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MICHAEL GOTTSCHALK / DAPD<br />
nem Foto von Meinhardt, das ihn fröhlich<br />
zeigt. Der Konditor zerschneidet die Torte,<br />
reicht Meinhardt ein Stück, der jetzt an einem<br />
der Bistrotische an der Seite steht und<br />
sein eigenes Lächeln vom Teller löffelt.<br />
„Was wir brauchen, ist eine wirkliche<br />
Erneuerung!“, sagt er, als eine Reporterin<br />
vom Fernsehen ihn interviewt. Als die<br />
meisten seiner Gäste gegangen sind, sitzt<br />
er im Hotelgarten unter Geranien, drückt<br />
sich ein Taschentuch über seine Tränen<br />
und sagt: „Ich mache natürlich weiter!“<br />
Er entschuldigt sich, verschwindet kurz<br />
auf dem Klo, kehrt zurück in den Raum,<br />
in dem seine Party zu Ende geht. Er packt<br />
jetzt beim Aufräumen mit an. Von weitem<br />
hört man ihn noch lange reden, mit<br />
kräftiger Stimme, als ginge es morgen<br />
früh weiter wie immer. Als hätte es diesen<br />
Abend gar nicht gegeben, an dem die<br />
FDP nach 64 Jahren aus dem Deutschen<br />
Bundestag geflogen ist.<br />
Was lernt man daraus als Mann von<br />
der FDP? Was bedeutet so ein Ergebnis<br />
für einen, der dafür mitverantwortlich<br />
ist? Was ändert es an einem Leben, das<br />
von Politik geleitet war?<br />
Patrick Meinhardt sitzt am Morgen<br />
nach der Wahl schon früh in einer Air-<br />
Berlin-Maschine, die ihn von Karlsruhe<br />
in die Hauptstadt fliegen wird, zu den anderen.<br />
Vormittags tagt der Vorstand der<br />
FDP-Fraktion im Bundestag, mittags die<br />
gesamte Fraktion. Auf dem Weg vom einen<br />
in den anderen Raum sind die Kameras<br />
auf die Gesichter von Verlierern gerichtet,<br />
Philipp Rösler, Rainer Brüderle.<br />
Meinhardt verschwindet hinter ihnen<br />
im Großen Sitzungssaal, er begrüßt Parteikollegen<br />
mit einem Schlag auf die<br />
Schulter. Er sagt: „2017 sind wir spätestens<br />
wieder da!“<br />
Am Nachmittag bespricht er mit seinen<br />
Mitarbeitern den Auszug aus dem Ab -<br />
geordnetenbüro. Er muss seine Wohnung<br />
in Prenzlauer Berg kündigen und sein<br />
Bürgerbüro räumen, in Bretten bei Baden-Baden,<br />
seiner Heimat.<br />
Drei Tage später kommt er in dieses<br />
Büro, eine Mitarbeiterin packt erste Kartons.<br />
Das Büro liegt direkt am Marktplatz<br />
von Bretten, in den großen Fenstern kleben<br />
Plakate von Patrick Meinhardt und<br />
seine Telefonnummer in großen Ziffern,<br />
damit sie jeder leicht erkennen und<br />
wählen kann. Die Nähe zum Bürger war<br />
Meinhardt schon immer wichtig.<br />
Es ist eigentlich ein trauriger Tag heute,<br />
aber man merkt ihm das nicht an, denn<br />
für den Abend erwartet er schon wieder<br />
DER SPIEGEL 50/2013 55