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MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 4 Vatikanischen Konzils abgehalten wurde 8 . Und schlieálich hat vor 50 Jahren, also 1959, der Schweizer Theologe Gottfried W. Locher hier in Frankfurt genau Åber unser heutiges Thema gesprochen 9 , und ich kann nur hoffen, dass es die Ölteren Frankfurter nicht langweilt, wenn uns kein neues Thema eingefallen ist. 2. Zweierlei Äkumene Da wir – wie immer – nicht alles besprechen kÜnnen, mÜchte ich uns heute auf zwei Aspekte konzentrieren. Von zweierlei Äkumene soll die Rede sein, und beide Ükumenische Perspektiven haben in Calvin einen entschlossenen Anwalt. Die erste ergibt sich aus den beklagenswerten Eigenwilligkeiten der real existierenden Kirchen und ihrem meist nur halbherzigen Einigungswillen aufgrund einer allzu undialektischen SelbstwertschÖtzung, um es einmal ganz vorsichtig auszudrÅcken. Hier geht es um die von uns zu verantwortende Äkumene, um die ernst zu nehmende und gleichwohl stets auch nur relative menschliche Seite der Kirche. In dieser Perspektive der Äkumene geht es um unsere Verantwortung fÅr die Einheit der Kirche. Trotz der immer wieder hinzunehmenden Misserfolge hat Calvin in seinem entschlossenen Einsatz fÅr die Bewahrung und Herstellung der Einheit nicht nachgelassen. Wer die Kirche wirklich wertschÖtzt, kommt an der sichtbaren Gestalt, in der sie in Erscheinung tritt, nicht vorbei. Ebenso deutlich gilt aber auch: Wer die sichtbare Kirche fÅr die wahre Kirche hÖlt, muss ein allzu bescheidenes Bild von der Kirche haben. Hier kommt nun die andere Perspektive auf die Äkumene in den Blick, an der in besonderer Weise Calvins Herz hing. Sie beruft sich auf die immer schon gegebene Einheit, die von den Kirchen in ihrer BedrÖngnis immer wieder zu bekennen ist, um sich von der Öuáeren BedrÖngnis und den inneren Spannungen weder auseinander treiben noch mit der Getrenntheit Frieden schlieáen zu lassen. Gott selbst beruft, sammelt und bewahrt seine Kirche. Von seiner lebendigen Begleitung lebt die wahre Kirche, die als solche nicht sichtbar wird, aber eben deshalb umso entschlossener zu bekennen ist. 8 Vgl. dazu O.P. Mateus, Nicht ohne den Äkumenischen Rat, in: M. Weinrich/U. MÜller (Hg.), Calvin heute, Neukirchen-Vluyn 2009, 131–150, hier: 147–149. 9 G.W. Locher, Calvin. Anwalt der Äkumene (s. Anm. 2). Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.
MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 5 Die beiden Ükumenischen Perspektiven sind zu unterscheiden. Es ist auf der einen Seite die Äkumene von Genf und auf der anderen Seite die Äkumene von Barmen, die Äkumene von Willem Visser’t Hooft und die Äkumene von Karl Barth. Das eine ist unsere Äkumene, wie sie von unseren historischen Anstrengungen in Szene gesetzt wird, und das andere ist die von der Lebendigkeit Gottes ausgehende Äkumene, der seine Kirche eben nicht allein lÖsst. Es kann nicht darum gehen, die eine gegen die andere auszuspielen. Das kÜnnen wir lernen, wenn wir auf Calvin schauen. Er hat alles fÅr die eine getan, aber seine Kraft dazu, hat er stets aus der anderen Äkumene bezogen. Die eine Äkumene kommt schnell an ihr Ende, wenn sie nicht von der anderen lebt. In und mit der Kirche gerÖt man stets unweigerlich ins Abseits, wenn wir auf uns selbst und unsere MÜglichkeiten setzen. Lassen Sie es mich schon hier ganz pointiert sagen: Auch in der Äkumene ist die Auferstehung nicht ohne das Kreuz zu haben. Unbuáfertige Äkumene kann nur ein Ausdruck von menschlichem Triumphalismus sein, aber eine solche bleibt abgeschnitten von der von Gott ausgehenden Äkumene. Freilich kÜnnen schnell auch solche Einsichten zu Deklamationen verkommen, und allzu hÖufig konnten wir dies bereits erleben. Dass die andere Äkumene mehr als eine Deklamation sein kann, das mÜchte uns Calvin zeigen. Er kann es uns aber nur zeigen, wenn wir es uns wirklich zeigen lassen wollen. Der Rat der Stadt Frankfurter damals mag Calvin freundlich behandelt haben, aber die zerstrittenen Parteien in den Gemeinden wollten sich nicht wirklich etwas zeigen lassen, was Åber die GegenstÖnde ihrer Kontroversen hinausging. Und eben dies erleben wir ja stÖndig – das ist die Krise der Äkumene. Die Äkumene droht zu einer Episode zu werden, wenn sie sich als zu schwach dazu erweisen sollte, sich Åber ihren vielfÖltigen Narzissmus zu erheben. Sie haben es schon gemerkt: ich mÜchte heute nicht lediglich über Calvin referieren, sondern ich mÜchte mit Calvin ins GesprÖch eintreten als ein Mensch, der heute von der Ükumenischen Herausforderung beunruhigt wird. Mir geht es nicht allein darum, was Calvin seinerzeit gesagt hat, sondern auch um das, was er wohl heute zu sagen hÖtte, und ich setze darauf, dass wir uns wirklich etwas sagen lassen wollen. Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.
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