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Max Ernst - Artinside - Das Museumsmagazin der Region Basel

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Mademoiselle Léonie, 1910<br />

28<br />

“<br />

Es gibt noch solche kubistischen Gemälde in Basler Privatbesitz!<br />

Ein Gemälde aus dem Jahr 1910, die Mademoiselle Léonie. Hier möchte<br />

Picasso den Porträtkopf, <strong>der</strong> nicht wirklich ein Porträtkopf ist, in Flächen<br />

auflösen. Auf den ersten Blick denkt man, das Bild nähere sich<br />

<strong>der</strong> Abstraktion, und es gab auch keine echte Mademoiselle Léonie –<br />

den Namen hatte er aus einem Roman. Doch im Nachlass Picassos<br />

sind zahlreiche Fotos aufgetaucht, und eine dieser Fotografien zeigt<br />

eine Schauspielerin in Barcelona, nach <strong>der</strong> er dieses Bild gemalt haben<br />

muss.<br />

Wenn man die Fotografie mit dem Bild vergleicht – die runde<br />

Gesichtsform, die Haarlocke – dann hat das Gemälde fast eine Porträtähnlichkeit,<br />

die wirklich verblüffend zutreffend ist. Picasso nutzt<br />

dabei eine Technik, wie sie Karikaturisten verwenden: Intuitiv erfasst<br />

er charakteristische Merkmale einer Person, die er dann gezielt einsetzt.<br />

Dann reduziert er alles Übrige und schaut, wie viel Abstraktion<br />

er zulassen kann. Er hat diese Grenzen bewusst ausgelotet, denn<br />

<strong>der</strong> ganze Spass fällt natürlich in sich zusammen, wenn man sagt: Ich<br />

mach nur noch vier Ecken. Picasso ist einer <strong>der</strong> wichtigsten Pioniere<br />

<strong>der</strong> abstrakten Kunst, aber es gibt quasi kein wirklich abstraktes Werk<br />

von Picasso, weil er immer in diesem Spannungsverhältnis geblieben<br />

ist und die Realität bewusst nie ganz verlassen hat.<br />

” Nina Zimmer<br />

Pablo Picasso, Mademoiselle Léonie, 1910<br />

La tasse (Le bouillon KUB), 1912<br />

“<br />

Diese Trouvaille haben wir beson<strong>der</strong>s gerne. Diese ganz kleine Holztafel als Depositum<br />

aus Privatbesitz. Sie stammt aus dem Jahr 1912, gegen Ende des Kubismus, und weil das Bild so<br />

klein ist, können wir es nur selten hängen. Picasso erlaubt sich hier einen Witz. Der Ausdruck<br />

Kubismus wurde von <strong>der</strong> Kunstkritik als Schimpfbegriff verwendet. Die Maggi-Suppenwürfel,<br />

in Frankreich «Bouillon CUBE» genannt, hatten damals eine Werbekampagne, in <strong>der</strong> sich<br />

<strong>der</strong> Suppenwürfel dreidimensional auflöste. <strong>Das</strong> war für Picasso ein gefundenes Fressen. Die<br />

Bouillon Kub, das wörtliche Auflösen dieses Würfels, setzte er auf diesem Bild um: Er würfelt<br />

das ganze Stillleben auf, löst das Bild auf und nennt es schlicht «Die Tasse».<br />

Er macht sich nicht nur einen Spass daraus, er tut dies auch mit grosser Unbeirrbarkeit.<br />

Diese Sicherheit ergab sich aus <strong>der</strong> Konstellation mit Georges Braque, mit dem er ja gemeinsam<br />

den Kubismus entwickelt hatte. Die beiden waren sich gegenseitig Stütze – sie waren<br />

füreinan<strong>der</strong> auch ihr eigenes Publikum. Vielleicht hat er das Bild auch für Braque gemalt, um<br />

diesen Witz für ihn zu formulieren.<br />

” Nina Zimmer<br />

Pablo Picasso, Bouteille sur une table, 1912<br />

Bouteille sur une table, 1912<br />

“<br />

Dies ist ein revolutionäres Werk, auch wenn es bescheiden daherkommt.<br />

Denn in <strong>der</strong> Phase des Kubismus ist auch im Bereich <strong>der</strong><br />

Zeichnung bei Picasso extrem viel passiert. Die Künstler begannen,<br />

ein Stück Zeitungspapier o<strong>der</strong> Tapete aufs Zeichnungspapier zu kleben<br />

– eine Neuerung, die bis heute die Kunst prägt. Gerade heute ist<br />

die Collage wie<strong>der</strong> sehr aktuell.<br />

Bis zu jenem Zeitpunkt war das Bild o<strong>der</strong> die Zeichnung eine Fläche,<br />

auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Künstler die Illusion des Raumes, die Dreidimensionalität<br />

erreichen wollte. Durch die Collage wurde mit dieser Illusion<br />

radikal gebrochen. Aus dieser Zeit sind nur ganz wenige Werke erhalten.<br />

Picasso hat auch mit aufgeklebtem Papier relief-artige Werke geschaffen.<br />

Damit kamen die klassischen Kategorien in Bewegung, und<br />

es stellte sich die Frage: Was ist nun Bild, was kommt in den Raum<br />

– wo ist <strong>der</strong> Übergang vom Bild zur Skulptur? Picasso hat dann aus<br />

einigen dieser Werke auch grosse Collagen gemacht, er hat diese als<br />

Studienmaterial für weitere Werke verwendet.<br />

Anita Haldemann<br />

Pablo Picasso, Étude pour «les Demoiselles d’Avignon», Mai 1907<br />

”<br />

Esquisse pour «les Demoiselles d'Avignon»<br />

Étude pour «les Demoiselles d'Avignon»<br />

“<br />

Diese beiden Zeichnungen sind Geschenke: Die rechte Skizze behielt<br />

Picasso sechzig Jahre lang in seinem Atelier, schenkte sie nach <strong>der</strong><br />

Volksabstimmung im Jahre 1967 dem Kunstmuseum <strong>Basel</strong>. Die linke Skizze,<br />

die etwas später entstanden ist, hat uns Douglas Cooper geschenkt,<br />

ein enger Freund von Picasso, einfach weil er so begeistert war von <strong>der</strong><br />

Basler Kubismus-Sammlung. Insgesamt hat Picasso für sein wohl bedeutendstes<br />

Werk Les Demoiselles d'Avignon 19 Vorzeichnungen gefertigt und<br />

diverse kleine «Carnets» mit diesem Motiv gefüllt. Er brauchte einfach<br />

eine gewisse Zeit, um dieses Motiv zu entwickeln und so radikal werden<br />

zu lassen.<br />

Picasso hat hier ein Motiv des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, eine Bordellszene, genommen<br />

und alle narrativen Elemente weggelassen und verbindet die<br />

schon fast aggressiv wirkende kommerzielle Sexualität dieser Frauen mit<br />

<strong>der</strong> afrikanischen Skulptur, die fremd, archaisch und wild wirkt. Zusätzlich<br />

zu seiner neuen Formenspache, macht diese Verbindung, auf revolutionäre<br />

Art das Mo<strong>der</strong>ne in diesen Werken aus.<br />

Anita Haldemann<br />

Pablo Picasso, Esquisse pour «les Demoiselles d’Avignon», März/April, 1907<br />

”<br />

29<br />

<strong>Artinside</strong><br />

Pablo Picasso, La tasse (Le bouillon KUB), 1912<br />

The Picassos Are Here! Pablo Picasso (1881–1973) is a key figure of twentieth-century art. With his<br />

ample and multifaceted oeuvre, he shaped the course of mo<strong>der</strong>n art like no other artist. The Kunstmuseum<br />

presents a major retrospective of Picasso’s oeuvre. Taking up the entire second floor, it consists exclusively<br />

of works from collections in <strong>Basel</strong>. The first-rate Picassos held by the Kunstmuseum <strong>Basel</strong> and the<br />

Fondation Beyeler will be on display beneath the same roof for the first time ever, complemented by<br />

paintings from numerous private collections in <strong>Basel</strong>. Bringing together these holdings from numerous<br />

len<strong>der</strong>s allows us to build a comprehensive retrospective that illustrates all major periods in Picasso’s<br />

oeuvre at the highest level of quality, and to juxtapose the artist’s paintings, sculptures, drawings, and<br />

prints so as to reveal the interplay between the different media. It is not accidental that <strong>Basel</strong> possesses<br />

such eminent Picasso holdings. Collectors like Raoul La Roche, Rudolf Staechelin, Karl Im Obersteg, and<br />

Maja Sacher-Stehlin built substantial portfolios even before the Second World War. In 1967, enthusiastic<br />

support from the people of <strong>Basel</strong> made the acquisition of important paintings possible; Picasso personally<br />

expressed his appreciation by donating prominent works to the City.<br />

<strong>Artinside</strong>

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