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MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 14
beklagt die „Gefallsucht“ und den Drang, sich hervorzutun anstatt
in Bescheidenheit unnÜtigen Anstoá zu vermeiden 33 – und
zwar richtet er solche Klagen genau an die Adressaten, die es angeht,
und nicht, wie es sonst eher Åblich ist, an die, die so gerne
Åber Abwesende die KÜpfe zusammenstecken. Und er teilt auch
seine Trauer Åber die Erfolglosigkeit seiner BemÅhungen mit:
„Wie sehr mich jetzt der unglÅckliche Ausgang der Sache, den ich
stets befÅrchtet habe, schmerzt, kann ich mit Worten gar nicht
sagen.“ 34
Im Hintergrund steht der sich formierende Widerstand in lutherischen
Kreisen gegen den vordringenden Unionsprotestantismus
im nordwestlichen Europa. In diesem Zusammenhang
stoáen wir auch immer wieder auf den lutherischen Hauptpastor
von St. Katharinen in Hamburg, Joachim Westphal, der ein besonderes
Geschick darin entwickelte, auch in Gemeinsamkeiten
Unterschiede und GegensÖtze zu konstruieren. Sein giftspeiender
Eifer, der schon in DÖnemark und den norddeutschen StÖdten
dafÅr gesorgt hatte, dass die evangelischen GlaubensflÅchtlinge
aus England, die er als „MÖrtyrer des Satans“ bezeichnete, abgewiesen
wurden, konnte es nicht verwinden, dass Frankfurt diese
FlÅchtlinge aufgenommen hat. Die theologisch nur schlichten
Mittel, die ihm zur VerfÅgung standen, wurden kompensiert
durch ein aufgeblasenes Treuepathos zu als heilsnotwendig ausgegebenen
Einsichten Luthers, verbunden mit einer gehÖssigen Diffamierungsrhetorik
gegen jede Abweichung auch im Kleinen. Er
empfahl sich dem Rat der Stadt Frankfurt als Ratgeber zur Abwendung
der drohenden geistlichen Verderbnis 35 .
Es ging um das Abendmahl und insbesondere um Calvins Einigung
mit Bullinger im so genannten Consensus Tigurinus von
1549, in der in sachlich unmÖáig Åberreizter Weise der konservierte
Bazillus der Zwinglischen HÖresie gewittert wurde, der nun
auch die lutherischen Kirchen zu Fall bringen werde. (Nebenbei
gesagt, bleibt es fÅr mich unzugÖnglich, warum der Auseinandersetzung
um das Abendmahl bis heute immer wieder eine so zentrale
Bedeutung zugemessen wird. Zumindest auf dem Boden reformatorischer
Theologie ist die GrundsÖtzlichkeit, die diesem
33 Okt. 1555 – Schwarz II, 113.
34 Okt. 1555 – Schwarz II, 114; vgl. 120.
35 Vgl. K. Bauer, Der Bekenntnisstand V (s. Anm. 3), 42–44.
Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.