05.11.2012 Aufrufe

Deutsche Stilistik

Deutsche Stilistik

Deutsche Stilistik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Stilistische Prinzipien und Möglichkeiten der<br />

Textgestaltung<br />

Zum Begriff des Textes<br />

Die Grundlage jeder <strong>Stilistik</strong> ist die geformte Sprache in einem größeren Ausdruckszusarnmenhang.<br />

Eine Zitatsammlung aus den verschiedensten Werken eines<br />

Autors bietet kaum geeignetes Material für eine Stiluntersuchung, weil hier die für<br />

die Stilerfassung notwendige Einheit des Untersuchungsrnaterials nicht gegeben<br />

ist. Sprachlicher Stil, ganz gleich welchen Stilbegriff wir zugrunde legen, offenbart<br />

sich nur in geschlossenen Texten. Das sehließt nicht aus, daß auch aus einzelnen<br />

Zitaten oder Sätzen der Stil eines Autors wiedererkannt werden kann. Der jeweilige<br />

Stilkenner wird wahrscheinlich leicht sagen können, ob ein vorgelegter Einzelsatz<br />

von Lichtenberg, Kleist, Heine oder Thomas Mann stammen könnte. Er vermag<br />

dies jedoch erst dann, wenn er die Stileigenheiten dieser Autoren an größeren<br />

Texten studiert hat. Die Gestaltung eines Textes wird durch recht unterschiedliche<br />

Faktoren bestimmt. Informationszweck, Gattungsform, Bilderwahl,<br />

Reflexionstendenzen u. dgl. spielen hier ebenso eine Rolle wie die<br />

Darstellungsmoden der jeweiligen Zeit, die Vorlieben und die Diktion des Autors,<br />

die Wünsche seines Publikums usw. Nicht zuletzt kommen hier auch stilistische<br />

Faktoren zur Geltung, die auf allgemeinen stilistischen Erfordernissen und<br />

Möglichkeiten wie auf den individuellen und gattungsmäßigen Eigenarten beruhen.<br />

Textgestaltung ist somit auch Stilgestaltung, die Struktur und Gestaltungsprinzipien<br />

eines Textes gehören damit zum Forschungsbereich der <strong>Stilistik</strong>. Soweit es sich um<br />

dichterische Texte handelt, nimmt sich die Literaturwissenschaft dieses<br />

Aufgabenkomplexes an; die Gestaltungsprinzipien anderer Texte wurden bisher nur<br />

wenig untersucht; in der Aufsatzlehre der Schulen finden sich hierin nur einige<br />

Ansätze. Weitere Klärungen sind unbedingt erforderlich.<br />

Die Entwicklung einer stilistischen Textforschung setzt die Bestimmung des<br />

Textbegriffs voraus. Legt man dabei die Erkenntnisse der bisherigen<br />

Textlinguistik zugrunde 1 , die sich der vom taxonomischen Strukturalismus<br />

ausgehenden Begrenzung linguistischer Untersuchungen auf den Satz als der<br />

größten linguistischen Einheit 2 widersetzt, so müßte man in einem Text die<br />

satzübergreifenden sprachlichen Aussagen mit einer verhältnismäßig<br />

einheitlichen Formenstruktur verstehen, die ähnlich wie die Formenstruktur<br />

des Satzes bestimmten, noch zu erforschenden Regularitäten unterliegt. Eine solche<br />

Textauffassung entspricht der etymologischen Herleitung des Wortes »Text« aus<br />

dem lat. »textus«, das wiederum auf das Verbum »texere« = weben (vgl.<br />

»Textilien«) zurückgeht. 3 Ein zusammenhängender Text kann so - ähnlich dem<br />

gewebten Tuch - als eine Art sprachliches Struk-<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!