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MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 10 reiáen sie an sich, um den Frevel der Kirchenspaltung zu begehen und um eine Gelegenheit zum Abschneiden zu haben.“ 15 UnermÅdlich versucht Calvin zu vermitteln, er mahnt zur MÖáigung und ermutigt zu einer Gemeinschaft, die nicht durch jede Kleinigkeit in Frage gestellt werden darf. Hier zeigt sich nun, dass Calvin durchaus auch etwas mit uns und unserer Äkumene zu tun hat. Indem seine Lebensarbeit der VersÜhnung der Kirchen gegolten hat 16 , kann er zu Recht als ein Unionstheologe angesehen werden 17 . Sein Åberaus breit belegtes Engagement fÅr den Zusammenhalt wurzelt in der Einsicht in die FragilitÖt insbesondere der vielen FlÅchtlingsgemeinden und impliziert als menschliche Anstrengung immer auch eine pragmatische bzw. kirchenpolitische Dimension 18 . Um nicht der Gefahr einer allzu allgemeinen Betrachtung zu erliegen, bietet es sich an, dass wir uns exemplarisch auf Calvins BemÅhen um die Einheit in Frankfurt konzentrieren. a) Es sind drei Ebenen, auf denen Calvin sich fÅr die Einheit der Kirche einsetzt. Die erste Ebene ist bereits die einzelne Gemeinde, deren Zusammenleben schnell durch die Gefahr von ÅberschÖumenden Streitereien empfindlich gestÜrt, ja ganz zerstÜrt werden kann. „Ich schreibe Euch so, weil ich ein angelegtes Feuer lÜschen will.“ Dieser Satz aus einem Brief vom 26. Dez. 1555 an die franzÜsische Gemeinde in Frankfurt 19 ist ebenso charakteristisch fÅr das Anliegen zahlreicher Briefe Calvins in beinahe alle Himmelsrichtungen wie der folgende: „Deshalb bitten und be- 15 Inst. IV 1,16 (âbersetzung nach O. Weber: J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, nach der letzten Ausgabe von 1559 Åbers. u. bearb. v. O. Weber, hg. v. M. Freudenberg, Neukirchen-Vluyn 2008, 575). 16 Vgl. G.W. Locher, Calvin. Anwalt der Äkumene (s. Anm. 2), 21. 17 Vgl. auch G. Reichel, Calvin als Unionsmann, TÅbingen 1909. W. Nijenhuis zitiert O. Weber mit einem nicht verifizierbaren, aber sachlich zutreffenden Zitat: „Calvin ist auf Grund seiner Lehre von der Einheit der Kirche ein Mann der Innerevangelischen Union gewesen, und es ist nicht Åbertrieben, wenn man hinzusetzt, daá er einer der Wegbereiter der ‚Ükumenischen Bewegung’ war.“ Nijenhuis, Die Aufgabe der reformierten Kirchen in der Ükumenischen Bewegung, in: J. Moltmann (Hg.), Calvin-Studien 1959, Neukirchen Kreis Moers 1960, 62–83, 62; vgl. auch O. Weber, Die Einheit der Kirche bei Calvin, in: ebd., 130–143. 18 Einen kompakten âberblick vermitteln die entsprechenden Kapitel im Calvin 19 Handbuch, hg. v. H.J. Selderhuis, TÅbingen 2008, 57–126. Johannes Calvins Lebenswerk in seinen Briefen. Eine Auswahl von Briefen Calvins in deutscher âbersetzung v. R. Schwarz, 2 Bde., TÅbingen 1909, Bd. II, 121 (Bd. I und II im Folgenden: Schwarz I u. II). Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.
MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 11 schwÜren wir Euch im Namen Gottes, laát das leidenschaftliche Streiten mit seiner Bitterkeit und nehmt Euch brÅderlich auf untereinander“ 20 . FÅr den Frieden zu sorgen, sei eine vorzÅgliche Aufgabe der Pfarrer, und so ist es ein besonderes UnglÅck, wenn diese gegen gehÖssige Streitereien nicht nur nicht einschreiten, sondern diese sogar selbst forcieren. „Denn wenn schon Zwistigkeit und Zank zwischen gewÜhnlichen Gemeindegliedern ein Verderben der Kirche ist, was ist erst, wenn die Boten des Friedens im Streite liegen?“ 21 Da ist dann die ganze Gemeinde herausgefordert, damit nicht alles in Brand gerÖt. Calvin sieht, wie allseits unnÜtiger Schaden durch Rechthaberei und Åbertriebenen Eifer angerichtet wird. So sehr er stets auf Klarheit in der Sache gedrÖngt hat, so fundamental wusste er darum, dass die Form auch dem Inhalt entsprechen muss. Alles sollte auf die rechte Auferbauung der Kirche ausgerichtet sein 22 , die nicht durch die Profilierungssucht einzelner gefÖhrdet werden darf. Im Blick auf die reformierte Gemeinde in Frankfurt musste sich Calvin immer wieder erhebliche Sorgen machen, denn dort schwelte ein immer wieder aufflackernder Streit. Als die Stelle eines verstorbenen Pfarrers nach einiger Zeit neu besetzt wurde, mahnte Calvin dazu, diese Gelegenheit als einen Neuanfang zu nutzen, und schrieb an die Gemeinde – ich lese einen lÖngeren Ausschnitt: „Ich bitte Euch um Gotteswillen, Euch beiderseits dem anzupassen, was dazu dient, die Einigkeit unter Euch wieder herzustellen; denn es genÅgt nicht, daá Eure Zwistigkeiten beigelegt sind und ihr nicht mehr in Parteien gespalten seid, wie im offenen Kampf, sondern die Hauptsache ist, daá Ihr untereinander verbunden seid in herzlichem Verlangen, Gott zu dienen eintrÖchtig alle zusammen. Dazu ist es aber nÜtig, daá ihr alles Geschehene vergeát; denn ich sehe wohl, die Erinnerung daran nÖhrt in einigen unter Euch immer noch einen bitteren Groll, der von Tag zu Tag neue Bitterkeiten hervorbringt, wenn er nicht ganz ausgefegt wird. … Aber das kommt davon, wenn die Herzen vom Haá vergiftet sind, dann muá der Argwohn herrschen und alles ins Schlimme ziehen, was die tun, die wir nicht gern haben, so daá wir ihnen zu leid das Weiáe schwarz nennen. Wenn man so fortfÖhrt, so werdet Ihr Euch stetsfort neue Wunden schlagen, und 20 An die franzÜsische Gemeinde in Frankfurt am 27.10.1562 – Schwarz II, 414. 21 An die franzÜsische Gemeinde in Frankfurt am 23.02.1559 – Schwarz II, 257. 22 Vgl. Inst. IV 1,20. Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.
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