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Deutsche Stilistik

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ten übereinstimmt ... Im Stil ist das Mannigfaltige eins. Es ist das Dauernde im<br />

Wechsel . . . Kunstgebilde sind vollkommen, wenn sie stilistisch einstimmig sind.« 7<br />

Der Stilbegriff dieser Richtung, die Staiger als »die Interpretation – die Stilkritik<br />

oder immanente Deutung der Texte« bezeichnet, die andere die »werkimmanente<br />

Interpretation« nennen, wird zugleich in ihrer Methode der Textanalyse deutlich, in<br />

der vom individuellen Eindruck des Betrachters ausgegangen und zur Analyse und<br />

Beschreibung der wirkenden Elemente und ihres Verhältnisses zueinander und zum<br />

Inhalt fortgeschritten wird. Der Sprachstil ist hier allerdings nur eine Schicht der<br />

Gestaltung neben anderen; die notwendige Trennung zwischen dem inhaltlichformalen<br />

Darstellungsstil und dem Sprachstil wird meistens aber nicht klar<br />

betont. 8 Künstlerisch weniger vollkommene oder nichtkünstlerische Texte werden<br />

so in die Nähe des Stilbruchs und der Stillosigkeit gerückt.<br />

Stil als Abweichung von einer Norm<br />

Wiederholt wird heute die Auffassung vertreten, daß sich sprachlicher Stil nur in<br />

Abweichungen von einer sprachlichen Gebrauchsnorm äußert. 9 Diese Ansicht ist<br />

nicht neu, liegt sie doch bereits den rhetorischen Figuren und Tropen zugrunde, die<br />

als verfremdende Entfernung vom normalen Sprachgebrauch aufgefaßt wurden. Sie<br />

findet sich auch bei einigen Vertretern der psychologisch fundierten <strong>Stilistik</strong>, wenn<br />

diese z.B. nur der sprachlichen Aktualisierung von Gemütskräften im dichterischen<br />

Ausdruck Stilcharakter zuerkennen. Auch zwischen einer personalen Stilauffassung<br />

und der »Abweichungsstilistik« besteht kein grundsätzlicher Widerspruch, soweit<br />

man dabei nur an den Stil mancher Dichter denkt, der sich von der rein<br />

kommunikativen Sprachverwendung der Alltagssprache auffallend unterscheidet.<br />

In neueren Untersuchungen wird gerade das Wesen der poetischen Sprache<br />

allgemein als Abweichung von anderen Sprachnormen verstanden, Beispiele zur<br />

Stützung dieser These lassen sich aus Dichtungen aller Zeiten erbringen, ob man<br />

nun die gereimte Form älterer Dichtungen oder die ungewöhnlichen Wortkombinationen<br />

moderner Dichtung als Abweichung von der Norm der Schriftsprache<br />

ansieht. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob es sich hier um Abweichungen von<br />

einer eher statistisch erfaßbaren Gebrauchsnorm oder einer eher psychologisch<br />

faßbaren Erwartungsnorm handelt, die den Rezipienten (Leser/Hörer) die Varietät<br />

a1s Kontrast zur gewohnten Sprachform erleben läßt.<br />

Für eine umfangreichere <strong>Stilistik</strong> erweist sich aber auch dieser Stilbegriff als wenig<br />

geeignet, 1. weil hier, über den Stilbegriff Goethes und den der personalen<br />

Stilauffassung hinausgehend, der Stilcharakter nur außergewöhnlichen<br />

Sprachgestaltungen vorbehalten wird, als die nicht einmal alle dichterischen Texte<br />

gelten können, rein kommunikative Ausdrucksformen dagegen ganz<br />

ausgeklammert werden; 2. weil weder der Begriff der sprachlichen Norm 10<br />

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