24.11.2014 Aufrufe

Thalia magazine

Thalia magazine

Thalia magazine

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

48<br />

THALIA | Reiseziele<br />

„Manzoni überflügelt<br />

alles“<br />

Literarische Streifzüge um den Comer See.<br />

Dirk Heißerer<br />

Autor und „Wegweiser”<br />

des literarischen<br />

Spaziergangs im<br />

<strong>Thalia</strong> Magazin<br />

© Christina Bleier<br />

Der Lago di Como oder Lario in der<br />

Lombardei ist ein Dichtersee der<br />

besonderen Art. Drei Autoren der<br />

Weltliteratur (Goethe, Manzoni, Stendhal) reichen<br />

sich hier imaginär die Hand, und jeweils<br />

einer der beiden Arme des Doppelsees steht<br />

mit einem großen Roman in Verbindung. Mit<br />

prominenten Besuchern von Leonardo da<br />

Vinci bis Hermann Hesse kann der 100 km<br />

nördlich von Mailand gelegene Lario ebenso<br />

aufwarten wie der Lago di Garda oder Benaco,<br />

dem er in Länge (51 km) und Umfang<br />

(146 km2) kaum nachsteht. Das Besondere<br />

an diesem Zungenbecken des eiszeitlichen<br />

Addagletschers ist aber sein gleichbleibender<br />

Fjordcharakter mit einer Breite von 4,5 km<br />

und, etwa auf halber Länge, die Teilung in<br />

zwei Arme. Der Ort Bellagio auf der Halbinsel<br />

zwischen dem Ramo di Como auf der<br />

westlichen und dem Lago di Lecco auf der<br />

östlichen Seite hat seinen Namen vom (lat.)<br />

bi-lacus, dem Doppelsee, „in der Form eines<br />

umgekehrten Ypsilon“ (Stendhal).<br />

Stendhal in der Villa Melzi<br />

In Como, seit 89 v. Chr. römische Kolonie<br />

Comum, ist Plinius d. Ä. geboren, der 79 n.<br />

Chr. beim Ausbruch des Vesuv ums Leben<br />

kam. Sein Neffe Plinius d. J. stammt aus<br />

Novum Comum, dem neuen Como. Über eine<br />

merkwürdige, zeitweise aussetzende Quelle,<br />

die noch heute am Ostufer des Ramo di<br />

Como zwischen Torno und Riva in der<br />

(privaten) Villa Pliniana fließt, hat Plinius d. J.<br />

einen ausführlichen Brief geschrieben, der,<br />

in Stein gemeißelt, auf einer Gedenktafel in<br />

der Villa zu lesen ist; später hat Leonardo da<br />

Vinci diese Quelle besucht und beschrieben.<br />

Der französische Dichter Henri Beyle, der<br />

sich in Verehrung für den Archäologen<br />

Winckelmann nach dessen Geburtsort in<br />

der Altmark Stendhal nannte, hat diese<br />

Quelle ebenfalls gesehen, wie er in seinem<br />

Tagebuch unter dem 18. Juli 1817 nach<br />

einer Segelfahrt von Como nach Bellagio in<br />

der dortigen Villa Melzi notiert. Von dieser<br />

Villa aus hätte er „den schönsten Anblick,<br />

den es nächst dem Golf von Neapel in<br />

der Welt gibt“, haben können, den er sich<br />

aber versagte, um seine Eindrücke in Ruhe<br />

aufschreiben zu können. Die Aufenthalte in<br />

der Villa Melzi mit ihrem großartigen Garten<br />

sowie in der Villa Carlotta gegenüber am<br />

anderen Ufer hat Stendhal für Reflexionen<br />

über das Jahr 1796 genutzt, als Napoleon<br />

Mailand eroberte. Stendhals zweibändiger<br />

Roman „Die Kartause von Parma“ (1839),<br />

geschrieben in der kaum glaublichen Zeit<br />

von Anfang November bis Ende Dezember<br />

1838, beginnt daher mit diesem Ereignis<br />

und spielt zunächst anschaulich am westlichen<br />

Ufer in der Gegend von Tremezzina<br />

mit kleinen Dörfern wie Griante und<br />

Cadenabbia (wo wiederum seit 1957 der<br />

damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />

die Ferien verbrachte und an seinen<br />

Memoiren schrieb).<br />

Die Villa Melzi war 1837 Schauplatz der<br />

schon länger andauernden Liebesgeschichte<br />

zwischen der 32-jährigen verheirateten<br />

Gräfin Marie d’Agoult und dem 26-jährigen<br />

ledigen Klaviervirtuosen Franz Liszt. Noch<br />

im Dezember dieses Jahres kam in der<br />

Villa Melzi die (nach Blandine, 1835) bereits<br />

zweite gemeinsame Tochter Cosima zur<br />

Welt, die erst den Dirigenten Hans von<br />

Bülow und dann den Komponisten Richard<br />

Dante und Beatrice (1810) im<br />

Garten der Villa Melzi<br />

Villa Melzi mit Seeblick

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!