Jahresbericht 2009 - Murg Stiftung
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<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2009</strong> des Externen Psychiatrischen Dienstes<br />
Jugendgewalt und was wir dagegen<br />
tun können<br />
Dr. med. Gabriella Hunziker, Assistenzärztin<br />
12<br />
In letzter Zeit stehen täglich Berichte<br />
in den Zeitungen, in welchen beschrieben<br />
wird, wie wehrlose Frauen<br />
und Männer von Jugendlichen zusammengeschlagen<br />
werden. Die Meinung,<br />
als Erwachsene keinen oder<br />
nur wenig Einfluss auf gewalttätige<br />
Jugendliche zu haben, ist weit verbreitet. Ohnmacht und<br />
Resignation gegenüber der Gewalt ist aber nicht am Platz.<br />
Durch das Studium des Forschungsberichtes des Kriminologischen<br />
Instituts der Universität Zürich «Jugenddelinquenz<br />
im Kanton St. Gallen», bekommt man dazu eine ganz andere<br />
Meinung. Wir können sehr wohl etwas gegen die Jugendgewalt<br />
tun; wir sind ihr nicht ausgeliefert. Die Analyse zeigt<br />
zahlreiche Wege zur Vorbeugung und Intervention auf. Im<br />
Frühjahr 2008 wurden 5200 Schüler aus 338 Klassen des<br />
neunten Schuljahres des Kantons St. Gallen über erfahrene,<br />
wie auch begangene Delikte befragt. Obwohl die Teilnahme<br />
freiwillig war, haben 90 Prozent der Klassen die Fragebogen<br />
beantwortet. Der Bericht zeigt auf, dass die Gewalt mit Faktoren<br />
wie unvollständiger Familie, Migrationshintergrund,<br />
schwachen Schulleistungen, geringer elterlicher Kontrolle,<br />
häufigen abendlichen Ausgängen, Konsum von grossen<br />
Mengen an Alkohol oder Drogen und gewissen Erscheinungen<br />
im Umfeld der Schule (Fernbleiben vom Unterricht,<br />
Durchsetzung von Regeln) zusammenhängt.<br />
Emotionale Bindung zur Schule<br />
Rund 26 Prozent aller Schüler der dritten Oberstufenklassen<br />
des Kantons St. Gallen gaben an, dass sie in ihrem bisherigen<br />
Leben mindestens einmal eine Gewalttat (Körperverletzung,<br />
Gruppenschlägerei, Raub oder sexuelle Gewalt) begangen<br />
haben. Die Studie fand heraus, dass es einen starken Zusammenhang<br />
zwischen der emotionalen Bindung zur Schule<br />
und dem delinquenten Verhalten gibt. Jugendliche mit einer<br />
positiven Schulbindung begehen seltener strafbare Handlungen.<br />
Derselbe Zusammenhang besteht auch zwischen<br />
Schulbindung und Gewalt. Eine positive emotionale Schulbindung<br />
wirkt sich aber nicht nur auf die Gewalttätigkeit<br />
in der Schule aus, sondern in gleichem Masse auch auf jene<br />
ausserhalb der Schule.<br />
Freizeitfaktoren<br />
Die Studie untersuchte auch, inwiefern Freizeitaktivitäten<br />
und Ausgehverhalten mit Gewalt in Zusammenhang stehen.<br />
Die Ergebnisse sind eindeutig: Gewalttätige Jugendliche<br />
üben folgende ausserhäusliche Aktivitäten häufiger aus als<br />
nichtgewalttätige Jugendliche: Sie gehen in Discos, an Partys<br />
oder Konzerte, verbringen mehr Zeit in Restaurants, Bars<br />
oder Jugendtreffs, hängen einfach so an öffentlichen Orten<br />
oder bei Freunden zu Hause rum. Zuhause surfen sie häufiger<br />
im Internet oder spielen Computerspiele. Gewalttätige<br />
Jugendliche spielen zu Hause seltener ein Musikinstrument<br />
oder lesen ein Buch. Auch unternehmen sie weniger oft etwas<br />
mit ihren Eltern. Jugendliche, deren Eltern eine starke<br />
Kontrolle ausüben, begehen massiv weniger Delikte als Jugendliche,<br />
deren Eltern nur selten Bescheid wissen, wann,<br />
mit wem und wohin ihre Kinder am Abend fortgehen.<br />
SIG OR<br />
Körperverletzung *** 3.1<br />
11.6<br />
starke elterliche Kontrolle<br />
26.5 schwache elterliche Kontrolle<br />
Gruppenschlägerei *** 3.5<br />
13.1<br />
30.2<br />
Raub *** 3.5 2.5<br />
8.2<br />
sexuelle Gewalt ** 3.0<br />
0.6<br />
1.8<br />
Ladendiebstahl *** 2.4<br />
23.9<br />
43.2<br />
sonstiger Diebstahl *** 2.2<br />
21.3<br />
37.2<br />
Velo-/Mofadiebstahl *** 3.9<br />
10.7<br />
32.1<br />
Einbruch *** 6.1<br />
1.8<br />
9.9<br />
Vandalismus *** 4.0<br />
16.5<br />
44.3<br />
Waffentragen *** 4.1<br />
11.8<br />
35.6<br />
Drogenverkauf *** 4.2<br />
7.5<br />
25.3<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Jahresprävalenz (in %)