Geschäftes stehe in Bälde<br />

bevor“.<br />

Die Staatsanwaltschaft witterte den<br />

großen Fall. Schnell beantragte sie die<br />

erforderlichen Beschlüsse und ersuchte<br />

das Bundeskriminalamt (BKA) um Ermitt -<br />

lungen. Sämtliche Telefonanschlüsse der<br />

drei Betroffenen seien zu überwachen,<br />

„höchste Eile“ sei geboten.<br />

Doch die Bundesbehörde reagierte ungewohnt<br />

zurückhaltend. „Das BKA wird<br />

mit diesem Informanten nicht zusammenarbeiten“,<br />

heißt es in einem Schreiben.<br />

„Bei der gegenwärtigen Verdachtslage“<br />

werde das Amt „keine aktiven verdeckten<br />

Ermittlungshandlungen gegenüber<br />

Journalisten“ vornehmen.<br />

Die Staatsanwaltschaft München focht<br />

das nicht an. Sie ließ die Telefone der<br />

Polizisten und ihrer Angehörigen abhören,<br />

beantragte die Observation der Verdächtigen.<br />

So hörten die Ermittler mit,<br />

wie am Abend nach dem Treffen im Bayerischen<br />

Hof der Journalist<br />

Bendixen mit dem Kriminalbeamten<br />

W. telefonierte.<br />

Der Inhalt: belangloses Geplänkel<br />

über 8 Minuten<br />

und 19 Sekunden.<br />

W.: „Wie geht’s dir<br />

sonst?“<br />

Bendixen: „Du, ganz,<br />

ganz ordentlich. Wir gehen<br />

nächste Woche mal Kaffee<br />

trinken, wir zwei, oder?“<br />

W.: „Des machen wir.“<br />

Im vergangenen Sommer<br />

wurden die Ermittlungen<br />

ohne jedes Ergebnis<br />

eingestellt. Die „Kontaktperson“,<br />

von der der ominöse<br />

Informant gesprochen hatte, war<br />

anhand von Bendixens Terminkalen -<br />

der schnell enttarnt: Es war sein Gesprächspartner<br />

aus dem Bayerischen<br />

Hof: der frühere „Focus“-Journalist Wilhelm<br />

Dietl, der das Magazin vor Jahren<br />

verlassen musste, weil er allzu eng mit<br />

dem Bundesnachrichtendienst zusammengearbeitet<br />

hatte. Es sei aber nie um<br />

die Akten gegangen, und er habe auch<br />

niemandem von dem Gespräch erzählt,<br />

behauptet Dietl. Damit bleibt die Fra -<br />

ge offen, von wem der geheimnisvolle<br />

Informant sein Wissen gehabt haben<br />

will.<br />

Mit einer Anfrage an die Staatsregierung<br />

verlangt die bayerische SPD nun<br />

Aufklärung, warum die Staatsanwaltschaft<br />

ihrem Mister X so viel Glauben<br />

schenkte. „Notfalls“, sagt SPD-Landtagsfraktionsvorsitzender<br />

Markus Rinderspacher,<br />

werden wir das „von einem Untersuchungsausschuss<br />

klären lassen“.<br />

ANDREAS ULRICH<br />

DER SPIEGEL 50/2013 157

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