Jahresbericht 2009 - Murg Stiftung
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<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2009</strong> des Externen Psychiatrischen Dienstes<br />
Frauen und Migration<br />
Rosemary Capt, Dipl. Sozialarbeiterin FH<br />
16 Die Bewältigung von Lebenskrisen in<br />
Migrantenfamilien ist eine Themenstellung,<br />
mit der sich Sozialarbeitende<br />
regelmässig konfrontiert sehen.<br />
Nicht selten kann von einer «Multiproblemfamilie»<br />
(vgl. <strong>Jahresbericht</strong><br />
2008) gesprochen werden, also von<br />
Familien, die sich mit vielfältigen Problemen in den unterschiedlichsten<br />
Lebensbereichen bewegen.<br />
Ich möchte hier den Fokus auf Migrantinnen richten. Welche<br />
Herausforderungen stellen sich den Frauen im Aufnahmeland<br />
vermehrt?<br />
Weltweit sind mehr als die Hälfte der Migrantinnen und<br />
Migranten Frauen. In der Schweiz sind es 47 Prozent. Frauen<br />
mit vielfältigen Bildungshintergründen wandern in die<br />
Schweiz ein. Es wird von einer Feminisierung der Migration<br />
gesprochen, da Frauen häufig aus individuellen Gründen<br />
migrieren und nicht wie oft angenommen, als Frauen von<br />
Migrationswilligen mitreisen. Verschiedene Faktoren beeinflussen<br />
den Entscheid zur Einwanderung. «Pushfaktoren»<br />
wie politische und religiöse Verfolgung, Wirtschaftskrisen,<br />
Kriege oder Umweltkatastrophen. «Pullfaktoren» wie gute<br />
Wirtschaftslage, bessere Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten,<br />
Familienzusammenführung, demokratische Strukturen<br />
und religiöse Glaubensfreiheit.<br />
Je besser die Aufnahmegesellschaft auf die Integration von<br />
Migrantinnen vorbereitet ist, desto erfolgreicher entwickelt<br />
sich die Eingliederung der Frauen in ihr neues Umfeld. Im<br />
Medienbericht der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen<br />
(vgl. EKM, <strong>2009</strong>) wird jedoch von inadäquaten<br />
und nicht gender-gerechten Integrationsprogrammen gesprochen<br />
und einer daraus entstehenden stigmatisierenden,<br />
diskriminierenden und intoleranten Umgebung für Migrantinnen.<br />
Über Generalisierungen werden häufig traditionelle Geschlechterbilder<br />
auf Migrantinnen übertragen. Es entsteht<br />
der Eindruck, dass Migrantinnen «nur» Familienfrauen sind.<br />
Bei Männern wird in den Vordergrund gestellt, was sie tun<br />
und wo sie arbeiten. Frauen werden jedoch über ihre Nationalität<br />
und den zivilen Status vorgestellt, was zu gängigen<br />
Klischees führt. Auch werden Frauen häufig als Opfer dargestellt,<br />
als Opfer ihrer Ehemänner, Familien, Traditionen<br />
und Religionen.<br />
Die Migration kann zu einer Stärkung wie auch zu einer<br />
Schwächung der Position der Frauen führen und daraus können<br />
Rollenverschiebungen innerhalb von Familiensystemen<br />
entstehen. Patriarchate Familienstrukturen schaffen für viele<br />
Migrantinnen Abhängigkeiten und Zwänge von Traditionen.<br />
Durch Konfrontationen mit neuen Frauenbildern, dem<br />
Wertewandel und neuem Kulturverständnis im Aufnahmeland<br />
jedoch gleichen sich die Rollen zwischen Frauen und<br />
Männern an. Veränderungen der Aufgabenteilung können<br />
eine Folge davon sein. In der Rolle der Ehefrau und Mutter,<br />
aber auch als Arbeitende im Haus und ausserhäuslichen<br />
Beschäftigungen, als Kulturvermittlerin und nicht selten als<br />
Pflegende der Angehörigen hat sie eine hohe Verantwortung<br />
im Erhalt der Familienstrukturen und dadurch eine tragende<br />
Funktion.<br />
Migrantinnen sehen sich mit diversen Problembereichen<br />
konfrontiert. Mangelnde Informationen, Nichtbeherrschung<br />
der Sprache und das Unverständnis für die im Migrationsland<br />
gelebte Kultur verursachen Verunsicherungen, Adaptionsschwierigkeiten,<br />
Überforderungen und Ängste. Dabei<br />
werden Spannungen in vielen Lebensbereichen ausgelöst,<br />
die zu einem Kultur- und Identitätsverlust und Hinterfragung<br />
von religiösen Loyalitäten führen, eventuell verschärft<br />
durch unverarbeitete Traumatas aus ihrem Heimatland.<br />
Für die Mitarbeitenden der Sozialberatung verhilft Kulturverständnis<br />
zu einer Annäherung migrationsspezifischer<br />
Themenstellungen und ermöglicht den Einbezug ganzheitlicher<br />
Sichtweisen. Durch die «Migrationsbrille» gesehen<br />
können Sozialarbeitende auf die Mehrfachbelastungen der<br />
Frauen eingehen und in die Hilfestellungen mit einbeziehen.<br />
Im 2010 plant der EPD Sirnach eine Gesprächsgruppe<br />
für Frauen mit Migrationshintergrund. Diese Plattform soll<br />
den Frauen Möglichkeiten für Reflexionen auf ihre Probleme<br />
bieten.<br />
Quellenverzeichnis<br />
Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen (EKM),<br />
(<strong>2009</strong>): Frauen in der Migration. Gefunden am 23.01.10<br />
unter http://www.ekm.admin.ch/de/dokumentation/doku/<br />
mat_frauen_d.pdf<br />
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