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Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik

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Bei diesem Gedicht empfiehlt sich die Erschließung über den Klang. Der Vortrag <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lerngruppe, gut auch mehrere von Schülern erarbeitete Varianten, macht die ganz an<strong>der</strong>e<br />

Qualität dieses Textes im Vergleich zu goethescher<br />

Lyrik s<strong>in</strong>nlich erfahrbar.<br />

Ganz und gar unerlässlich ist bei diesem Gedicht<br />

die formale Analyse, för<strong>der</strong>t sie doch bemerkenswerte<br />

Details zu Tage und offenbar den kunstvollen<br />

Bau. E<strong>in</strong>ige Befunde seien hier stichwortartig<br />

genannt: 49<br />

Åî 6 Strophen à 4 Verse,<br />

Åï umarmen<strong>der</strong> Reim,<br />

Åñ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stophe immer nur e<strong>in</strong> reimen<strong>der</strong><br />

Vokal bzw. Diphthong Ä Assonanz,<br />

Åó <strong>in</strong>sgesamt nur vier Reime: -aren, -all, -e<strong>in</strong>en,<br />

-e<strong>in</strong>; <strong>in</strong>sgesamt 10 Reimwörter;<br />

Åò dreihebige Jamben mit männlicher Kadenz<br />

jeweils im ersten und vierten Vers e<strong>in</strong>er<br />

Strophe und weiblicher Kadenz <strong>in</strong> den beiden<br />

<strong>in</strong>neren Versen.<br />

Åô Jede Strophe umfasst e<strong>in</strong>en Satz.<br />

Åö Reimschema: abba cddc abba cddc abba<br />

cddc,<br />

Åõ Ä zwei Gruppen von Strophen: alternierend<br />

Strophen mit a-Reimen und solche mit ei-<br />

Reimen.<br />

Åú In den a-Stophen herrschen dunkle Vokale<br />

vor, <strong>in</strong> den ei-Strophen helle.<br />

Über die schon hier offenbare Gleichförmigkeit<br />

<strong>der</strong> Form h<strong>in</strong>aus, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>haltliche Entsprechungen<br />

festzustellen: Enzensberger macht e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante<br />

Entdeckung die „Wie<strong>der</strong>kehr <strong>des</strong> Gleichen“<br />

betreffend:<br />

„Das ganze Gedicht ist eigentlich nichts als e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger schweifen<strong>der</strong> Kehrreim. Das<br />

Schweifen, die komb<strong>in</strong>atorische Variation, gehorcht dabei e<strong>in</strong>em ganz bestimmten Gesetz.<br />

Wenn man die ersten acht Verszeilen mit den Ziffern 1-8 bezeichnet und von den kle<strong>in</strong>en,<br />

aber bedeutungsvollen Verän<strong>der</strong>ungen absieht, denen sie wie<strong>der</strong>kehrend unterworfen werden,<br />

so erhält man das folgende Bild:<br />

Strophe I 1 2 3 4 Strophe II 5 6 7 8<br />

Strophe III 4 2 3 1 Strophe IV 8 6 7 5<br />

Strophe V 1 2 3 4 Strophe VI 5 6 7 8<br />

Jede <strong>der</strong> beiden Strophenarten (a- und ei-Strophen) wird also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weise variiert, daß die<br />

zuletzt gesungene Zeile (Zeile 4 <strong>in</strong> Strophe 1) <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Strophe <strong>der</strong> gleichen Art als<br />

erste ersche<strong>in</strong>t, während <strong>der</strong> Strophenkern se<strong>in</strong>e Reihenfolge beibehält. Die zweite Variation<br />

kehrt die Konstellation nach dem gleichen Gesetz wie<strong>der</strong> um und führt auf diese Weise<br />

be<strong>in</strong>ahe (aber eben nur be<strong>in</strong>ahe) zur Ausgangsstrophe zurück [...].“ 50<br />

49 Nachzulesen <strong>in</strong>: Van R<strong>in</strong>sum, Annemarie und Wolfgang: Interpretationen. Lyrik. München, BSV 1991 2 ,<br />

S. 114 f<br />

50 a.a.O., S. 115<br />

17<br />

5<br />

10<br />

15<br />

20<br />

Clemens Brentano (1778 – 1842)<br />

Der Sp<strong>in</strong>ner<strong>in</strong> Nachtlied (1802<br />

Es sang vor langen Jahren<br />

Wohl auch die Nachtigall,<br />

Das war wohl süßer Schall,<br />

Da wir zusammen waren.<br />

Ich s<strong>in</strong>g' und kann nicht we<strong>in</strong>en,<br />

Und sp<strong>in</strong>ne so alle<strong>in</strong><br />

Den Faden klar und re<strong>in</strong><br />

So lang <strong>der</strong> Mond wird sche<strong>in</strong>en.<br />

Als wir zusammen waren<br />

Da sang die Nachtigall<br />

Nun mahnet mich ihr Schall<br />

Daß du von mir gefahren.<br />

So oft <strong>der</strong> Mond mag sche<strong>in</strong>en,<br />

Denk' ich wohl de<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>,<br />

Me<strong>in</strong> Herz ist klar und re<strong>in</strong>,<br />

Gott wolle uns vere<strong>in</strong>en.<br />

Seit du von mir gefahren,<br />

S<strong>in</strong>gt stets die Nachtigall,<br />

Ich denk' bei ihrem Schall,<br />

Wie wir zusammen waren.<br />

Gott wolle uns vere<strong>in</strong>en<br />

Hier sp<strong>in</strong>n' ich so alle<strong>in</strong>,<br />

Der Mond sche<strong>in</strong>t klar und re<strong>in</strong>,<br />

Ich s<strong>in</strong>g' und möchte we<strong>in</strong>en.

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