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MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 24 sation als „Kirche“ 64 ? Niemand wird es ihnen verbieten kÜnnen, diese Bezeichnung zu verwenden. Die Frage ist nur, was sich da als Kirche in Szene setzt und auf welche Weise es sich identifizieren lassen will. Calvin schreibt 1543 an Karl V: „Im Åbrigen genÅgt es nicht, mit dem Namen Kirche um sich zu werfen, sondern man muá sich auch darÅber ganz klar sein, was eigentlich Kirche ist und worin ihre Einheit besteht.“ 65 In theologischem VerstÖndnis ist Kirche keine frei verfÅgbare Selbstbezeichnung – bei genauem Hinsehen ist es Åberhaupt keine Selbstbezeichnung, sondern eine Berufung und eine Verheiáung. In seinem Schreiben an Karl V fÖhrt Calvin fort: „Dabei ist nun das Allererste, daá wir die Kirche nicht von Christus, ihrem Haupte, trennen.“ Kirche kann nur da sein, wo Christus obenan steht, und das muss gleich dazu gesagt werden: nicht wir sind es, die ihn obenan stellen und ihm seine Aufgaben zuweisen. Er ist kein leitender Angestellter der Kirche oder gar das stets gleich bleibende Gesicht einer Anziehpuppe, Åber deren Aussehen durch die Kleider entschieden wird, die ihr jeweils umgehÖngt werden, je nach Geschmack und Mode. Die Kirche ist nicht die Designerin ihrer selbst. Schon wenn aus dem Haupt ein ‚HauptsÖchlich’ wird, geht die Hauptsache verloren, weil das Haupt seinem Wesen nach keine Sache ist. Vielmehr kommt alles auf den lebendigen Christus an. Calvin hebt die drei çmter der Auferstandenen hervor, in denen er gegenwÖrtig wirkt und seine Kirche beruft, erhÖlt und sendet. Dieses entspricht dem biblischen Universalismus des in Christus offenbarten gÜttlichen Heilswillens 66 . Das gilt es vital im Bewusstsein zu halten, wenn heute so gerne auch unter Berufung auf Calvin von unseren çmtern geredet wird. Ohne die drei çmter Christi verlieren unsere çmter ihren RealitÖtsbezug und werden zu problematischen ErmÖchtigungen oder gar zu schrulligen Erscheinungen, so notwendig sie auf der anderen Seite sein mÜgen. Gleich zu Beginn seiner âberlegungen zur Kirche im IV. Buch seiner Institutio betont Calvin, dass die Kirche zu den Glaubens- 64 Vgl. Handbuch ReligiÜse Gemeinschaften und Weltanschauungen, im Auftrag der VELKD hg. v. H. Krech u. M. Kleiminger, GÅtersloh 6 2006, 1019. 65 Mahnschreiben an Karl V, in: Um Gottes Ehre. Vier kleinere Schriften Calvin, Åbers. u. hg. von M. Simon, MÅnchen 1924, 165–300, 274f. 66 Vgl. G. Gloede, Calvinus oecumenicus (s. Anm. 53), 17. Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.
MICHAEL WEINRICH: Calvin und die andere Ökumene 25 artikeln zu rechnen ist 67 . Es gehÜrt zum Wesen von Glaubensartikeln, dass das, was sie bekennen, nicht einfach vor Augen steht, sondern bekannt werden muss. Was damit gemeint ist, lÖsst sich vielleicht zunÖchst an einem anderen Beispiel erlÖutern. Wenn wir von der SchÜpfung sprechen, geht es bei genauerem Hinsehen auch nicht um etwas, was wir sehen kÜnnen. Was uns vor Augen steht, ist die Natur; dass aber diese Natur einen SchÜpfer hat, ist nicht sichtbar: es kann nur im Glauben bekannt werden – wir bewegen uns nicht im Bereich des Greifbaren, wenn wir von SchÜpfung sprechen, sondern im Bereich des Glaubens und der geht dann auch deutlich Åber das hinaus, was uns das Auge je erschlieáen kann. Er kann nicht aufgewiesen, sondern nur bekannt werden. Und das ist eben im Blick auf die Kirche ebenso: natÅrlich steht da auch etwas vor Augen, aber das, was es wirklich ist, ist nicht einfach sichtbar. Wir sehen die Kirche, und wir kÜnnen das, was wir sehen, auch kritischen Kriterien unterwerfen, um nicht einfach alles, was sich Kirche nennt, als eine solche ansehen zu mÅssen, so dass es zu einem qualifizierten Sehen kommt. In diesem Sinne erinnert Calvin den Kaiser daran, dass „die oft wiederholten Merkmale einer Kirche in gutem Zustand … gesunde Predigt der Lehre und reiner Gebrauch der Sakramente“ seien 68 . Aber das, was es Åber die Kirche zu sagen gibt, geht weit Åber unser Sehen hinaus – und da helfen dann auch die beiden Kennzeichen der Kirche nicht mehr weiter; es muss vom Glauben bekannt werden und lÖsst sich dann auch nicht einfach in dem verifizieren, was wir sehen. Es muss bei einem wirklichen Bekennen sein Bewenden haben, ganz genau so wie bei dem Bekenntnis zum auferstanden Christus. Aber so, wie in dem Bekenntnis zur Auferstehung der ganze Glaube und die ganze Hoffnung zur Debatte stehen, verhÖlt es sich auch im Bekenntnis zu der wahren Kirche, ohne die all unser Kirchesein im gÅnstigsten Fall ein relativ harmloser und gut gemeinter religiÜser Irrtum ist oder im weniger gÅnstigen Fall aber eine von allen religiÜsen Betulichkeiten kaum ÅbertÅnchbare dreiste VerfÅhrung der Menschen im innersten Kern ihrer Existenz. 67 Vgl. Inst. IV 1,2. 68 Mahnschreiben (s. Anm. 65), 275; vgl. Inst. IV 1,9 u.Ü. Datei: Vorträge / Calvin und die andere Ökumene.doc / Bearbeitung: 28. Okt. 2009 / Druck: 31.10.2009 /22:43.
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