HERbERt kOHlER mercedes-benz museum, Stuttgart SyStEMkoNVErGENz
HErbErt koHlEr leiter E-Drive & future mobility sowie <strong>Daimler</strong>-umweltbevollmächtigter, über Elektromobilität an der Schwelle zur Großserie und wie sich unterschiedliche Antriebsstrategien ergänzen. ERFAHRUNg Herr kohler, wann haben Sie zum ersten Mal ein Auto mit elektrischem Antrieb gefahren Das muss irgendwann mitte, Ende der 1990er-Jahre gewesen sein – in einem unserer allerersten Prototypen mit brennstoffzellenantrieb. mit kalter Verbrennung zu fahren war für mich damals ein unglaublich interessantes Gefühl. Dazu kam die Emotionalität des Elektroantriebs: direkt, dynamisch – man spürt sofort, dass das ein anderes fahren ist. PARAdigMENWECHSEl lässt sich der aktuelle Paradigmenwechsel in der Fahrzeugmotorisierung mit dem Wechsel vom dampf zum Verbrennungsmotor vergleichen ich bin kein freund von martialischen bildern und Vergleichen. Einen „Clash of Systems“, einen zusammenprall der Systeme, sehe ich deshalb auch nicht für die kommenden Jahre. Es wird mehr um die Elektrifizierung des vorhandenen Antriebsstrangs gehen – sei es durch kombination von Elektromotor und Verbrennungsmaschine oder durch den alleinigen Einsatz von Elektroantrieben. wie die Entwicklung im Detail verläuft, das werden wir in einigen Jahren im rückblick sagen können. Aber die Entwicklung von Energietechnik ist doch immer ein evolutionärer Prozess, da löst ein Antrieb nicht auf einen Schlag einen anderen ab. SyNERgiEN Sie sind leiter von E-drive & Future Mobility bei daimler. Seit dem vergangenen Jahr bündeln Sie im internen kompetenznetzwerk alle wesentlichen Aktivitäten zukünftiger Mobilität. Welche Prozesse haben Sie dafür entwickelt Die organisatorische Veränderung vor einem Jahr hat alles, was zur forschung und Vorentwicklung gehört, zusammengeführt. Dazu kommt eine enge kooperation mit anderen Geschäftsbereichen. innerhalb unserer Projektstrukturen sind die Aktivitäten also stark vernetzt, damit wir alle Synergien nutzen können, die sich bieten. Das betrifft nicht nur forschung und Entwicklung, sondern auch den Schritt in die Serie: weil alles Entscheidende in einem bereich abläuft, können wir bei der Serieneinführung neuer fahrzeuge besonders schnell sein. tECHNik Wie wirkt sich dieser Prozessablauf auf die technischen details der serienreifen Fahrzeuge aus in diesem internen Netzwerk für die zukunft ist es wichtig, dass wir die Vielfalt neuer fahrzeugmodelle für die Serie mit einer modulstrategie verwirklichen. Dahinter steckt der Gedanke eines baukastensystems. Das Vorgehen betrifft Hybridisierungen genauso wie Elektrofahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb und brennstoffzelle. wichtig ist dabei, dass wir nicht nur system-, sondern auch baugleich arbeiten. NEtZWERk dER ZUkUNFt berlin und „e-mobility“, das ist eines der großen, dynamischen Zukunftsnetzwerke. Welche Rolle spielt daimler darin wir haben in berlin „e-mobility“ initiiert. Die wasserstoffinitiative in berlin würde es ohne uns auch in dieser form nicht geben. zusammen mit anderen Herstellern und Energieversorgern haben wir zudem von Anfang an die Entwicklung eines Standardsteckers für batterieelektrische Autos mit vorangetrieben. Aber solche großen Projekte können nur umgesetzt werden, wenn viele Partner mit interesse und Engagement daran zusammenarbeiten. Das gilt für berlin, das gilt aber auch für Hamburg, wo wir schon lange mit der Hamburger Hochbahn kooperieren. in dieser zusammenarbeit stellt sich auch heraus, auf wen man sich langfristig verlassen kann – so wie beispielsweise auf die firma linde, mit der wir im wasserstoffbereich auf eine lange und gute zusammenarbeit zurückblicken. StRAtEgiE Wo steht daimler hinsichtlich dem Ziel emissionsfreier Mobilität, wenn smart fortwo electric drive und b-klasse F-CEll in die kleinserienfertigung gehen wir sind in den letzten drei bis fünf Jahren sehr weit gekommen. ich sage immer: wenn man marathon läuft, dann fängt das rennen erst nach den ersten zwei kilometern richtig an. Den Punkt hat <strong>Daimler</strong> bei der Elektromobilität und den dafür notwendigen fahrzeugtechnologien längst hinter sich gelassen. Aber wir sind noch lange nicht am ziel, vor allem beim entscheidenden thema infrastruktur. • curriculuM Vitae +++ seit 1976 bei <strong>Daimler</strong> +++ 1992 Gründer des Centers „umwelt, technik und Verkehr“, bis Ende 1999 leitung der strategischen Produktplanung in der Entwicklung +++ seit 1998 Honorarprofessor an der universität Stuttgart +++ von 2000 bis 2006 leitung der forschungsdirektion fahrzeugaufbau & Antrieb, anschließend des bereichs konzernforschung & Vorentwicklung für fahrzeugaufbau und Antrieb +++ seit märz 2002 zudem umweltbevollmächtigter bei <strong>Daimler</strong> +++ 2005 b.A.u.m. umweltpreis +++ seit 2009 leiter der Direktion „E-Drive & future mobility“, in forschung und Vorentwicklung für die Entwicklung von batterieund brennstoffzellen verantwortlich. +++ DAimlEr-tECHNiCity.Com 35