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Deutsche Stilistik

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Bildunterschriften, Werbetexte, Hinweistafeln) ebenso wie ganze Bücher oder<br />

schriftstellerische Werke in mehreren Bänden. Wo jedoch sachlich verschiedene<br />

Werke, auch wenn sie von einem Amor stammen, vorliegen oder wo sich mehrere<br />

Autoren zum gleichen Thema in unterschiedlicher Weise äußern, werden wir nicht<br />

mehr von einem Text, sondern von »Texten« sprechen. Die Vielfalt der<br />

Möglichkeiten des Umfangs wie des Inhalts erlaubt es uns, das Wort »Text« oft nur<br />

als einen Sammelbegriff zu verstehen, der zu seiner näheren Festlegung weiterer<br />

Hinweise bedarf, wie sie etwa in Wendungen wie »Der Text dieses Buches, dieses<br />

Abschnittes zu diesem Bild, des Kommuniqués« usw. gegeben sind. Aber auch<br />

nach solchen Festlegungen bleibt der »Text« weiterhin eine schwer faßliche<br />

Einheit. Eine romanhaft erzählte Lebensgeschichte einer Familie und besonders<br />

eines Kindes und die lehrbuchhafte Krankheitsbeschreibung desTyphus sind,<br />

inhaltlich und zumeist auch funktional gesehen, zwei völlig verschiedene Texte -<br />

und doch kombiniert sie Thomas Mann im Roman »Buddenbrooks« miteinander,<br />

um den Tod des kleinen Hanno Buddenbrook drastischer zu veranschaulichen. 5 Der<br />

Lehrbuchauszug über den Typhus bildet hier mit dem übrigen Roman eine<br />

funktionale Einheit, gehört so zum Text des Romans, obwohl er inhaltlich und<br />

strukturell als eigener Text angesehen werden kann, der auch in einem anderen<br />

funktionalen Stil abgefaßt ist. Die moderne Literatur bietet zahlreiche Beispiele für<br />

derartige Montagetechniken, die die Bestimmung eines Texten als einheitliches,<br />

inhaltliches und formales Ganzes erschweren. Es ergibt sich allerdings bei allen<br />

größeren Sprachwerken die Frage, ob wir es hier mit faßbaren Texteinheiten oder<br />

mit Konglomeraten aus verschiedenen Textformen (z.B. Berichten, Schilderungen,<br />

Briefen usw.) zu tun haben (vgl. S. 280ff.).<br />

Auch eine strukturbetonende Fassung des Textbegriffs, wie sie vor allem von der<br />

neueren Textlinguistik angestrebt wird, die im Text ein »Determinations-gefüge«<br />

sieht, »dessen Teile solidarisch sind« 6 , begegnet bei solchen Text- und<br />

Strukturmischungen gewissen Schwierigkeiten. Trotzdem wird man an der<br />

Auffassung des Textes als einer strukturellen Einheit festhalten müssen. Diese<br />

Auffassung kann sowohl inhaltlich wie formal verstanden werden. Zur inhaltlichen<br />

Struktur des Textes (als Zusammenhang mehrerer Sätze) bemerkt H. Weinrich:<br />

»Ein Text ist offenbar eine Ganzheit, in der alles aufeinander bezogen ist. Die Sätze<br />

folgen in einer sinnvollen Ordnung so aufeinander, daß jeder verstandene Satz zum<br />

sinnvollen Verständnis des folgenden Satzes beiträgt. Andererseits wirkt der<br />

folgende Satz nun, wenn er seinerseits verstanden ist, wieder auf das Verständnis<br />

des vorhergehenden Satzes zurück, so daß man ihn zurückdenkend noch besser<br />

versteht. So verstehen wir einen Text. Jeder Satz ist also insofern jedem anderen<br />

Satz untergeordnet, als er nicht nur selber verstanden werden, sondern auch zum<br />

Verständnis aller anderen Sätze beitragen will. Das zeigt nur, daß nicht nur der<br />

einzelne Satz, sondern auch der ganze Text ein Determinationsgefüge ist, dessen<br />

Teile solidarisch sind.« 7<br />

Zum besseren Verständnis der Textvorstellung untersuchen wir ein Sprachbeispiel:<br />

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