Karin Lange Amoklauf von damals zu konfrontieren. Gabriele Sonsmann, Verwaltungsdirektorin <strong>de</strong>s Marienkrankenhauses, das erste Verletzte aufnahm, erinnert sich, dass die Ärzte damals nicht sofort durch die Polizeibarrika<strong>de</strong>n kamen. „Jetzt gibt es Absprachen mit <strong>de</strong>r Polizei, damit so etwas nicht mehr passieren kann“, sagte Sonsmann Sieger in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>s Spiels Geht es um gewalttätige Vi<strong>de</strong>ospiele im Internet, wie Counter-Strike o<strong>de</strong>r doom, dann ist Sebastian, von seinen Mitschülern „Basti“ genannt, nicht mehr zurückgezogen. Er ist dann in seiner Welt, dann wird er aktiv. Sogar <strong>bei</strong> Kriegsspielen im Wald steht er – teils schwer bewaffnet im Tarnanzug – in vor<strong>de</strong>rster Front. Jugendforscher Professor Klaus Hurrelmann bringt es wie folgt auf <strong>de</strong>n Punkt: „In <strong>de</strong>r fiktiven Welt <strong>de</strong>s Spiels war er kein Verlierer, er fühlte sich stark.“ Selbsthass <strong>und</strong> Erniedrigung Sein Internettagebuch gleicht erschrecken<strong>de</strong>n Hassäußerungen. „Ich lerne nicht mehr, ich beteilige mich nicht mehr <strong>und</strong> ich tue eigentlich gar nichts mehr, außer vor mich hinvegetieren. Es ist die Hölle auf Er<strong>de</strong>n…“, heißt es in einem Eintrag vom 7. Juli 2005. Sebastian B. fühlt sich erniedrigt, ge<strong>de</strong>mütigt sowohl von Lehren als auch von Mitschülern. „Ich hasse es immer <strong>de</strong>r Doofmann für alle zu sein“, schrieb er am 23. Mai. Zuvor berichtet er über seelische W<strong>und</strong>en, die ihm vor allem zwischen <strong>de</strong>r 5. <strong>und</strong> 8. Klasse zugefügt wor<strong>de</strong>n seien. Einmal sei ihm ein glühen<strong>de</strong>r Fahrradschlüssel auf <strong>de</strong>r Hand ausgedrückt wor<strong>de</strong>n. Letzte Zuflucht: Netzwelt Experten meinen, es sei ein <strong>de</strong>utliches Warnzeichen, wenn Jugendliche nur noch vor <strong>de</strong>m PC sitzen. Gera<strong>de</strong> <strong>bei</strong> jungen Männern seien oft psychische Krankheiten schuld, dass sie sich in die virtuelle Welt <strong>de</strong>s Internets stürzen. „Die Betroffenen ziehen sich <strong>de</strong>primiert in eine an<strong>de</strong>re Welt zurück. Sie flüchten aus <strong>de</strong>r Realität“, sagt Bert te Wild von <strong>de</strong>r Medizinischen Hochschule Hannover. Innerhalb einer Studie untersuchte er 23 Proban<strong>de</strong>n, die sich über einen langen Zeitraum täglich mehr als sechs St<strong>und</strong>en im Internet aufgehalten haben. Das Ergebnis: Von <strong>de</strong>n Untersuchten wiesen 80 Prozent Depressionen auf, an<strong>de</strong>re Angst- o<strong>de</strong>r Persönlichkeitsstörungen. Ein Mensch wie Sebastian B. passe genau in dieses Bild, sagte Wildt. In <strong>de</strong>r Realität habe sich <strong>de</strong>r 18-jährige zum ständigen Verlierer <strong>und</strong> als „Doofmensch“ abgestempelt gefühlt. Dagegen habe er sich im Internet in Kampfvi<strong>de</strong>os als mächtigen Mann darstellen können. Bezogen auf die Internetforen habe ihn niemand unterbrochen o<strong>de</strong>r ausgelacht. Das Internet wur<strong>de</strong> als Möglichkeit gesehen, vor <strong>de</strong>r Krankheit wegzulaufen. „Online fin<strong>de</strong>n sie oft, was ihnen im richtigen Leben fehlt: Kontakte, Gruppengefühl, vielleicht sogar eine Romanze“, sagte Wildt. Dieses führe <strong>bei</strong> machen Menschen so weit, dass sie sich etwa mehr als 15 St<strong>und</strong>en pro Tag in Online-Rollenspiele zurückziehen <strong>und</strong> da<strong>bei</strong> verwahrlosen. „Ich kenne Fälle, da wur<strong>de</strong> bis zur Räumungsklage keine Miete mehr gezahlt, nicht mehr gegessen <strong>und</strong> nicht mehr ans Telefon gegangen“. Die Waffe vermittelt für kurze Zeit ein Gefühl <strong>de</strong>r totalen Kontrolle Die Amoktäter Robert S., Sebastian B., Matti S. <strong>und</strong> jetzt Tim K. haben nicht durch Zufall ähnliche Lebensläufe. In ihrem Leben fan<strong>de</strong>n sie sich nicht mehr zurecht, sie fühlten sich ge<strong>de</strong>mütigt; sie waren jung, männlich <strong>und</strong> frustriert. Laut Aussage von Joachim Kersten, Soziologe an <strong>de</strong>r Deutschen Hochschule <strong>de</strong>r Polizei in Münster, haben die Täter einen gemeinsamen Auftritt, ob Erfurt, Ems<strong>de</strong>tten, Finnland o<strong>de</strong>r jetzt Winnen<strong>de</strong>n. Weiter- Warum passierte, was passiert ist? Diese Frage verfolgt die Überleben<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Amoklauf genauso beharrlich, wie die grausigen Bil<strong>de</strong>r vom Geschehen. hin erklärt Kersten: „Durch Demütigungen, die <strong>de</strong>r Täter ertragen hat, sieht er sich selbst als Opfer“. Die negativen Ereignisse, die diese jungen Männer erfahren, empfin<strong>de</strong>n sie schnell als Kränkungen. „Der Täter ist isoliert, aber auch kein Unbekannter seiner Umgebung“, sagt Kersten. Eine zurückhalten<strong>de</strong>, eher fre<strong>und</strong>liche Art sei typisch. Oft habe <strong>de</strong>r Täter ein Problem mit seinem Selbst, als schwach <strong>und</strong> klein empfin<strong>de</strong>t er sich. Gepaart mit <strong>de</strong>r Faszination für Waffen <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Gedanken an Gewalt wer<strong>de</strong> die „Selbstaufrichtung“ zum zentralen Thema seines Lebens, so Kersten. Der Nachahmungseffekt kann Auslöser für eine Tat sein, ergänzt Kersten. Von <strong>de</strong>m Amokschützen wird die Gewalthandlung regelrecht inszeniert. Der Täter nimmt da<strong>bei</strong> seinen eigenen Tod in Kauf. Wenn er die Bil<strong>de</strong>r eines an<strong>de</strong>ren Massakers sieht, so will er genauso groß <strong>und</strong> beherrschend sein, wie das, was er sich angeschaut hat, erklärt Kersten. Zum typischen Profil <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> gehöre, dass <strong>de</strong>r Täter über Waffen verfügt, wie in Winnen<strong>de</strong>n. Laut Experte han<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r Täter nicht im Affekt. Vielmehr sei die Tat <strong>de</strong>r Abschluss unbewältigter Konflikte <strong>und</strong> einer oft jahrelangen Fehlentwicklung. Als „Moving targets“ (Ziele in Bewegung) nimmt <strong>de</strong>r Amokläufer Menschen nur noch wahr. Kersten erklärt, „er erlebe <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s inneren Selbst“. Trotz<strong>de</strong>m die Steuerung <strong>de</strong>r Impulse ausgeschaltet ist, wirkt er während <strong>de</strong>r Bluttat kontrolliert, berechnend <strong>und</strong> klar; schießt jedoch wahllos auf alles was sich bewegt, für ihn erkennbar noch lebt. Lehrer <strong>und</strong> Schüler, von <strong>de</strong>nen er sich beleidigt fühlt, können die ersten Opfer sein, sagt Kersten. Dann schießt er willkürlich. Die Frage, auf die es nie eine Antwort geben wird: Warum passierte, was passiert ist? Diese Frage verfolgt die Überleben<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Amoklauf genauso beharrlich wie die grausigen Bil<strong>de</strong>r vom Geschehen. Literatur <strong>und</strong> Quellenangaben: Der Spiegel Nr. 12/16.März 2009, S. 31 ff., FOCUS Nr. 12/16. März 2009 S.27 ff., Rheinische Post, Donnerstag 12. März 2009, A3 Land & Leute/A4 Politik, www.wdr.<strong>de</strong> themen/panorama, H. Scheithauer/R. Bondü, Amoklauf/Wissen was stimmt, Verlag Her<strong>de</strong>r Freiburg im Breisgau 2008 23
Danksagung www.VDPolizei.<strong>de</strong> VIELEN DANK! Liebe Inserenten! Mit <strong>de</strong>r Beteiligung in <strong>de</strong>r Festschrift anlässlich unseres <strong>Polizeiball</strong>es haben Sie uns sehr geholfen. Wir danken Ihnen dafür sehr herzlich! Liebe Leser! Alle Inserate dieser Festschrift verdienen Ihre Aufmerksamkeit. Bitte berücksichtigen Sie diese Unternehmen bevorzugt <strong>bei</strong> Ihrer nächsten Disposition. Ihre Gewerkschaft <strong>de</strong>r Polizei Kreisgruppe Harburg Hinweis: Der nächste <strong>Polizeiball</strong> fin<strong>de</strong>t am 05. März 2011 statt! Liebe Unternehmer <strong>und</strong> Sponsoren, vielen Dank für die fre<strong>und</strong>lichen Gespräche <strong>und</strong> die rege Beteiligung auch in diesem Jahr. Ich wünsche Ihnen viele gute Geschäfte <strong>und</strong> verbleibe bis auf Weiteres mit herzlichen Grüßen Stefan Gröbel 15