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es geht – ob die Kanzlerin nun will oder<br />
nicht – um Angela Merkel und Wladimir<br />
Putin ganz persönlich.<br />
Über kaum einen internationalen Politiker<br />
kann die Kanzlerin so ausführlich<br />
rätseln und räsonieren. Ob Putin mit<br />
nacktem Oberkörper für Fotografen posie -<br />
re, Nachbarstaaten mit russischen Rohstofflieferungen<br />
erpresse oder wie jetzt<br />
an einem großrussischen Wirtschaftsraum<br />
arbeite – stets sei der Antrieb der gleiche:<br />
eine Mischung aus Selbstzweifel, Sehnsucht<br />
nach gewesener Größe und verletztem<br />
Stolz. Merkel sieht in ihrem Gegenüber<br />
einen ebenso entschlossenen wie<br />
komplexbeladenen Politiker: den Staatschef<br />
eines Landes, das erkennbar vom<br />
Tempo der Globalisierung überfordert ist<br />
und seinen Platz in der Weltordnung verloren<br />
hat, weil die Weltordnung längst<br />
eine andere, kompliziertere ist. Ohne<br />
straff und zentral kommandierte Blöcke,<br />
ohne Atomwaffen als die zentrale Währung<br />
von Einfluss und Macht.<br />
Merkels Vorgänger Gerhard Schröder<br />
wollte in Putin einen „lupenreinen Demokraten“<br />
erkennen. Und anfangs sah<br />
es die Kanzlerin gar nicht viel anders, nur<br />
skeptischer. Putin müsse geholfen werden,<br />
sein Land zu modernisieren und zu demokratisieren,<br />
Schritt für Schritt – und<br />
nicht immer zu messen an westeuropäischen<br />
Standards. Das war vor acht Jahren<br />
ihre Losung, heute ist Merkel davon weit<br />
entfernt. Sie scheint die Hoffnung aufgegeben<br />
zu haben, dass Putin Demokratie<br />
und Marktwirtschaft wirklich will – und<br />
nicht längst die Wiederherstellung einer<br />
straff aus dem Kreml geführten russischen<br />
Einflusszone, mit der sich demokratischer<br />
Pluralismus nicht verträgt.<br />
In diesem „Grand Design“ des Kreml-<br />
Chefs aber ist die Ukraine der zentrale<br />
Baustein. Ohne das Land hätte Moskau<br />
keinen Arm, der nach Mitteleuropa reicht.<br />
Mit der Ukraine dagegen könnte Putin<br />
weiter davon träumen, den ehemaligen<br />
Weltmachtstatus Moskaus zumindest teilweise<br />
wiederherzustellen.<br />
Und sosehr es typisch für Angela Merkel<br />
wäre, die „Entweder-oder“-Zwickmühle<br />
für die Ukraine aufzulösen, um einen<br />
gangbaren Weg mit Russland zu finden,<br />
ahnt sie dennoch: Solange Wiktor<br />
Janukowitsch an der Spitze der Ukraine<br />
steht, wird daraus nichts. Und wenn er<br />
eines Tages abgelöst ist, wartet da ja noch<br />
Wladimir Putin. Der träumt von einem<br />
großen Russland und würde den Ausgang<br />
des Kalten Kriegs, den Zerfall der So -<br />
wjetunion, am liebsten rückgängig machen.<br />
NIKOLAUS BLOME, MATTHIAS GEBAUER,<br />
RALF NEUKIRCH<br />
Lesen Sie weiter zum Thema:<br />
Seite 94: Die Wütenden von Kiew.<br />
Seite 96: Polens Ex-Präsident Kwaśniewski kritisiert<br />
im SPIEGEL-Gespräch die Fehler der EU und<br />
den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch.<br />
26<br />
PETER ROGGENTHIN / DER SPIEGEL<br />
SPIEGEL-GESPRÄCH<br />
„Halt den Mund“<br />
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, 64 (CSU),<br />
über das raue Verhältnis zwischen Politik und Medien und<br />
die Frage, warum er seine Parteikollegen öffentlich maßregelt<br />
SPIEGEL: Herr Seehofer, der SPD-Kanzlerkandidat<br />
Peer Steinbrück hat, nachdem<br />
er im Wahlkampf sehr hart kritisiert wurde,<br />
den Journalisten öffentlich den Stinkefinger<br />
gezeigt. Können Sie ihn ver -<br />
stehen?<br />
Seehofer: Nicht den Stinkefinger. Aber<br />
die Kritik an Journalisten schon.<br />
SPIEGEL: Momentan klagen viele Politiker<br />
darüber, dass sie von den Medien schlecht<br />
behandelt würden. Sie sind seit mehr als<br />
drei Jahrzehnten im Geschäft. Was hat<br />
sich zwischen Politikern und Journalisten<br />
verändert?<br />
Seehofer: Es gibt einen Qualitätsverlust in<br />
manchen Medien. Und die Herabsetzung<br />
von Politikern und Parteien nimmt zu.<br />
Macht braucht Kontrolle, aber der Umgang<br />
sollte immer respektvoll bleiben.<br />
SPIEGEL: Wodurch fühlen Sie sich persönlich<br />
beleidigt?<br />
DER SPIEGEL 50/2013<br />
Seehofer: Es gibt immer wieder Artikel,<br />
da werde ich nicht nach Inhalten bewertet,<br />
sondern persönlich herabgewürdigt.<br />
Eine Zeitung hat mich zum Beispiel<br />
„Crazy Horst“ genannt. Für mich ist da<br />
eine Grenze überschritten. Ich empfehle<br />
allen Politikern, so etwas nicht hinzu -<br />
nehmen.<br />
SPIEGEL: Wenn Politiker andere Politiker<br />
beleidigen, ist das aber okay? Sie selbst<br />
haben Karl-Theodor zu Guttenberg öffentlich<br />
als „Glühwürmchen“ bezeichnet.<br />
Seehofer: So nennt man es doch, wenn jemand<br />
von Journalisten erst hoch- und<br />
dann niedergeschrieben wurde.<br />
SPIEGEL: Ihr Generalsekretär Alexander<br />
Dobrindt sagte über Sigmar Gabriel, dieser<br />
sei „übergewichtig und unterbegabt“.<br />
Auch keine Beleidigung?<br />
Seehofer: Ein Generalsekretär ist für eine<br />
Partei Hauptakteur im politischen Mei-