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Max Ernst - Artinside - Das Museumsmagazin der Region Basel

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Light Shining Darkly<br />

Christopher Orr im Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

von Sabine Schaschl*<br />

40<br />

Der britische Künstler Christopher Orr,<br />

<strong>der</strong> zu den eindrucksvollsten Malern<br />

<strong>der</strong> Gegenwart zählt, zeigt im Kunsthaus<br />

<strong>Basel</strong>land nebst Arbeiten <strong>der</strong> letzten Jahre<br />

auch speziell für die Ausstellung entstandene<br />

Werke. In seinen Malereien verbinden<br />

sich Landschaftsausschnitte, die an die Old<br />

Masters <strong>der</strong> Kunstgeschichte erinnern, mit<br />

Figuren, die dem 20. Jahrhun<strong>der</strong>t zu entspringen<br />

scheinen. Abgetrennte zeitliche Momente<br />

verschmelzen, Unvereinbares kann zusammen<br />

gelesen werden, Altes und Neues verbindet<br />

sich und bildet zusammen mit dem Betrachter<br />

eine Verbindung mit <strong>der</strong> Gegenwart.<br />

Christopher Orr malt meist an mehreren<br />

Bil<strong>der</strong>n gleichzeitig. Als wichtiger Fundus<br />

für seinen Schaffensprozess erweist sich<br />

dabei sein Bildarchiv, bestehend aus alten<br />

Magazinen (allen voran «National Geographic»)<br />

aus den 30er- bis 70er-Jahren und Büchern.<br />

Werke von Tiepolo, Vermeer, Bosch,<br />

Hals, van Eyck, Caravaggio und an<strong>der</strong>en sind<br />

konzeptuelle Vorbil<strong>der</strong>, auf die <strong>der</strong> Künstler<br />

immer wie<strong>der</strong>, v.a. in Details, zurückgreift.<br />

Zu seinem Archiv zählen auch thematische<br />

Bildsammlungen, die beispielsweise Wissenschaftliches,<br />

Mystisches o<strong>der</strong> Sphärisches<br />

gruppieren. Viele <strong>der</strong> Figuren, Objekte,<br />

Landschaften und die Tätigkeiten <strong>der</strong> Figuren<br />

entstammen dem Archiv. Der Künstler fügt<br />

sie collageartig aus verschiedenen Quellen<br />

zusammen, indem er sie zunächst in seinem<br />

Skizzenbuch konzipiert und zeichnet. Die daraus<br />

hervorgehenden, meist kleinformatigen<br />

und mit hoher Handfertigkeit produzierten<br />

Ölmalereien verlocken zum detaillierteren Betrachten,<br />

wobei nicht nur die Pinselführung,<br />

die sowohl auf- als auch abträgt, auffällt, son<strong>der</strong>n<br />

auch die Brüche in <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung von<br />

Zeitlichkeit.<br />

41<br />

<strong>Artinside</strong><br />

Christopher Orr, The Gloaming, 2007,<br />

Der Titel <strong>der</strong> Ausstellung – Light Shining<br />

Darkly – spielt mit dem Spannungsgefüge,<br />

das zwischen den Bedeutungen von hell, dunkel,<br />

mystisch, übernatürlich o<strong>der</strong> unheimlich laviert.<br />

Die Landschaftsausschnitte, in denen<br />

die einzelnen Protagonisten wirken, sind<br />

meist durch beson<strong>der</strong>e Lichtstimmungen<br />

charakterisiert. Mal gibt eine Nachtlandschaft<br />

mit einfallendem, diffusem Lichtkegel<br />

den Blick auf Spaziergänger frei, mal<br />

stehen Menschen vor einem Felsabhang<br />

o<strong>der</strong> es spielen sich unerklärliche Szenen<br />

im tiefsten Nachtwald ab. Immer wie<strong>der</strong> ist<br />

es <strong>der</strong> spezifische Einsatz <strong>der</strong> Lichtinszenierung,<br />

welcher den Bildmotiven bereits auf<br />

den ersten Blick einen Twist hin zum Unheimlichen<br />

gibt. Die Art und Weise, wie <strong>der</strong><br />

Mensch in <strong>der</strong> Landschaft verortet ist, gibt<br />

Anknüpfungspunkte für die Philosophie des<br />

Erhabenen, in welcher sich <strong>der</strong> Mensch angesichts<br />

<strong>der</strong> Unerreichbarkeit und Grösse <strong>der</strong><br />

Natur klein und überwältigt fühlt.<br />

Die motivischen Diskrepanzen, die Hell-<br />

Dunkel-Dramaturgie <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> und das<br />

Auseinan<strong>der</strong>fallen von Zeitlichkeiten lassen<br />

Spielraum für eine eigene individuelle Erzählung.<br />

Christopher Orr ist sozusagen <strong>der</strong><br />

Regisseur für unsere Filme im Kopf.<br />

*Sabine Schaschl war bis April 2013 Direktorin<br />

des Kunsthaus <strong>Basel</strong>land und Kuratorin <strong>der</strong> Ausstellung.<br />

Ab Mai übernimmt sie die Direktion des<br />

Museums Haus Konstruktiv in Zürich.<br />

Christopher Orr<br />

Light Shining Darkly<br />

20.04.2013 – 30.06.2013<br />

Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

www.kunsthausbaselland.ch<br />

Disasters and Miracles<br />

Laurent Grasso im Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

Der französische Künstler Laurent<br />

Grasso hat für die Ausstellung im<br />

Kunsthaus <strong>Basel</strong>land eine Reihe von<br />

neuen Arbeiten entwickelt und zusammen<br />

mit einigen bestehenden eine Gesamtkonzeption<br />

erstellt, die u.a. auf historische Ereignisse<br />

in <strong>der</strong> Schweiz und <strong>Basel</strong> zurückgreift.<br />

Der Künstler ist in den letzten Jahren kontinuierlich<br />

zu einem <strong>der</strong> erfolgreichsten Gegenwartskünstler<br />

avanciert. Grassos Werk,<br />

das verschiedene mediale Formen annehmen<br />

kann und Videos, Malerei, Fotografie, Neonarbeiten<br />

ebenso wie Skulptur und Architektur<br />

beinhaltet, ist von einer stark narrativen<br />

Komponente geprägt. Die aufgegriffenen<br />

Themen basieren auf wissenschaftlichen Beobachtungen,<br />

Astronomie, menschlichen<br />

Urängsten, Aberglauben, Science-Fiction<br />

und Mythologien. Grassos neuester Film<br />

Uraniborg (2012) beispielsweise handelt vom<br />

gleichnamigen Palast auf <strong>der</strong> schwedischen<br />

Insel Ven, in welchem <strong>der</strong> Astronom Tycho<br />

Brahe zwanzig Jahre lang die Sterne und<br />

Planetenbewegungen studierte. Der Palast<br />

von Sabine Schaschl*<br />

Laurent Grasso, Installationsansicht, Disasters and Miracles, 2013,<br />

Laurent Grasso<br />

Disasters and Miracles<br />

20.04.2013 – 30.06.2013<br />

Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

www.kunsthausbaselland.ch<br />

mit zahlreichen Öffnungen zur Himmelsbeobachtung<br />

war damals das grösste Observatorium<br />

in Europa. Der Film nimmt eine dokumentarische<br />

Haltung ein und versucht,<br />

dem nachzuspüren, was von Brahes Wirken<br />

übrig blieb, wobei ein Voice-Off die nicht<br />

mehr existierende Architektur in das Bild zurück<br />

bringt.<br />

In einer Reihe von neuen Werken fokussiert<br />

<strong>der</strong> Künstler auf Katastrophen und Wun<strong>der</strong>.<br />

In Bil<strong>der</strong>n mit einem breiten Messingrahmen<br />

erzählen jeweils eine Jahreszahl und eine<br />

Malerei von verschiedenen Vorkommnissen:<br />

<strong>Das</strong> Basler Erdbeben von 1356 galt als eines<br />

<strong>der</strong> stärksten in <strong>der</strong> Schweiz, das zahlreiche<br />

Todesopfer for<strong>der</strong>te und auch Teile des Basler<br />

Münsters zum Einsturz brachte. Der darauf<br />

folgende Brand steigerte die Zahl <strong>der</strong> Toten<br />

und den Schaden noch weiter. Ein weiteres<br />

Bild greift das Erdbeben von 1456 in Neapel<br />

auf. Ein Tsunami am Vierwaldstättersee in<br />

Luzern wurde 1601 ausgelöst, als zahlreiche<br />

Erdbeben die unteren geologischen Schichten<br />

des Sees in Bewegung versetzten. Die Flutwellen<br />

waren bis zu vier Meter hoch, warfen<br />

Schiffe an Land und überfluteten die umgebende<br />

<strong>Region</strong>. Den Katastrophen gegenüber<br />

steht ein Werk, das sich auf das Wun<strong>der</strong> von<br />

Fatima bezieht. Im Jahre 1917 wollen drei Hirten<br />

eine Erscheinung <strong>der</strong> Muttergottes gesehen<br />

haben. Für Grasso steht dieses Wun<strong>der</strong>,<br />

für das es keine wissenschaftlichen Beweise<br />

gibt, in einer Reihe mit Ereignissen, die in<br />

<strong>der</strong> Geschichte immer wie<strong>der</strong> kreiert wurden,<br />

um einen Apparatus <strong>der</strong> Kontrolle und Macht<br />

am Leben zu erhalten.<br />

Die Ausstellung im Kunsthaus <strong>Basel</strong>land<br />

greift auch architektonisch die Idee einer Reise<br />

durch verschiedene Zeiten, Themen und<br />

geschichtliche bzw. pseudo-geschichtliche<br />

Momente auf. Wie in einer Zeitreise erleben<br />

wir die Wirkung von Wun<strong>der</strong> und Desaster,<br />

von mystischen Überlieferungen und die<br />

Wirkungen von Aber- und Irrglauben. Grasso<br />

führt uns an die Grenzen von Realität und<br />

Fiktion, Glauben und Wissen. Wir tauchen in<br />

ein Labyrinth ein und verlassen es sicherlich<br />

an<strong>der</strong>s, als wir es betreten haben.<br />

<strong>Artinside</strong>

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