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Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik

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Das Zusammenspiel von Ersche<strong>in</strong>ung, Idee und Bild <strong>in</strong> Goethes Symbolbegriff<br />

veranschaulicht das Schaubild „Das klassische Bild – Goethes Symbol“ im Anhang.<br />

Wie lässt sich <strong>der</strong> am Naturgedicht erarbeitete Begriff <strong>des</strong> klassischen Bil<strong>des</strong> auf Goethes<br />

<strong>Liebeslyrik</strong> anwenden?<br />

Beim jungen Goethe wird man zunächst an die Sesenheimer Gedichte denken, von denen<br />

sich nur wenige erhalten haben: „Mir schlug das Herz“, „Maifest“, „Mit e<strong>in</strong>em gemalten<br />

Bande“, „Heidenrösle<strong>in</strong>“ sowie e<strong>in</strong>ige Texte <strong>des</strong> „Sesenheimer Lie<strong>der</strong>buchs“ aus dem<br />

Besitz von Sophie Brion.<br />

Das im Anhang enthaltene Arbeitsblatt „Johann Wolfgang Goethe: Gedichte aus<br />

verschiedenen Epochen“ stellt vier Liebesgedichte aus unterschiedlichen Schaffensphasen<br />

Goethes nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Daran können Schüler erarbeiten, wie Goethe vom<br />

anakreontischen Stil (Das Schreien) über die Empf<strong>in</strong>dsamkeit (Maifest) zum klassischen<br />

Duktus f<strong>in</strong>det (Willkommen und Abschied).<br />

Goethes berühmteste und – für die Geliebte – tragische Liebesbeziehung ist die zu<br />

Frie<strong>der</strong>ike Brion während se<strong>in</strong>er Straßburger Studienzeit 1770/71. In diese Zeit fällt auch<br />

Goethes großer Aufbruch als Lyriker, die Überw<strong>in</strong>dung <strong>des</strong> anakreontischen Stils h<strong>in</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>em Stil, <strong>der</strong> den <strong>in</strong>dividuellen Empf<strong>in</strong>dungen wahrhaftigen Ausdruck verleiht. Inspiriert<br />

ist diese Entwicklung durch Her<strong>der</strong>s Kunsttheorie, die Natürlichkeit und Gefühl for<strong>der</strong>t. Der<br />

Vergleich <strong>der</strong> sprachlichen Mittel dieser beiden frühen Gedichte verdeutlicht den großen<br />

Schritt, den Goethe tat:<br />

„Zum ersten Mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Lyrik ist die<br />

subjektive Empf<strong>in</strong>dung wichtger als <strong>der</strong><br />

geschil<strong>der</strong>te Gegenstand. Ohne diesen Schritt<br />

ist das Symbol undenkbar, da dieses die<br />

‚Ergriffenheit’ <strong>des</strong> Dichters durch e<strong>in</strong>e äußere<br />

Gelegenheit erfor<strong>der</strong>t. Beim Symbol kommt<br />

dazu die Idee, die <strong>der</strong> reife Dichter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

solchen Gegebenheit zu erkennen vermag und<br />

die er dann im Bild wie<strong>der</strong>gibt.“ 42<br />

Damit ordnet Petruschke das Gedicht, das noch<br />

ganz direkter Ausdruck <strong>der</strong> persönlichen<br />

Empf<strong>in</strong>dung ist, am Übergang, als – notabene<br />

unerlässliche - Vorstufe symbolischer Dichtung<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Bei Adelheid Petruschke f<strong>in</strong>det sich auch e<strong>in</strong>e<br />

genaue Erarbeitung <strong>des</strong> goetheschen Symbols<br />

im Kontext <strong>der</strong> <strong>Liebeslyrik</strong> anhand <strong>des</strong> Gedichts<br />

„Auf dem See“. Wie Goethe den biografischen<br />

Anlass, e<strong>in</strong>e Bootsfahrt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz zu <strong>der</strong><br />

Zeit, als er mit <strong>der</strong> Frankfurter Bankierstochter<br />

Anna Elisabeth (Lili) Schönemann – <strong>in</strong>offiziell -<br />

verlobt ist, wie er die Naturbeobachtung zu e<strong>in</strong>er<br />

Idee verdichtet, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en neuen<br />

Seelenzustand mündet, wird dort erkennbar. 43 .<br />

Den Titel hat Goethe erst später gewählt, als<br />

Ersatz für den urspünglichen: „Ich saug an<br />

me<strong>in</strong>er Nabelschnur“. 44<br />

Dieses Gedicht bietet sich zu e<strong>in</strong>em Vergleich mit<br />

dem an Lili Schönemann gerichteten Gedicht<br />

42 a.a.O., S. 53<br />

43 Petruschke 2004, S. 49 ff<br />

44 Unterberger, Rose: Die Goethe-Chronik. Frankfurt am Ma<strong>in</strong> und Leipzig, Insel-Verlag 2002<br />

15<br />

5<br />

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20<br />

Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)<br />

Neue Liebe, neues Leben (1775)<br />

Herz, me<strong>in</strong> Herz, was soll das geben?<br />

Was bedränget dich so sehr?<br />

Welch e<strong>in</strong> frem<strong>des</strong>, neues Leben!<br />

Ich erkenne dich nicht mehr.<br />

Weg ist alles, was du liebtest,<br />

Weg, warum du dich betrübtest,<br />

Weg de<strong>in</strong> Fleiß und de<strong>in</strong>e Ruh –<br />

Ach, wie kamst du nur dazu!<br />

Fesselt dich die Jugendblüte,<br />

Diese liebliche Gestalt,<br />

Dieser Blick voll Treu und Güte<br />

Mit unendlicher Gewalt?<br />

Will ich rasch mich ihr entziehen,<br />

Mich ermannen, ihr entfliehen,<br />

Führet mich im Augenblick,<br />

Ach, me<strong>in</strong> Weg zu ihr zurück.<br />

Und an diesem Zauberfädchen,<br />

Das sich nicht zerreißen läßt,<br />

Hält das liebe lose Mädchen<br />

Mich so wi<strong>der</strong> Willen fest;<br />

Muß <strong>in</strong> ihrem Zauberkreise<br />

Leben nun auf ihre Weise.<br />

Die Verändrung, ach, wie groß!<br />

Liebe! Liebe! laß mich los!

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