aktuell 02/13 - vbw
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Interview<br />
die baden-württembergische Wohnungswirtschaft<br />
hierdurch?<br />
Öner: Für die baden-württembergische<br />
Wohnungswirtschaft bedeutet dies, ergänzende<br />
Finanzmittel für die große Aufgabe<br />
der energetischen Sanierung als Bestandteil<br />
der Energiewende erhalten zu<br />
können. Wie hoch die Finanzmittel sein<br />
werden, lässt sich derzeit nicht genau beziffern,<br />
da der Verteilungsschlüssel und<br />
die jeweilige Summe für die unterschiedlichen<br />
Politikbereiche noch verhandelt<br />
werden. Für Gesamtdeutschland werden<br />
in der Förderperiode 2014 – 2<strong>02</strong>0 für den<br />
EFRE und den ESF zusammen etwa 17,1<br />
Mrd. bzw. 2,4 Mrd. Euro pro Jahr zur Verfügung<br />
stehen. Das sind rund 20 Prozent<br />
weniger als in der vorhergehenden Förderperiode<br />
2007 – 20<strong>13</strong>. In Baden-Württemberg<br />
wird es in der Mittelverteilung auf<br />
die einzelnen Politikbereiche voraussichtlich<br />
keine großen finanziellen Änderungen<br />
geben.<br />
<strong>aktuell</strong>: Abschlussfrage: Sie leben und<br />
arbeiten in Brüssel und sind mit Ihrem<br />
Büro jüngst umgezogen. Was reizt Sie<br />
persönlich an der Arbeits-und Lebenswelt<br />
in der Stadt mit dem Hauptsitz der<br />
Europäischen Union?<br />
Öner: Brüssel ist kulturell und politisch<br />
eine interessante Stadt. Als Hauptstadt<br />
der Europäischen Union entwickeln sich<br />
Politik und politische Verfahren in Brüssel<br />
quasi organisch. Politik und ausführende<br />
Bürokratie in der EU sind noch sehr jung,<br />
erst 1957 mit den römischen Gründungsverträgen<br />
der EU etabliert. Viele eingefahrene<br />
und eingeübte Wege der Politikberatung,<br />
wie wir sie aus den Mitgliedstaaten<br />
kennen, entwickeln sich erst auf<br />
europäischer Ebene. Die Beteiligung der<br />
Bevölkerung, der Unternehmen, der organisierten<br />
Zivilgesellschaft an der Politik<br />
der Europäischen Union entwickelt sich<br />
fortwährend und lässt sich mit unseren<br />
gewachsenen Strukturen nur unzutreffend<br />
vergleichen. An diesem Prozess teilzuhaben,<br />
ihn mitzugestalten ist ein großes<br />
Glück. Gemeinsam mit vielen anderen Vertretern<br />
aus anderen Verbänden, Ministerien,<br />
den EU-Institutionen und aus verschiedenen<br />
europäischen Mitgliedstaaten<br />
an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten,<br />
sprachliche und kulturelle Hürden zu überwinden,<br />
um für unsere Mitglieder das bestmögliche<br />
Ergebnis zu erzielen, ist eine<br />
große Herausforderung, die immer wieder<br />
motivierend ist. Hinzu kommt die kulturelle<br />
und internationale Vielfalt der Stadt<br />
Brüssel, die diesen Ort für mich seit mehr als<br />
15 Jahren lebens- und liebenswert macht.<br />
<strong>aktuell</strong>: Vielen Dank für das Interview<br />
Kurz gefragt<br />
… zu den Wahlprogrammen der Parteien<br />
Am 22. September steht die Bundestagswahl an. Zu Beginn des<br />
Sommers hatten alle großen Parteien ihre Wahl-/Regierungsprogramme<br />
fertig. Verbandsdirektorin Sigrid Feßler nahm im<br />
Juli an mehreren Podiumsdiskussionen verschiedener Parteien<br />
im Land teil, bei denen die Wahlprogramme der großen Parteien<br />
im Vordergrund standen.<br />
<strong>aktuell</strong>: Welche Themen haben die Teilnehmer besonders<br />
interessiert und wo hat es Anlass zu Diskussionen gegeben?<br />
Sigrid Feßler: Vor allem die bei den meisten Parteien vorgesehene<br />
Mietpreisbremse und die Deckelung der Mieterhöhungsmöglichkeit<br />
nach Modernisierungsmaßnahmen haben die Meinungen<br />
polarisiert. Wir halten Mietpreisbremsen und Mietendeckelungen<br />
für den falschen Weg. Sie verhindern Investitionen in den Neubau,<br />
umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen lassen sich nicht<br />
mehr rechnen. Die Mieten steigen dort, wo Wohnraum knapp ist.<br />
Eine Regelung zur Begrenzung der Neuvertragsmieten schafft<br />
aber keine einzige Wohnung mehr. Mit anderen Worten: sie<br />
setzen für Investoren das falsche Signal. Aber auch private Anbieter<br />
und unsere nachhaltig günstig vermietenden Wohnungsunternehmen<br />
werden für ihr Investitionsengagement damit<br />
noch bestraft. Was wir brauchen, ist eine gezielte Neubaustrategie<br />
für die Ballungsregionen. Nur so kann bezahlbares Wohnen<br />
gesichert werden.<br />
Es ging aber auch um Themen wie die Bedeutung des Städtebaus<br />
und des Stadtumbaus, die stetig steigenden Anforderungen<br />
an die energetische Verbesserung des Wohnungsbestandes und<br />
vor allem um die von einigen Parteien angedachte Einführung<br />
einer Vermögenssteuer oder Vermögensabgabe – eine Maßnahme,<br />
die für die Wohnungswirtschaft nachhaltige negative<br />
Auswirkungen mit sich bringen würde. Die Vermögenssteuer ist<br />
für die Immobilienunternehmen eine Substanzbesteuerung. Das<br />
Geld würde da fehlen, wo es dringend gebraucht wird, nämlich für<br />
die Bestandssanierung und den Neubau. Brand<strong>aktuell</strong>es Thema<br />
war das von der Landesregierung vorgelegte wohnungswirtschaftliche<br />
Maßnahmenpaket mit der Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbots<br />
und einer Umwandlungsverordnung, Maßnahmen<br />
die aus unserer Sicht überhaupt keinen Sinn machen. Auch<br />
damit wird keine einzige Wohnung mehr geschaffen, sondern nur<br />
an Symptomen herum laboriert, anstatt die Ursachen anzupacken.<br />
Erstaunlich finde ich, dass die Parteien zwar erkennen, dass gehandelt<br />
werden muss, um dem mancherorts bestehenden Wohnungsmangel<br />
rechtzeitig zu begegnen, sie ihre Politik aber nicht<br />
wirklich danach ausrichten. Der zunehmende Trend zur Ordnungspolitik<br />
in Bund und Land ist hierfür nicht der richtige Weg;<br />
es bedarf vielmehr verlässlicher und nachhaltiger Rahmenbedingungen,<br />
sodass es der Wohnungswirtschaft und den Investoren<br />
auch möglich ist, wirtschaftlich vertretbar neuen Wohnraum zu<br />
bezahlbaren Mieten zu schaffen.<br />
<strong>aktuell</strong>: Gibt es auch konsensuale Themen?<br />
Feßler: Es sind sich alle einig, dass in Gebieten mit hoher Nachfrage<br />
mehr gebaut werden sollte, insbesondere auch im Rahmen des<br />
sozialen Wohnungsbaus. Alle Parteien sprechen sich für eine Weiterführung<br />
der sozialen Wohnraumförderung der Länder aus.<br />
Aus Sicht der Wohnungswirtschaft wurde gerade der soziale Wohnungsbau<br />
von der Politik in Baden-Württemberg in den vergangenen<br />
Jahren viel zu wenig beachtet. Die Förderprogramme waren<br />
und sind finanziell schlecht ausgestattet und für die Unternehmen<br />
meist nicht sehr attraktiv; das steht nicht für eine aktive und<br />
engagierte Förderung. Hier ist noch deutlich Spielraum nach<br />
oben. Positiv und vom Grundsatz als gutes Signal zu werten ist<br />
aber, dass das Thema Wohnen bundesweit überhaupt wieder<br />
als wichtiges Thema erkannt wird.<br />
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