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NFV_04_2008 - Rot Weiss Damme

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06_12InterviewSchiris 21.03.<strong>2008</strong> 20:39 Uhr Seite 12<br />

Interview<br />

12<br />

Fußball-Journal: Schiedsrichter stehen<br />

in der Bundesliga unter einer großen psychischen<br />

Belastung. Wie beugen Sie dem Druck<br />

vor?<br />

Steinhaus: Jeder Schiedsrichter muss<br />

seinen eigenen Weg finden, um mit Druck<br />

umzugehen. Mir persönlich hilft es, mich mit<br />

meinen Kollegen auszutauschen. Wertvolle<br />

Unterstützung geben uns die erfahrenen<br />

Schiedsrichter-Coaches, die ausgezeichnete<br />

Arbeit leisten.<br />

Fußball-Journal: Die Belastungen sind<br />

ja nicht nur während eines Spiels hoch. Die<br />

Boulevardpresse ist in ihren Schlagzeilen oftmals<br />

nicht zimperlich. Nach dem angesprochenen<br />

Pokalfinale 2005 wurden Sie als<br />

„Melonen Meyer“ und ihr Assistent Thomas<br />

Frank als „Tomaten Thomas“ bezeichnet.<br />

Wie gehen Sie damit um?<br />

Meyer: Mit polemischer und reißerischer<br />

Kritik und Berichterstattung setze ich<br />

mich nicht auseinander. Für sachlich und<br />

fachlich fundiert vorgetragene Kritik bin ich<br />

stets offen.<br />

Rafati: Das ist bei mir genau so. Wenn<br />

ich auf dem Fußballplatz etwas falsch gemacht<br />

habe, kann man das nicht gleich als<br />

„blind“ bezeichnen. Wir sind selbstkritisch<br />

genug. Wenn ich eine unseriöse Überschrift<br />

entdecke, lese ich nicht weiter.<br />

Fußball-Journal: Was wünschen Sie<br />

sich von den Fußball-Berichterstattern?<br />

Meyer: Ganz einfach: Dass fair, fachlich<br />

fundiert und sachlich berichtet wird.<br />

Journalisten sollten sich auch ihrer Verantwortung<br />

bewusst sein, die sie durch die<br />

Art und Weise der Berichterstattung auch<br />

für die Schiedsrichter in allen Spielklassen<br />

tragen. Keine Frage: Fehler müssen angesprochen<br />

werden. Aber auf die Art und<br />

Weise kommt es an. Ich finde es sehr schade,<br />

dass ein Schiedsrichter heute selten an<br />

April <strong>2008</strong><br />

„Wir betreiben<br />

Leistungssport“<br />

Bibiana Steinhaus<br />

Geburtsdatum: 24. März 1979<br />

Wohnort: Hannover<br />

Verein: SV Bad Lauterberg<br />

<strong>NFV</strong>-Bezirk: Braunschweig<br />

<strong>NFV</strong>-Kreis: Osterode<br />

Beruf: Polizeibeamtin<br />

Familienstand: ledig<br />

Größe: 1,81 m<br />

Gewicht: 73 kg<br />

Schiedsrichterin (SR): seit 1995<br />

DFB-Schiedsrichterin: seit 1999<br />

FIFA-Schiedsrichterin: seit 2005<br />

2. Bundesliga-SR: seit 2007<br />

Auszeichnungen: Schiedsrichterin<br />

des Jahres 2006/07,<br />

Hannovers Sportlerin des Jahres<br />

<strong>2008</strong><br />

einer gesamten Spielleitung und der<br />

damit verbundenen Menschenführung<br />

über neunzig Minuten gemessen<br />

wird, sondern die öffentliche<br />

Beurteilung des Schiedsrichters sich<br />

auf wenige Entscheidungen reduziert.<br />

Selbstverständlich ärgere ich<br />

mich als Sportler sehr über Einzelfehler,<br />

die mir ab und an auch den<br />

Schlaf nehmen. Viel zu selten wird<br />

über die Faszination und die wunderbare<br />

Seite des Schiedsrichtersports<br />

berichtet: Er schult die eigene<br />

Persönlichkeit, gibt einem Konfliktlösungs-Strategien<br />

an die Hand und<br />

fördert selbstkritisches Handeln.<br />

Fußball-Journal: Uli Hoeneß,<br />

der Manager von Bayern München,<br />

sagte nach dem Spitzenspiel gegen Werder<br />

Bremen (1:1) gegenüber der Bild-Zeitung<br />

den provokanten Satz: „Im Zweifelsfall sind<br />

die Schiedsrichter interessiert, den Bayern<br />

keinen Vorteil zu verschaffen, weil sie dann<br />

nächste Woche Telefonterror haben und<br />

nicht zur Arbeit gehen können.“ Ihr Kommentar?<br />

Meyer: Das sind Sätze, wie sie Vertreter<br />

aller Vereine in bestimmten Situationen<br />

und in allen Variationen äußern. Die Vereine<br />

stehen unter wirtschaftlichem Druck<br />

und wollen durch derartige Stellungnahmen<br />

meist von anderen Aspekten ablenken.<br />

Mit solchen Aussagen setze ich mich<br />

nicht auseinander. Selbstverständlich bin<br />

ich nach einem Spiel immer bereit, mit einem<br />

Vereinsvertreter unter vier Augen und<br />

in sachlicher Form über bestimmte Situationen<br />

und Entscheidungen zu sprechen.<br />

Fußball-Journal: Wie schwer ist es, die<br />

Regeln möglichst einheitlich auszulegen?<br />

Meyer: Grundsätzlich ist dies bei eindeutigen<br />

Vorgängen gar nicht schwer.<br />

Allerdings wird in der öffentlichen Diskussion<br />

häufig vergessen, dass das Regelwerk<br />

dem Schiedsrichter in vielen Fällen einen<br />

notwendigen Ermessenspielraum lässt. Es<br />

gibt beim Fußball nicht nur schwarz und<br />

weiß, nicht nur richtig und falsch, sondern<br />

auch zahlreiche Grauzonenbereiche. Dies<br />

aber macht den Fußball so lebendig, die<br />

Aufgabe als Schiedsrichter zusätzlich reizvoller.<br />

Als Spielleiter muss ich den Charakter<br />

des Spiels erkennen, das Spiel lesen.<br />

Wird ein Spiel aggressiver und hitziger geführt,<br />

bin ich eher gezwungen, dieses Spiel<br />

an der kurzen Leine zu führen, es häufiger<br />

zu unterbrechen und auch früher eine persönliche<br />

Strafe auszusprechen. Ist die<br />

grundlegende Temperatur eines Spiels niedriger,<br />

kann ich es eher großzügiger laufen<br />

lassen.<br />

Fußball-Journal: Herr Rafati, nehmen<br />

wir mal an, Sie warten in Berlin vor einer<br />

Ampel auf Grün und entdecken auf der<br />

gegenüberliegenden Seite oder neben sich<br />

Robert Hoyzer. Wie würde Ihre Reaktion<br />

ausfallen?<br />

Rafati: Ich würde ihn ignorieren. Der<br />

Mann ist auch bei meinen Kollegen überhaupt<br />

kein Thema mehr.<br />

Fußball-Journal: Als neuer FIFA-Referee<br />

sind Sie auf der Karriereleiter der<br />

Schiedsrichter inzwischen sehr weit oben<br />

angekommen. In der Kreisklasse ein Spiel<br />

zu leiten ist manchmal wesentlich schwieriger<br />

als auf internationaler Ebene. Was sagen<br />

Sie einem jungen Kollegen, um ihn zu<br />

motivieren?<br />

Rafati: Dass das Amt des Schiedsrichters<br />

eine tolle Sache ist, egal auf welcher<br />

Ebene. Man lernt für sein Leben. Man lernt,<br />

Entscheidungen zu treffen, Verantwortung<br />

zu übernehmen und selbstkritisch zu sein. In<br />

dieser Komplexität kann man das in keinem<br />

Seminar erlernen.<br />

Fußball-Journal: Frau Steinhaus, als<br />

erste und bisher einzige Frau leiten Sie Spiele<br />

in der 2. Bundesliga. Was sagen Sie Ihren<br />

Kolleginnen auf der Kreisebene?<br />

Steinhaus: Babaks Aufzählung ist bezeichnend<br />

für das Amt des Schiedsrichters.<br />

Ich bin begeistert von meinem Hobby. Die<br />

Möglichkeiten, die uns der Fußball eröffnet,<br />

sind phantastisch. Auch der Frauenfußball<br />

hat sich in den vergangenen Jahren<br />

unglaublich entwickelt. Von den rund<br />

80.000 Schiedsrichtern in Deutschland sind<br />

zwei Prozent weiblich. Ich wünsche mir,<br />

dass sich noch viel mehr Frauen für die<br />

Schiedsrichterei entscheiden. Ich kann jedem<br />

– egal ob Frau oder Mann – nur raten,<br />

diese Herausforderung anzunehmen.<br />

Fußball-Journal: Frau Steinhaus, Herr<br />

Meyer, Herr Rafati, Herr Bornhorst, vielen<br />

Dank für das Gespräch. ■<br />

Interview: REINER KRAMER, MANFRED<br />

FINGER (Mitarbeit), Fotos: STEFAN ZWING

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