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Deutsche Stilistik

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akteristischen Formmerkmale des Stils auf lexikalischer, syntaktischmorphologischer<br />

und phonetischer Ebene die Gesamtbedeutung des jeweiligen<br />

Textes mitgeprägt werde. 40 Diese besondere Bedeutung wird nicht im Sinne der<br />

primär vorhandenen Wort- und Satzbedeutung denotativ (d.h. referenz-, begriffs-<br />

oder sachbezogen), sondern als konnotative Bedeutung (Mitbedeutung) verstanden,<br />

wie sie ähnlich auch bei zahlreichen Wörtern als zusätzlicher Gefühls- oder<br />

Eindruckswert vorhanden ist. Sie wird vor allem im Vergleich zwischen<br />

nichtpoetischen und stilistisch reicher ausgestatteten poetischen Texten offenbar,<br />

aber auch in der Eigenart funktional geprägter Texte, die durch ihre<br />

charakteristische Ausdrucksweise wirken. 41<br />

Stil als besondere Form der Textrezeption<br />

Den bisher genannten Stilauffassungen, die den Stil jeweils unter Aspekten der<br />

Sprachproduktion betrachteten oder nur das sprachliche Produkt berücksichtigten,<br />

wird neuerdings die Auffassung entgegengesetzt, daß es sich beim Stil im<br />

wesentlichen um eine bestimmte Verstehensreaktion des Lesers handelt. 42<br />

Diese Auffassung stützt sich auf Einsichten eines behavioristisch orientierten<br />

Strukturalismus (besonders bei Riffaterre), der Kommunikationstheorie und der<br />

Rezeptionsästhetlk, wonach das Verstehen darauf beruht, daß der Empfänger einer<br />

Nachricht aus den übermittelten Sprachzeichen aufgrund seiner<br />

Verstehenskompetenz und seiner Leseerwartungen den Sinn der jeweiligen<br />

Botschaft (einschließlich ihrer spezifischen Form) rekonstruiert. Auch die<br />

stilistischen Besonderheiten seien danach nur bedeutsam, soweit sie vom<br />

Rezipienten als solche erfaßt werden, wobei der Stilforscher in besonderem Maße<br />

zu einem adäquaten Verstehen befähigt sei. Daß die Erfassung des Stils in diesem<br />

Sinne vor allem bei älteren Texten vom Ausmaß des Verstehens ab-hängig ist,<br />

erscheint einleuchtend. Allerdings wird der Vorgang sprachlicher Verständigung<br />

nur unzureichend erfaßt, wenn man sich dabei nur auf das Verstehen beschränkt,<br />

die übrigen kommunikativen Faktoren dagegen vernachlässigt. Zudem ist eine<br />

rezeptive Stilauffassung nur auf auffallende Abweichungen von einer durch<br />

Kontext und Kompetenz bestimmten Norm bezogen, was - wie wir bereits betonten<br />

- eine zu enge Stilauffassung ergibt.<br />

Diese gedrängte, wenig systematische Übersicht 43 über die verschiedenen<br />

Stilauffassungen, die zugleich die Entwicklung der Stilforschung andeutete,<br />

erschien uns notwendig, um die Problematik des Stilbegriffs und die<br />

Schwierigkeiten seiner Bestimmung deutlich zu machen. Aus der Zusammenschau<br />

der rhetorischen, personalen, psychologischen, exzeptionellen,<br />

gattungsgebundenen, funktionalen, pragmatischen, didaktischen, selektiven,<br />

quantitativen, textgrammatischen und semantischen Stilauffassungen ergibt sich,<br />

daß es hier im Grunde um verschiedene Seiten und Aspekte des gleichen<br />

Phänomens geht, die lediglich in ihrer Abgrenzung und den methodischen<br />

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