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Thalia magazine

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64 THALIA | Lieblingsbild<br />

Dorthe Nors – Mein Lieblingsbild<br />

Gespenst in meinem Haus<br />

Foto: © Vagn Hansen<br />

Tanja Blixen (1885–1962) in fortgeschrittenem Alter. Porträt des Fotografen Vagn Hansen.<br />

Im Eingangsbereich meiner Wohnung hängt ein Porträt von<br />

Karen Blixen, die in Deutschland unter dem Namen Tanja Blixen<br />

bekannt ist. Es ist das Porträt des Fotografen Vagn Hansen. Der<br />

Vermieter hat die Blixen an die Wand genagelt. Jetzt denkt ihr wahrscheinlich,<br />

eine dänische Autorin wie ich hat Karen Blixen im Eingang<br />

als ein Zeichen anzusehen, dass ich hier ins Haus gehöre. So ist es<br />

aber nicht ganz, denn ich habe Angst vor Karen Blixen. Denn die<br />

wahre Blixen hat leider nur sehr entfernt etwas mit der Hollywood-<br />

Figur zu tun. Wenn jüngere dänische Autoren in ihr ehemaliges Heim<br />

in Rungstedlund eingeladen werden, in dem heute die Dänische<br />

Akademie untergebracht ist, versuchen wir, ihren herumspukenden<br />

Geist nicht herauszufordern. Denn wie sagte ein jüngerer männlicher<br />

Schriftsteller kürzlich zu mir: „Ich glaube, die Baronesse ist ein heftiges<br />

Gespenst.“ Würde ich an Gespenster glauben, würde ich ihm recht<br />

geben. Für mich ist sie ein psychologisches Schreckensbeispiel. Als<br />

Mensch, als Frau, vielleicht sogar als Autorin.<br />

Wenn hin und wieder ausländische Literaten zu mir zu Besuch kommen<br />

und Karen Blixen in dieser mütterchenhaft anmutenden, runzligen<br />

Version im Eingangsbereich hängen sehen, sagen sie: Ach, da<br />

hängt ja Karen Blixen. Du musst sie wirklich lieben! Und dann nutze<br />

ich die Gelegenheit, ihnen zu erzählen, dass ich das Foto nicht selbst<br />

aufgehängt habe. Dass die Blixen eine der größten Erzählerinnen<br />

ihrer Zeit war. Aber dass sie auch ein kompliziertes Individuum gewesen<br />

ist, die gern junge, männliche Dichter um sich scharte, nicht,<br />

um sie sexuell auszunutzen, sondern zu psychologischen Experimenten.<br />

Sie verhörte sie, notierte sich ihre Ambitionen und Sehnsüchte,<br />

und verfuhr dann mit ihnen, als wären es Spielzeugautos. Dass sie<br />

andere Menschen wie Handpuppen in einem Stück Seelentheater<br />

benutzte, ließ sie zu einer großartigen Erzählerin werden. Aber genau<br />

das machte sie auch zu einem erschreckenden Menschen. Es macht<br />

Spaß, meinen Gästen von der wirklichen Blixen zu erzählen. Ich sehe<br />

schließlich, wie Meryl Streep sich in den meisten Köpfen festgesetzt

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