LUFTWAFFEN - Netteverlag
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DEUTSCHER<br />
<strong>LUFTWAFFEN</strong>RING e.V.<br />
<strong>LUFTWAFFEN</strong><br />
REVUE<br />
61. Jahrgang - Nr. 4 - Dezember 2013 - Schutzgebühr 7,50 Euro<br />
A400M<br />
ab 2014 in Wunstorf
BHV Nürnberg<br />
Bericht zur Bundeshauptversammlung in Nürnberg<br />
Am Donnerstag, dem 31.Oktober 2013,<br />
begrüsste der Vorsitzende des Ortsverbandes<br />
Nürnberg, Herr Christian Emmerling,<br />
gegen 18:20 Uhr die angereisten<br />
Mitglieder zur Bundeshauptversammlung.<br />
Zunächst wurden zwei neue Mitglieder mit<br />
Beifall aufgenommen. Anwesend waren 22<br />
Mitglieder und 2 Gäste. Verspätet traf ein<br />
weiterer Kamerad als Mitglied ein, so dass<br />
nunmehr 23 stimmberechtigte Mitglieder<br />
teilnahmen. Der Bundesvorsitzende Oberst<br />
d.R. Horst Schuh begrüsste die Teilnehmer<br />
der Versammlung und stellte die ordnungsund<br />
fristgemäße Einladung fest. Allen, die<br />
im Luftwaffenring bisher aktiv die Vereinsarbeit<br />
gestalteten, sprach Oberst Schuh seinen<br />
besonderen Dank aus. Sodann bat er<br />
die Anwesenden um eine Schweigeminute<br />
zum Gedenken an die verstorbenen Mitglieder<br />
und Freunde der Luftwaffe. Zum Protokollführer<br />
wurde Horst Obbelode einstimmig<br />
gewählt. Als Leiter der Versammlung<br />
wurde Christian Emmerling einstimmig<br />
gewählt. Der Bundesvorsitzende berichtete<br />
über die Tätigkeit des Vereins im Berichtszeitraum<br />
seit der letzten Versammlung im<br />
November 2011. Die tägliche Hauptarbeit<br />
besteht in der Betreuung älterer Kameraden<br />
und deren Familienangehörigen. Dazu<br />
zählt insbesondere der Beistand in Todesfällen<br />
und die Abwicklung von einzelnen Verwaltungsakten.<br />
Als vornehmste Aufgabe<br />
bezeichnet der Luftwaffenring die Aufklärung<br />
von Fliegerschicksalen. Beispielhaft<br />
ist hier die Tätigkeit im Fall des Fliegers<br />
Julius Wienand zu nennen. Die Stadt Isselburg<br />
im Münsterland entdeckte Ende<br />
2012 auf einem Friedhof in einer Grabstätte<br />
einen Zinksarg. Da es sich um die<br />
Familiengruft Wienand handelte, wurden<br />
Nachkommen der inzwischen verzogenen<br />
Familie gesucht. Ein Neffe berichtete vom<br />
Bruder seines Vaters, der im Ersten Weltkrieg<br />
in Belgien gefallen sei. Der Onkel sei<br />
Motorschlosser für Flugzeuge gewesen. Zu<br />
diesem Zeitpunkt kam die Anfrage an den<br />
Deutschen Luftwaffenring. Nach umfangreicher<br />
Aufklärungsarbeit und der Sammlung<br />
von Bild- und Textdokumenten stiftete<br />
der Luftwaffenring für das instand gesetzte<br />
Einzelgrab eine Platte mit Namen und Daten<br />
des Fliegers Julius Wienand. Am 23.Mai<br />
2013 fand eine würdige Zeremonie mit Vertretern<br />
der Stadt, vier Familienangehörigen<br />
und einer Abordnung des Luftwaffenrings<br />
statt. Der Verein widmet sich der wissenschaftlichen<br />
Arbeit zur Geschichte der Militärfliegerei.<br />
Im nächsten Jahr ist es 100 Jahre<br />
her, dass der Erste Weltkrieg begann. Mit<br />
unserer Arbeit soll die Geschichte in Form<br />
2<br />
von Einzelpersonen und deren Schicksalen<br />
dargestellt werden. Es ist die Sichtweise des<br />
kleinen Mannes, der in die historischen<br />
Ereignisse verwickelt war. Dazu forschen<br />
zur Zeit Mitglieder des Vereins in Lazarett-<br />
Büchern des 1.Weltkriegs. Wer hat wo welchen<br />
Dienst getan. Wer hat wann welche<br />
Krankheiten und Verletzungen erlitten. In<br />
welchen persönlichen Beziehungen fanden<br />
die Kriegseinsätze der Beteiligten statt. Zur<br />
Geschichte gehört aber auch die Darstellung<br />
der NVA-Luftstreitkräfte und die Dokumentation<br />
der russischen Luftwaffe auf<br />
deutschem Boden. Nach dem 2.Weltkrieg<br />
haben wir über 60 Jahre Versöhnungsarbeit<br />
mit dem Westen betrieben. Vergleichbare<br />
Aktivitäten in Richtung Osten sind noch<br />
sehr zaghaft. Der Luftwaffenring betrachtet<br />
dies als Zukunftsaufgabe. Der gesamte Vorstand<br />
des Luftwaffenrings engagiert sich in<br />
der Kontaktpflege zu anderen Verbänden<br />
und Vereinen. Als Beispiel ist hier die IdLW,<br />
Interessengemeinschaft der Luftwaffe, und<br />
der Verband der Reservisten der Bundeswehr<br />
zu nennen. Der stellvertretende Vorsitzende<br />
Dr. Peter Kobbe berichtete über die<br />
Zeitzeugenkonferenzen in Finowfurt aus<br />
dem Jahr 2012 zum Thema Atomwaffen<br />
in der NATO und Russland. Im Jahr 2013<br />
berichteten deutsche und russische Piloten<br />
über Luftspionage im Kalten Krieg. Inzwischen<br />
ist ein zweisprachiges Buch entstanden,<br />
das sich mit den Themen befasst. In<br />
der folgenden Diskussion würdigte die Versammlung<br />
die Leistung aller Aktiven des<br />
Vereins, weil dafür nur bescheidene Mittel<br />
zur Verfügung standen und das Engagement<br />
und vielfache Eigenleistung der Mitglieder<br />
das Gesamtbild des Luftwaffenrings<br />
ergeben. In der Tagesordnung folgte der<br />
Bericht des Schatzmeisters Horst Obbelode.<br />
Im Jahr 2012 musste wieder ein Verlust von<br />
5.696 Euro getragen werden. Ursache ist<br />
die Erstellung der Zeitschrift Luftwaffenrevue,<br />
die im laufenden Jahr 2013 und in der<br />
Planung 2014 der einzige Aufwandsposten<br />
sein wird. Alle übrigen Ausgaben des<br />
Vereins sind nur von geringer Bedeutung.<br />
Die Einnahmen bestehen aus den Beiträgen<br />
von aktuell 101 Mitgliedern sowie aus<br />
dem Jahresentgelt von 204 Abonnenten der<br />
Luftwaffenrevue. Anschließend berichtete<br />
der Kassenprüfer Günter Bennewitz über<br />
die von den gewählten Prüfern Waldtraud<br />
Busch und ihm im Januar 2013 durchgeführte<br />
Prüfung. Grundlage der Prüfung<br />
waren die vorgelegten Unterlagen, deren<br />
Prüfung und Klarheit keine Beanstandungen<br />
ergaben. Der Prüfungsbericht ist nach<br />
der Kassenprüfungsordnung des Verbandes<br />
der Reservisten der Deutschen Bundeswehr<br />
erstellt. Damit sind alle satzungs-rechtlichen<br />
Bestimmungen erfüllt. Die Kassenprüfer<br />
empfahlen der Versammlung die<br />
Entlastung des Vorstandes für den Berichtszeitraum.<br />
Christian Emmerling stellte den<br />
Antrag zur Abstimmung. Die Entlastung<br />
wurde ohne Gegenstimme erteilt. Mit jeweils<br />
23 Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme<br />
und keiner Enthaltung wurde der Vorstand<br />
gewählt, und zwar Oberst d.R. Horst Schuh<br />
zum Bundesvorsitzenden, Dr. Peter Kobbe<br />
zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden,<br />
Hans Peter Killeit zum Hauptgeschäftsführer<br />
und Horst Obbelode zum Bundesschatzmeister.<br />
Auf die Wahl von Beisitzern<br />
wurde verzichtet, weil die Mitgliederstärke<br />
des Vereins eine weitere Untergliederung<br />
nicht erforderlich macht. Dem Vorschlag<br />
des Bundesvorsitzenden Horst Schuh, dem<br />
Vorstand zu gestatten, zur Erledigung besonderer<br />
Aufgaben geeigneten Mitgliedern<br />
per Zuziehung entsprechende Aufträge zu<br />
erteilen, stimmte die Versammlung ohne<br />
Gegenstimme zu. Als Kassenprüfer der<br />
nächsten Periode 2013 und 2014 wurden<br />
Waltraud Busch und Günter Bennewitz<br />
einstimmig wiedergewählt. Anschließend<br />
stellte der Bundesschatzmeister den Wirtschaftsplan<br />
für das Jahr 2014 vor. Zentraler<br />
Aufwand bleibt die Zeitschrift Luftwaffenrevue,<br />
deren Ausgabe an die Mitglieder<br />
satzungsgemäße Verpflichtung ist. Um das<br />
seit Jahren sich verschärfende Problem der<br />
finanziellen Unterdeckung zu lösen, gibt<br />
es zum einen die Möglichkeit, die Satzung<br />
zu ändern und die Verpflichtung zur Herausgabe<br />
der Zeitschrift zu löschen. Diese<br />
Möglichkeit ist bei allen auf einstimmige<br />
Ablehnung gestoßen. In den vergangenen<br />
2 Jahren hat der Vorstand mehrere Anläufe<br />
unternommen, um die Erstellung der Luftwaffenrevue<br />
durch Verbindung mit anderen<br />
Organisationen und Unternehmen auf<br />
eine wirtschaftlich sichere Basis zu stellen.<br />
Aktuell werden Verhandlungen geführt,<br />
um den vielen anderen militär-historischen<br />
Vereinen und Museen die Luftwaffen-Revue<br />
als Publikationsplattform anzubieten.<br />
Um 19:50 Uhr verabschiedete der Bundesvorsitzende<br />
Horst Schuh mit einem Schlusswort<br />
die anwesenden Mitglieder und Gäste.<br />
Am nächsten Tag fand für die Teilnehmer<br />
der Bundeshauptversammlung eine sehr<br />
interessante Führung im Wehrtechnischen<br />
Museum in Röthenbach statt. Am frühen<br />
Abend wurde eine Dorfbrauerei in der fränkischen<br />
Schweiz besucht. Am Samstag,<br />
dem 2.11.2013, machten sich alle Teilnehmer<br />
der Bundeshauptversammlung auf<br />
den Heimweg.<br />
Bericht: Horst Obbelode
DEUTSCHER<br />
<strong>LUFTWAFFEN</strong>RING e.V.<br />
Verehrte Mitglieder und Freunde des DLwR!<br />
Liebe Kameradinnen und Kameraden!<br />
Die Mitgliederversammlung des DLwR e.V. fand am 31.10.2013 in Nürnberg statt. Ich danke auch an<br />
dieser Stelle dem Vorsitzenden des Ortsverbandes, Christian Emmerling, für die Ausrichtung der Veranstaltung.<br />
Im Schulterschluß mit unserem Schatzmeister, Horst Obbelode, war sie so gut organisiert, dass<br />
sie zügig und gehaltvoll ablaufen konnte. Der alte Bundesvorstand wurde entlastet und durch Neuwahl<br />
im Amt bestätigt (siehe Bericht / Protokoll auf Seite 2).<br />
Wir danken den anwesenden Mitgliedern, die uns einstimmig das Vertrauen ausgesprochen haben. Wir<br />
sind entschlossen, unsere Verbandsarbeit trotz der rückläufigen Mitgliederzahl und der finanziellen Engpässe<br />
fortzusetzen. Dabei gilt unseren Alterskameraden besondere Beachtung und Wertschätzung. Sie zu<br />
betreuen und kommunikativ einzubinden, ist uns eine vorrangige und ehrenvolle Aufgabe. Daher sehen<br />
wir die Luftwaffen-Revue nach wie vor als das wichtigste Mittel an, unsere Mitglieder und Abonnenten zu<br />
informieren und miteinander zu verbinden. Wir im Vorstand sind aufgerufen, das Weiterbestehen unserer<br />
Verbandszeitung mit einem neuen finanziellen Konzept abzusichern. Daran werden vor allem mein Stellvertreter,<br />
Dr. Klaus-Peter Kobbe, und der Bundesgeschäftsführer, Hans Peter Killeit, arbeiten.<br />
Unsere Einbettung in die atlantische Werte- und Verteidigungsgemeinschaft werden wir durch eine Kontaktpflege<br />
mit unseren osteuropäischen Nachbarn gezielt erweitern. In der Aufarbeitung des Kalten Krieges<br />
haben wir schon gute Erfahrungen im Austausch mit ehemaligen Angehörigen der WP-Luftstreitkräfte<br />
und mit russischen Wissenschaftlern gemacht (siehe Bericht ab Seite 14). Diese Arbeit werden wir energisch<br />
fortsetzen. So schauen wir zuversichtlich in die Zukunft. Ich bitte alle Teilnehmer der Mitgliederversammlung,<br />
sich diese optimistische Erwartungshaltung zu eigen zu machen und sie in ihre Ortsverbände zu<br />
tragen.<br />
Glück auf!<br />
Mit kameradschaftlichem Gruß<br />
Horst Schuh - Bundesvorsitzender<br />
In diesem Heft:<br />
Bundeshauptversammlung in Nürnberg 2<br />
Vorwort Horst Schuh, Bundesvorsitzender 3<br />
Strategischer Lufttransporter A400M 4<br />
Interview Testpilot Karl-Heinz Mai 9<br />
Piloten auf dem Prüfstand 10<br />
Sehenswert - Museum Laarbruch 12<br />
Gefährliche Spiele in Finow 14<br />
Interview Alexander Iwanowitsch Cholod 16<br />
Wenn Mütter überraschen 17<br />
Im Tiefflug über die Alpen 18<br />
Die Gothas im Angriff auf London 20<br />
Abwurfmunition im Ersten Weltkrieg 22<br />
Bücher - Vorstellungen 29<br />
Ehrentafel 33<br />
Luftschlacht überm Kamm 33<br />
Service / Impressum 34<br />
Vorstand / Verbundenes 35<br />
Rückseite: Radio Andernach Kalender 36<br />
Foto Cover: Airbus Military<br />
3
LUFTWAFFE<br />
Strategischer Luftransporter Airbus A400M<br />
Ab 2014 werden 40 Maschinen in Wunstorf stationiert<br />
Sein markantes Äußeres macht den A400M unverwechselbar.<br />
Der zukünftige strategische Lufttransporter<br />
der Luftwaffe: der A400M Atlas.<br />
Seit März ist das Flugzeug von der<br />
europäischen Luftfahrtbehörde EASA<br />
zugelassen. Antrittsbesuch beim Lufttransportgeschwader<br />
62 in Wunstorf,<br />
wo die 40 deutschen Flugzeuge ab<br />
2014 stationiert werden.<br />
Es wird gebohrt, gehämmert und geklopft<br />
in der Halle 400 bei Airbus am Bremer<br />
Flughafen. Auf einer Fläche von anderthalb<br />
Fußballfeldern entsteht der Mittelrumpf<br />
des Transportflugzeugs A400M.<br />
„Integration“ heißt das im Fachsprech,<br />
denn es geht um weit mehr als nur das<br />
Verbinden einzelner Bauelemente.<br />
Es ist ein Ort der Superlative: 450 Mitarbeiter<br />
bauen 124.000 Geräte und Teile zu<br />
dem zusammen, was später einmal der<br />
Hauptteil des Flugzeuges werden wird.<br />
Legte man allein die 22.000 Einzelkabel<br />
hintereinander, deckten sie ein Drittel<br />
der Wegstrecke zum Mond ab. Grün<br />
schimmern die großen Rumpfhülsen<br />
zwischen Gerüsten hervor. Sie sind mit<br />
Antikorrosionsfarbe lackiert.<br />
„60 Prozent des A400M entstehen in<br />
Deutschland“, erklärt Fertigungsleiter<br />
Jörg Werner. Der Ingenieur führt an den<br />
einzelnen Arbeitsstationen entlang. Vor<br />
uns in der Station 800 steht das Flugzeug<br />
mit der Seriennummer MSN 14. Abnehmer<br />
ist die französische Luftwaffe.<br />
Im ersten Schritt entsteht die Rumpfstruktur.<br />
Die Oberschale kommt aus<br />
Nordenham, die Unterschale aus Augsburg<br />
und die Seitenschalen aus dem südafrikanischen<br />
Johannesburg.<br />
Fertigung mit höchsten Ansprüchen<br />
Hier auf der einen Hallenseite wächst in<br />
vier Stationen zusammen, was zusammengehört.<br />
Ein Vorgang mit höchsten<br />
Ansprüchen. „Für jeden Tag definiert ein<br />
Fertigungsteam seine Ziele“, sagt Werner.<br />
Und wenn Fehler passieren „Dann<br />
reden wir darüber. Und tun alles, dass sie<br />
nicht wieder vorkommen.“ Beispiel: Ein<br />
Mitarbeiter bohrt ein zu kleines Loch –<br />
nicht so schlimm.<br />
Aber wenn er es zu groß bohrt „Das ist<br />
schlecht. Kann aber jetzt fast nicht mehr<br />
passieren“, erklärt der Diplom-Ingenieur<br />
für Produktionstechnik. Denn die Bohrer,<br />
ihre Behälter und die Löcher im Bauplan<br />
sind farblich codiert. Rotes Loch – roter<br />
Bohrer – aus einer roten Schachtel. Ein<br />
einfaches System, das Zeit und viel Geld<br />
2014 soll die Luftwaffe der Bundeswehr den A400M erhalten.<br />
4
LUFTWAFFE<br />
Acht Wiesel, ein NH90 oder zwei Tiger-<br />
Kampfhubschrauber finden Platz im A400M.<br />
spart, erdacht von den Mitarbeitern.<br />
Auf der gegenüberliegenden Seite werden<br />
die Rümpfe zuerst ausgestattet,<br />
dann ausgerüstet. MSN 11, ebenfalls<br />
für die französische Luftwaffe bestimmt,<br />
steht kurz vor dem Abtransport nach<br />
Sevilla zur Endmontage. Dazu wird der<br />
riesige Rumpf in den Airbustransporter<br />
Beluga geladen und nach Spanien geflogen.<br />
Dort werden dann Tragflächen,<br />
Triebwerke und Propeller, Cockpit, Leitwerk<br />
und Fahrwerk angebracht und das<br />
Flugzeug vervollständigt, MSN 11 soll<br />
Ende des Jahres erstmals fliegen.<br />
Größer, weiter, leiser<br />
Fliegerhorst Köln-Wahn. Vor den Hangars<br />
der Flugbereitschaft steht der A400M<br />
Atlas, er ist klar zum Start. Erst jetzt werden<br />
die Dimensionen des strategischen<br />
Transporters richtig klar: 45 Meter lang,<br />
eine Spannweite von 42 Metern und nahezu<br />
15 Meter hoch, an den Turbinentriebwerken<br />
vier riesige, achtblättrige,<br />
sichelförmige Luftschrauben. Die Rampe<br />
am Heck ist schon zugefahren, über die<br />
Treppe erreicht man den Laderaum. Der<br />
grau lackierte Riese ist fast ein Drittel<br />
länger als die C-160 Transall, die hinter<br />
ihm parkt.<br />
Nach kurzer Rollstrecke erreichen wir die<br />
Startbahn 32 L und heben nach wenigen<br />
hundert Metern ab. Unser Ziel: das Lufttransportgeschwader<br />
62 in Wunstorf bei<br />
Hannover. An Bord sind Bundeswehrangehörige<br />
und Vertreter des Herstellers.<br />
Man sitzt bequem in den Schalensitzen<br />
an den Längsseiten und in der Mitte, das<br />
Umgebungsgeräusch ist deutlich niedriger<br />
als in der Transall. Das liegt auch<br />
daran, dass die Kohlefaserluftschrauben<br />
nicht mal 1.000 Umdrehungen in der<br />
Minute machen. In Deutschland dürfte<br />
das vor allem Anwohner von Flughäfen<br />
freuen, die der A400M anfliegen wird.<br />
Der Laderaum ist rund 3,85 Meter hoch,<br />
vier Meter breit, dabei knapp 18 Meter<br />
lang. Wenn die Mittelsitze ausgebaut<br />
sind, finden hier sechs Landrover Platz.<br />
Wahlweise auch acht Waffenträger vom<br />
Typ Wiesel oder ein leichter Transporthubschrauber<br />
NH-90 beziehungsweise<br />
zwei Tiger-Kampfhubschrauber. Sogar<br />
die CH-53 oder ihre große Schwester, die<br />
Chinook, passen rein. Bis zu 37 Tonnen<br />
Fracht transportiert das Flugzeug mit<br />
knapp 800 Kilometern in der Stunde über<br />
lange Strecken – und kann dann am Ziel<br />
auf kurzen, unbefestigten Pisten landen.<br />
Mit 30 Tonnen im Laderaum fliegt der<br />
A400M rund 4.500 Kilometer. Zum Vergleich:<br />
Die Transall schafft mit der halben<br />
Ladung nur ein Drittel des Weges.<br />
Schöne, neue Technikwelt<br />
„Alle Fracht, die auf LKW transportiert<br />
wird, kann nahtlos in den A400M eingeladen<br />
werden, ohne dass man sie umpacken<br />
muss“, erklärt Norbert Kolvenbach<br />
von Airbus Military. „Damit schließen<br />
wir eine logistische Lücke.“ Möglich<br />
macht es das Frachtladesystem – eine<br />
ausgeklügelte Anordnung von Rollen,<br />
Riegeln und Ösen, die im flachen Boden<br />
des Laderaums integriert sind und mit<br />
wenigen Handgriffen ausgeklappt werden<br />
können.<br />
Am Bugende neben der Treppe zum<br />
Cockpit befindet sich die Workstation<br />
des Ladungsmeisters mit einem großen<br />
Flachbildschirm. Über seinen Computer<br />
ist er mit dem Flight Management System<br />
und den Navigationssystemen im<br />
Cockpit verbunden. „So kann er nicht<br />
nur seine Schwerpunktberechnung direkt<br />
ins System einspeisen, sondern auch<br />
bestimmen, wo er in der Luft die Ladung<br />
absetzen muss, damit sie ihr Ziel am Boden<br />
punktgenau erreicht“, sagt Ex-Tornado-Pilot<br />
Kolvenbach.<br />
5
LUFTWAFFE<br />
Im Cockpit sitzen die beiden Airbus-Testpiloten<br />
Karl-Heinz Mai und Dietrich Flade.<br />
Gesteuert wird das Flugzeug wie zivile<br />
Airbusmuster mit einem Sidestick, der<br />
seitlich an der Cockpitwand angebracht<br />
ist. Das Panel mit seinen acht großen<br />
Hochformatbildschirmen sieht fast aus<br />
wie das eines Airliners. Mit einem Blick<br />
scannt Mai Fluglage, Höhe, Geschwindigkeit<br />
und Triebwerksparameter. Auf<br />
Augenhöhe vor der Frontscheibe sind die<br />
Flugdaten noch einmal in einen transparenten<br />
Bildschirm eingespiegelt. „Er unterstützt<br />
den Piloten, soweit es geht, wobei<br />
der Pilot sich mehr auf Avionikarbeit<br />
konzentrieren muss“, sagt Mai. „Und das<br />
klappt mit dieser Maschine echt wunderbar.“<br />
Quelle / Fotos:<br />
Airbus / Luftwaffe.de / Stefan Bitterle<br />
Ähnliche Technik wie im A380<br />
gibt es auch im militärischen<br />
Cockpit.<br />
Bevor ein Airbus abhebt<br />
Die fliegerische Erprobung fängt heute in einem Entwicklungssimulator an.<br />
Testpilot – das klingt nach Abenteuer<br />
in fliegenden Kisten, die gelegentlich<br />
mal abschmieren. Das war einmal.<br />
Dank Simulatoren und Computermodellen<br />
sieht die Wirklichkeit heute<br />
anders aus. Karl-Heinz Mai gehört zur<br />
Top-Tester-Gruppe der europäischen<br />
Luftfahrt. Er war einer der ersten, die<br />
die neue A400M flogen.<br />
Testpiloten verbringen mehr Zeit am<br />
Boden als in der Luft. Bereits vor den<br />
eigentlichen Testflügen nehmen sie an<br />
der Entwicklung neuer Modelle teil und<br />
erfliegen diese unzählige Male im Simulator.<br />
Hinzu kommen Design- und Verfahrensbesprechungen<br />
sowie zahllose Meetings<br />
mit den Entwicklern.<br />
6<br />
„Neben der fliegerischen Erprobung sind<br />
Testpiloten an der Entwicklung der Testprogramme,<br />
der Dokumentation sowie<br />
der Auswertung der einzelnen Tests beteiligt“,<br />
sagt Karl-Heinz Mai (53), Testpilot<br />
bei „Airbus“. „Wir sind die ersten<br />
Bediener, wir verstehen die Ingenieure<br />
und versuchen, ihnen unsere Bedürfnisse<br />
und damit die der späteren Nutzer zu<br />
vermitteln.“<br />
Die fliegerische Erprobung fängt heute<br />
nicht mehr mit einem Prototyp an, sondern<br />
in einem Entwicklungssimulator.<br />
„Dieser simuliert das am Computer errechnete<br />
Flugverhalten, und der Testpilot<br />
muss entscheiden, ob der Flieger mit<br />
den Parametern in der Realität zu fliegen<br />
und zu bedienen wäre“, erläutert Mai. Er<br />
testet unter anderem das Transportflugzeug<br />
A400M.<br />
Simulierter Erstflug<br />
mit dem „Iron Bird“<br />
Als das erste Entwicklungsflugzeug im<br />
spanischen Sevilla endmontiert und am<br />
12. November 2009 der Testorganisation<br />
offiziell übergeben wurde, blieb dieses<br />
erstmal am Boden. Die elektrischen Systeme<br />
wurden versuchsweise hochgefahren<br />
und anschließend ausführlich getestet.<br />
Irgendwann ließen die Ingenieure die<br />
Triebwerke an, checkten deren gesamten<br />
Leistungsbereich durch. Zu diesem Zeitpunkt<br />
hatte sich der Flieger aus eigener<br />
Kraft noch keinen Meter bewegt.
LUFTWAFFE<br />
Die „Grizzlys“ werden in Sevilla montiert - Montage eines Test-Airbus in einem Hangar.<br />
Die nächste Phase begann für die A400M<br />
am 24. November 2009 mit langsamen<br />
Rolltests, die sich bis zu Startabbruchversuchen<br />
bei hoher Geschwindigkeit steigerten.<br />
Erst als das alles erfolgreich abgeschlossen<br />
war, kam es am 11. Dezember<br />
zum lang erwarteten, rund vierstündigen<br />
Erstflug. Die Testpiloten hatten das Flugzeug<br />
zuvor jedoch bereits unzählige Male<br />
in kritischen Situationen „geflogen“ – im<br />
Simulator.<br />
„Dessen Cockpit entspricht dem Original.<br />
Auch das berechnete und simulierte<br />
Flugverhalten kommt der Realität sehr<br />
nahe“, erläutert Mai. Deshalb werden<br />
alle Tests von Notsituationen, wie Triebwerksausfälle,<br />
immer erst simuliert. „Wir<br />
müssen möglichst auf alles vorbereitet<br />
sein, denn wir können uns Unfälle während<br />
der Flugerprobung nicht leisten.“<br />
Bevor sich das neue Flugzeug schließlich<br />
zum ersten Mal in die Lüfte erhebt, findet<br />
sogar ein aufwendig simulierter Erstflug<br />
mit einem sogenannten „Iron Bird“ statt.<br />
Dafür werden die Computer sowie die<br />
elektrischen und hydraulischen Systeme<br />
des Flugzeuges in Laboren aufgebaut.<br />
Letztere werden von den Testpiloten im<br />
Simulator über die Flugzeugcomputer<br />
real angesteuert und bewegt. Dabei sind<br />
die Systeme echten, mechanischen Gegendrücken<br />
ausgesetzt, wie sie im Flug<br />
entstünden.<br />
War der Erstflug erfolgreich, geht es in<br />
der eigentlichen Testflugphase unter anderem<br />
um das Erfliegen der Grenzbereiche,<br />
also etwa Mindest- und Maximalgeschwindigkeiten.<br />
Außerdem ermitteln<br />
und erproben die Teams maximale Abflug-<br />
und Landegewichte, entwickeln<br />
Notverfahren bei Ausfällen von Komponenten<br />
sowie effiziente Methoden der<br />
Bedienung.<br />
Ebenso untersuchen sie Gefahren in<br />
ungewöhnlichen Flugzuständen, wie<br />
Strömungsabriss oder Flug bei extremer<br />
Vereisung. Dazu war das zweite und dritte<br />
Exemplar der A400M-Testflotte, die<br />
inzwischen auf den Namen „Grizzly“<br />
getauft worden waren, Anfang Februar<br />
2011 für vier Tage im nordschwedischen<br />
Kiruna, wo Temperaturen von bis zu minus<br />
35 Grad Celsius herrschten. Dank<br />
der Berechnungen der Ingenieure und<br />
der Simulationen wissen die Testpiloten<br />
meist genau, was sie während dieser Flüge<br />
erwartet.<br />
Keine 100-prozentige Sicherheit<br />
Doch selbst viele Jahrzehnte nach den<br />
ersten Flugpionieren bleibt immer noch<br />
ein gewisses Restrisiko. Nicht alles lässt<br />
sich mit 100-prozentiger Sicherheit simulieren.<br />
Zudem fehlen bei Neuentwicklungen<br />
reale Erfahrungen und entsprechende<br />
Handbücher. „Wir haben durch unser<br />
Training und unsere jahrelange Erfahrung<br />
gelernt, uns schnell auf ein völlig<br />
neues System einzustellen und Unregelmäßigkeiten<br />
zu erkennen“, sagt Mai.<br />
Wie in der Autoentwicklung – nur noch<br />
viel restriktiver – gibt es in der Flugzeugentwicklung<br />
detaillierte, sehr strenge<br />
und allgemein gültige Bau- und Zulassungsvorschriften.<br />
Deren Vorgaben werden<br />
während der Erprobung überprüft.<br />
Mögliche Gefahren erkennen<br />
Vor dem Erstflug haben die Testpiloten zahlreiche Testflüge simuliert.<br />
7
LUFTWAFFE<br />
Bevor der Airbus zum ersten Mal abhebt, muss er zahlreiche Bodentests durchlaufen.<br />
Obendrein muss ein Militärflugzeug<br />
noch für seine im Vertrag spezifisch festgelegten<br />
militärischen Aufgaben qualifiziert<br />
werden.<br />
So wird bei der A400M etwa das Absetzen<br />
von Fallschirmjägern und Lasten aus<br />
der Luft, das eigene Auftanken sowie das<br />
Betanken anderer Luftfahrzeuge im Flug<br />
erprobt. Die erste „trockene“ Versuchsserie<br />
startete im Februar 2011 vom französischen<br />
Toulouse aus. Ein Tanker der britischen<br />
Royal Air Force vom Typ Vickers<br />
VC10 unterstützte Airbus Military dabei.<br />
8<br />
25.000 simulierte Flüge in<br />
anderthalb Jahren<br />
Nach mit Wasser gefüllten Ballons waren<br />
bereits Anfang November 2010 die<br />
ersten Fallschirmspringer sowie spezielle<br />
Testdummies über dem französischen<br />
Übungsgebiet Fonsorbes nahe Toulouse<br />
abgesetzt worden. Für die Tests von Landungen<br />
auf unvorbereiteten Pisten präparierten<br />
die Entwickler eine Landebahn<br />
mit einem speziellen Kalksteinbelag.<br />
Dieser weiße Kies streifte bei dem Startversuch<br />
das Flugzeug. Die Tester konnten<br />
durch Abzeichnungen auf Folien am<br />
Rumpf erkennen, wohin die Luftströmungen<br />
im Ernstfall Staub und Teilchen<br />
wirbeln würden. Im Januar 2011 begann<br />
im sächsischen Dresden zudem eine<br />
ganz spezielle Erprobung: Eine Testflugzeugzelle<br />
wurde dort zunächst vier Wochen<br />
lang rund um die Uhr unter Druck<br />
gesetzt, um so 160 Flüge täglich zu simulieren.<br />
Die ersten 1.665 dieser Flüge sind für die<br />
Typenzertifizierung durch die European<br />
Aviation Safety Agency (EASA), die ihren<br />
Sitz in Köln hat, vorgeschrieben. Insgesamt<br />
sollen im Verlauf der kommenden<br />
rund anderthalb Jahre 25.000 Flüge simuliert<br />
werden, was etwa dem Zweieinhalbfachen<br />
der vorgesehenen Lebensdauer<br />
der A400M entspricht.<br />
Hilfsmittel<br />
Bei bestimmten Flugmanövern wurde<br />
für Notfälle ein zusätzlicher Treibsatz<br />
im Heck installiert. Mithilfe künstlicher<br />
Präzisionsarbeit an der A400M<br />
Eisansatzformen wird im Flug die Luftströmung<br />
am Flügel unter Vereisungsbedingungen<br />
simuliert. Für extreme<br />
Startversuche wird eine Schutzvorrichtung<br />
(Tailbumper, deutsch: Heckpuffer)<br />
unter dem Heck angebracht, um<br />
beim Aufsetzen des Rumpfhinterteils<br />
Beschädigungen zu vermeiden. Zur Kalibrierung<br />
der Luftdatenanlage wird eine<br />
Kalibrierungssonde an einem 50 bis 70<br />
Meter langen Schlauch im Flug aus dem<br />
oberen Seitenleitwerk herausgespult und<br />
von der Luftströmung gezogen.<br />
Schutz<br />
Bei kritischen Versuchen wie beispielsweise<br />
Strukturflatterflügen tragen die<br />
Piloten einen Helm und einen Rettungsschirm.<br />
Belastung<br />
Es ist Teil der Zulassungsvorschriften,<br />
dass die Betriebsgrenzen erflogen und<br />
die Sicherheit innerhalb dieser Grenzen<br />
durch Flugversuche nachgewiesen werden<br />
muss. Aber der risikolose Ablauf<br />
muss auch über die Grenzen hinaus erflogen<br />
und im Flug nachgewiesen werden.<br />
So muss zum Beispiel die Strukturfestigkeit<br />
bis zirka zehn Prozent über<br />
der maximalen Fluggeschwindigkeit gewährleistet<br />
sein.<br />
Quellen/Fotos:<br />
Airbus Military, Luftwaffe.de
LUFTWAFFE<br />
»Das Abheben bei meinem Erstflug mit der A400M war überwältigend.«<br />
Das kann man schlecht quantifizieren, aber<br />
es sind sehr viele und das gilt nicht nur für<br />
die A400M. Gerade bei derartigen Neuentwicklungen<br />
kann man auf diese Weise gefahrlos<br />
und kostengünstiger das Flugverhalten<br />
testen und so die Effizienz und Sicherheit<br />
der Flugerprobung insgesamt erhöhen. Das<br />
gleiche gilt aber auch bei bereits existierenden<br />
Flugzeugmustern, wenn man deren<br />
Flugsicherheit und Flugbereich überprüfen<br />
oder erweitern will, etwa bei der Maximalund<br />
Minimalgeschwindigkeit oder besonders<br />
anspruchsvollen Flugmanövern.<br />
Sind Testpiloten immer nur an einem<br />
Entwicklungsprogramm beteiligt, da bis<br />
zum Erstflug ja oft Jahre vergehen können<br />
Nein, besonders in der Entwicklungsphase<br />
vor der eigentlichen Flugerprobung müssen<br />
wir auch andere Flugerprobungsaufgaben<br />
übernehmen. Das ist allein schon deshalb<br />
notwendig, damit wir unsere fliegerische<br />
Expertise erhalten. Allerdings konzentrieren<br />
wir uns insgesamt sehr wohl immer auf ein<br />
Hauptprogramm, sei es die A330 MRTT oder<br />
A400M, beziehungsweise eines der zivilen<br />
Projekte.<br />
Fliegen Sie auch privat<br />
Karl-Heinz Mai (53) gehört zum achtköpfigen<br />
Kernteam der Testpiloten,<br />
die die A400M auf Herz und Nieren<br />
prüfen. Seine fliegerische Ausbildung<br />
absolvierte der ehemalige Berufssoldat<br />
Anfang der 80er Jahre bei der Bundeswehr.<br />
Nach seinem Studium der Luftund<br />
Raumfahrttechnik flog er dort<br />
zunächst auf der F-4F Phantom. 1990<br />
erhielt Mai eine einjährige Spezialausbildung<br />
an der britischen Empire Test<br />
Pilots’ School und wechselte als Testpilot<br />
an die WTD 61 (Wehrtechnische<br />
Dienststelle für Luftfahrzeuge). Heute<br />
arbeitet er als einer von rund 40 Testpiloten<br />
beim europäischen Luftfahrtkonzern<br />
EADS/AIRBUS. Vor der A400M<br />
war er bereits an der Erprobung des<br />
Eurofighters, der A310 MRTT und der<br />
A330 MRTT beteiligt.<br />
Das Interwiev<br />
Wie würden Sie Ihren Beruf in einem<br />
Satz zusammenfassen<br />
Eine abwechslungsreiche und herausfordernde<br />
Passion, die darauf ausgerichtet ist,<br />
dass Flugzeuge und deren Subsysteme flugtauglich<br />
und sicher, gut zu bedienen und<br />
ihren künftigen Anforderungen stets voll gewachsen<br />
sind.<br />
Teil dieser Passion ist sicherlich auch<br />
immer der Jungfernflug mit einem neuen<br />
Flugzeugtyp<br />
Ja, die Besonderheit liegt einfach darin,<br />
nach langer Vorarbeit ein neues Flugzeugmodell<br />
als der Allererste oder wenigstens<br />
als einer der Allerersten fliegen zu können.<br />
Auch wenn ich beim Erstflug der A400M<br />
beispielsweise selbst noch nicht mit an Bord<br />
war, war das Abheben bei meinem persönlichen<br />
Erstflug mit dieser Maschine später<br />
trotzdem wieder ein überwältigendes Erlebnis<br />
für mich. Insbesondere weil ich mich mit<br />
der A400M schon jahrelang im Rahmen der<br />
Entwicklung und Bodentests beschäftigt hatte<br />
und das Flugzeug bereits zahlreiche Male<br />
im Simulator geflogen bin.<br />
Wie viele Stunden im Simulator kommen<br />
bei einem Testpiloten auf eine reale<br />
Flugstunde<br />
Ja, soweit es die Zeit erlaubt, mache ich leidenschaftlich<br />
gerne Segelflug. Das ist die<br />
Urform des menschlichen Fluges und auch<br />
meine persönlich erste und immer noch heiß<br />
geliebte Form des Fliegens. Ab und zu fliege<br />
ich auch mal mit einem kleinen einmotorigen<br />
Sportflugzeug. Wie bei meinen meisten<br />
Kollegen kann man deshalb auch bei mir<br />
sagen, dass das Fliegen schon mehr als ein<br />
Beruf ist. Es ist eine Passion!<br />
Welche Flugzeugtypen sind Sie in Ihrem<br />
bisherigen Pilotenleben am liebsten geflogen<br />
Neben den Segelflugzeugen habe ich drei<br />
Favoriten: An erster Stelle steht da natürlich<br />
die F-4F Phantom, schon weil es mein erstes<br />
und das von mir meist geflogene Einsatzmuster<br />
gewesen ist. Genauso gerne habe ich<br />
den Eurofighter geflogen, weil er von seiner<br />
Leistung her der beeindruckendste und rein<br />
fliegerisch am besten gelungene Singleseat-<br />
Fighter ist, den ich kenne.<br />
Schließlich bin ich aber auch von meiner<br />
heutigen Arbeit mit der A400 begeistert,<br />
weil sie in der Klasse der Transportflugzeuge<br />
über 100 Tonnen Fluggewicht völlig neue<br />
Maßstäbe in puncto Flugleistung und -eigenschaften<br />
setzt.<br />
Was war in Ihrer Zeit als Testpilot die<br />
bisher kritischste Situation<br />
Die Autofahrt von zuhause zum Flugplatz.<br />
Quelle/Foto Luftwaffe.de, AGMPress<br />
9
LUFTWAFFE<br />
Piloten auf dem Prüfstand<br />
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin und der Fliegerärztliche Dienst der Luftwaffe<br />
natürliche Anlage mitbringen, sondern<br />
man muss in theoretischer und praktischer<br />
fliegerischer Ausbildung auch das<br />
enorme Lernpensum bewältigen können<br />
– Ausbildungsfähigkeit, „Trainability“<br />
nennt man das.<br />
Stichwort „körperliche Fliegertauglichkeit“<br />
Auch in neuen Strukturen braucht die<br />
Luftwaffe Pilotinnen und Piloten, die<br />
zu Höchstleistungen fähig sind. Das<br />
zum 01.10.2013 neu gebildete Zentrum<br />
für Luft- und Raumfahrtmedizin<br />
und der Fliegerärztliche Dienst der<br />
Luftwaffe unterstützen die Luftwaffe<br />
dabei, diese Menschen auszuwählen,<br />
für spezielle Aspekte ihrer Aufgabe<br />
auszubilden und ihre Leistungsfähigkeit<br />
langfristig auf hohem Niveau zu<br />
halten.<br />
Dabei ist es zunächst einmal der Auftrag<br />
des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin<br />
der Luftwaffe, aus den vielen<br />
Bewerberinnen und Bewerbern die für<br />
den Beruf eines Militärpiloten am besten<br />
geeigneten auszuwählen.<br />
Was macht diese Eignung zum<br />
Luftfahrzeugführer aus<br />
Grundlage ist sicher eine gute allgemeine<br />
Intelligenz, daneben Konzentrationsund<br />
Merkfähigkeit. Spezieller auf das<br />
Fliegen bezogen muss aber natürlich<br />
auch das räumliche Vorstellungsvermögen<br />
gut ausgeprägt sein, denn beim<br />
Fliegen bewegt man sich in der dritten<br />
Dimension. Da ständig eine Vielzahl<br />
von Faktoren – Lage im Raum, Triebwerksleistung,<br />
Höhe, Geschwindigkeit<br />
und Richtung, um nur die wichtigsten zu<br />
nennen – zu beachten sind, ist von herausragender<br />
Bedeutung, seine Aufmerksamkeit<br />
auf mehrere Einflussgrößen verteilen<br />
zu können. Statt sich zu sehr auf<br />
eine Größe zu konzentrieren und dabei<br />
die anderen aus dem Auge zu verlieren,<br />
muss man seine Aufmerksamkeit wandern<br />
lassen können. Moderne Glascockpits<br />
bieten in ihrem Innern faszinierende<br />
Informationsangebote. Trotzdem sollte<br />
sich der Blick auch immer wieder nach<br />
draußen, in den realen Luftraum richten.<br />
Auch reicht es natürlich nicht, alles<br />
allein im Kopf zu bewältigen, man muss<br />
es auch in Handlungen umsetzen können.<br />
„Psychomotorische Fähigkeiten“<br />
sind also gefragt. Und schließlich soll<br />
man nicht nur all diese Fähigkeiten als<br />
Eignungsfeststellung der Bewerber<br />
Zwischen Theorie und Praxis<br />
All das wird in der Fachgruppe flugpsychologische<br />
Auswahl und Eignungsfeststellung<br />
in der Abteilung II des Zentrums<br />
mittels computergestützter Auswahlverfahren<br />
geprüft. Flugsimulatoren<br />
ermöglichen es, sehr realitätsnahe Arbeitsproben<br />
am Arbeitsplatz Cockpit zu<br />
absolvieren. Aber nicht nur das eigentliche<br />
Fliegen wird simuliert. In einer einwöchigen<br />
Simulation wird der gesamte<br />
Ablauf der fliegerischen Grundausbildung<br />
nachgebildet. Auf Theorieunterrichte<br />
folgen Prüfungen, es herrscht Zeitund<br />
Erfolgsdruck, fliegerische „Missions“<br />
steigender Schwierigkeit müssen unter<br />
der Anleitung erfahrener Fluglehrer vorbereitet<br />
und intensiv trainiert werden,<br />
bevor man sein Können dann in einem<br />
Checkflug beweist.<br />
10<br />
Der Pilot schnallt sich in seinem Eurofighter an.<br />
Aber auch die Messlatte für die körperliche<br />
Fliegertauglichkeit gilt es zu überspringen,<br />
bevor man als angehender<br />
Militärpilot in die Bundeswehr eingestellt<br />
werden kann. In der Fachgruppe<br />
„Klinische Flugmedizin“ der Fachabteilung<br />
II werden die Bewerberinnen und<br />
Bewerber nicht nur „auf Herz und Nie-
LUFTWAFFE<br />
ren“ untersucht. Auch gutes Seh- und<br />
Hörvermögen, ein gut funktionierendes<br />
Nervensystem und einen belastungsfähigen<br />
Rücken gilt es nachzuweisen.<br />
Fachärzte der Inneren Medizin, Augenheilkunde,<br />
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,<br />
Orthopädie, Neurologie und Psychiatrie<br />
mit ihrem qualifizierten Assistenzpersonal<br />
gehören ebenso zum Begutachtungsteam<br />
wie die Spezialisten für Labor<br />
und Bildgebung mittels Magnet-Resonanz-Tomographie.<br />
Dieses flugmedizinische<br />
Begutachtungszentrum sieht die<br />
Luftfahrzeugführerinnen und Luftfahrzeugführer<br />
der Bundeswehr jedoch nicht<br />
nur einmalig im Status „Bewerber“: Alle<br />
3 Jahre – ab dem 41. Lebensjahr sogar<br />
jährlich aufs Neue – müssen sie erneut<br />
im Begutachtungszentrum ihre „Wehrfliegerverwendungsfähigkeit“<br />
nachweisen.<br />
Alltag in der dritten Dimension<br />
Und was ist, wenn ein Pilot oder eine Pilotin<br />
einen Unfall mit bleibenden Folgen<br />
erlitten hat, oder im Laufe des Fliegerlebens<br />
eine chronische Gesundheitsstörung<br />
wie beispielsweise Bluthochdruck<br />
entwickelt Kann er oder sie dann trotzdem<br />
weiter fliegen Oder geht das vielleicht<br />
nur mit Einschränkungen oder<br />
Auflagen Die Beantwortung solcher<br />
Fragen gehört mit zu den wichtigsten<br />
Aufgaben des Zentrums für Luft- und<br />
Raumfahrtmedizin der Luftwaffe.<br />
Fliegen und ganz speziell militärisches<br />
Fliegen bedeutet, sich Umweltbedingungen<br />
auszusetzen, die sich vom normalen<br />
Alltagsleben doch ganz erheblich unterscheiden.<br />
Unterdruck und verminderter<br />
Sauerstoffgehalt in der Höhe, die Schwierigkeiten,<br />
sich bei schlechter Sicht, bei<br />
Nacht oder bei komplexen Manövern<br />
zu orientieren, und die – vor allem bei<br />
Kampfflugzeugen wirkenden – Beschleunigungskräfte<br />
führen Menschen an die<br />
Grenzen ihrer Leistungs- und Belastungsfähigkeit.<br />
Sie brauchen daher Unterstützung<br />
durch Schutzausrüstungen –<br />
Der Arbeitsplatz eines Global 5000 Piloten<br />
Sauerstoffanlagen, Schutzanzüge gegen<br />
Beschleunigungswirkungen, Nachtsehhilfen,<br />
Instrumente, die bei der Orientierung<br />
im Raum helfen. Sie brauchen aber<br />
auch spezielles Training. Theorie und<br />
Praxis der „Flugphysiologie“ wird den<br />
fliegenden Besatzungen der Bundeswehr<br />
durch die gleichnamige Fachgruppe in<br />
der Fachabteilung I des Zentrums für<br />
Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe<br />
vermittelt.<br />
Quelle: Luftwaffe.de<br />
Bilder: Ingo Bicker / Astrid Balzer / Alexander<br />
Bräutigam / PIZ MeS<br />
Eine Transall C-160D startet in Mazar-e-Sharif.<br />
11
SEHENSWERT<br />
Royal Air Force (RAF) Laarbruch<br />
Sehenswert - mit Peter Ahlers unterwegs<br />
Zur Zeit des Kalten Krieges entschieden<br />
sich die NATO-Staaten, Westdeutschland<br />
und besonders das Rheinland zum „unsinkbaren<br />
Flugzeugträger“ auszubauen.<br />
Die Royal Air Force übernahm den Aufbau<br />
der militärischen Infrastruktur im<br />
nördlichen Rheinland. Zahlreiche militärische<br />
Fliegerhorste wurden errichtet,<br />
darunter RAF Wildenrath, RAF Brüggen<br />
und RAF Geilenkirchen. Im Jahre 1953<br />
begann der Bau des Flugplatzes RAF<br />
Laarbruch. Dort gab es schon vor dem<br />
Krieg einen Flugplatz für Segelflieger.<br />
Aufgelassene Kasernen aus der Zeit<br />
des Kalten Krieges haben einen besonderen<br />
Charme. Viele, die sie wiedersehen,<br />
haben ein wenig Wehmut an ihre<br />
Dienstzeit (und Jugend), andere sehen<br />
es als Zeit einer permanenten Bedrohung<br />
, sei es von östlicher oder westlicher<br />
Seite.<br />
Firmen, Konsortien oder andere Investoren<br />
haben die alten Anlagen übernommen<br />
und versuchen, aus diesen<br />
Arealen etwas zu machen. Eingeschlagene<br />
Fensterhöhlen, abgeblätterte<br />
Fassaden , verwachsene Wege zeugen<br />
von einer versunkenen Zeit. In Ost und<br />
West haben Idealisten versucht, diese<br />
geschichtlichen Relikte der Nachwelt<br />
zu erhalten, von einigen geliebt, von<br />
anderen als militaristische Objekte<br />
verachtet. Aber diese Einrichtungen<br />
haben eins verhindert: den 3. Weltkrieg.<br />
Wo heute in vielen Teilen der<br />
ehemaligen Kasernen nur noch Fragmente<br />
stehen , nisten heute Fledermäuse.<br />
Aber auch sie fliegen!<br />
Beispielhaft wurde in Laarbruch/Weeze<br />
ein ziviler Flughafen eröffnet, der hauptsächlich<br />
von Billigfluglinien genutzt<br />
wird. Aber dieses Areal nahe der Grenze<br />
zu Holland kann eine Besonderheit<br />
aufweisen, das Royal Air Force Museum<br />
Laarbruch Weeze e.V.<br />
12<br />
In den Räumen der ehemaligen St.-Peters-Kirche<br />
(Garnisonskirche) wird die<br />
Geschichte der Royal Air Force Laarbruch<br />
und zusätzlich der Royal Air Force<br />
Germany dargestellt. Dies ist einmalig in<br />
Deutschland!<br />
Bevor ich zur Beschreibung des Museums<br />
komme, hier ein kurzer historischer<br />
Überblick:<br />
Geschichte der<br />
Royal Air Force (RAF) Laarbruch<br />
Von 1954 bis 1999 existierte auf dem<br />
Territorium der Gemeinde Weeze der<br />
britische Militärflugplatz Laarbruch. Seit<br />
2003 wird der ehemalige Militärflughafen<br />
zivil genutzt und heißt heute „Airport<br />
Weeze“. Der vorliegende Text will<br />
eine kurze Einführung in die Geschichte<br />
des Flughafens der Royal Air Force (RAF)<br />
geben.<br />
Im November 1954 wurde der militärische<br />
Flugbetrieb aufgenommen. Mit<br />
wechselnder Besetzung waren in den ersten<br />
Jahren meist 3 RAF-Staffeln auf Laarbruch<br />
stationiert. Zu Beginn der 80er Jahre<br />
erfolgte ein umfangreicher Ausbau, so<br />
dass fortan 4 Staffeln mit über 60 Kampfjets<br />
unter modernsten Bedingungen auf<br />
Laarbruch beherbergt werden konnten.<br />
Neben RAF Brüggen war RAF Laarbruch<br />
der am besten ausgerüstete NATO-Flugplatz<br />
der Royal Air Force in Deutschland,<br />
zumal alle Staffeln bis 1989 auf den<br />
seinerzeit hochmodernen „Tornado“-<br />
Kampfbomber umgerüstet wurden. Rund<br />
2200 Soldaten arbeiteten auf Laarbruch.<br />
Mit ihren Familien wohnten rund 6000<br />
Briten auf Laarbruch, in Goch und in<br />
der sogenannten „Engländersiedlung“ in<br />
Weeze. Ihre Präsenz prägte die Region.<br />
Vielfache Kontakte und Kooperationen<br />
auf allen Ebenen kennzeichneten das<br />
freundschaftliche Verhältnis zwischen<br />
den Briten und ihren Gastgebern in Weeze<br />
und den angrenzenden Gemeinden.<br />
Mit rund 600 deutschen Zivilangestellten<br />
war die RAF Laarbruch nach eigenen<br />
Angaben der größte Arbeitgeber im Umkreis<br />
von 40 km. Etwa 100 Mio. DM an<br />
Kaufkraft flossen in die regionale Volkswirtschaft.<br />
Mit dem Zusammenbruch des Warschauer<br />
Paktes begann der Abzug der<br />
RAF aus Deutschland. Zunächst wurden<br />
die britischen Flugplätze RAF Gütersloh<br />
und RAF Wildenrath geschlossen. 1994<br />
fiel die Entscheidung, auch den RAF-<br />
Standort Weeze zu schließen. Die Gemeinde<br />
Weeze richtete zwar eine Petition<br />
an das britische Unterhaus, die RAF<br />
nicht abzuziehen, doch der Entschluss<br />
stand fest: Laarbruch wird geschlossen.<br />
Das Personal auf Laarbruch wurde nun<br />
schrittweise reduziert. Im Mai 1999 verließen<br />
die letzten Jets den Flughafen. Am
SEHENSWERT<br />
30. November desselben Jahres wurde<br />
das Gelände von der RAF an die deutschen<br />
Behörden übergeben. Viele Briten<br />
waren allerdings am Niederrhein heimisch<br />
geworden und blieben als Zivilisten<br />
in der Region. Man schätzt die Zahl<br />
auf rund 150 ehemalige Militärangehörige,<br />
die als Zivilisten am Niederrhein<br />
geblieben sind.<br />
Nach einem „Dornröschenschlaf“ von<br />
rund zwei Jahren begann 2001 der Umbau<br />
des Geländes für die zivile Folgenutzung.<br />
Am 1. Mai 2003 fand die Aufnahme<br />
des zivilen Flugbetriebes statt; die<br />
Geschichte des zivilen Airports Weeze ist<br />
auf der Homepage der Aktionsgemeinschaft<br />
„pro:niederrhein“ ausführlich dokumentiert.<br />
Schon vor Abzug der Briten aus Weeze<br />
begannen interessierte Bürgerinnen und<br />
Bürger aus Weeze, darunter viele heimisch<br />
gewordene Briten, Dokumente aus<br />
der Zeit der RAF Laarbruch zu sammeln,<br />
um diese eines Tages museal präsentieren<br />
zu können. Am 3. Juni 2007 war es<br />
soweit: Das Museum „Royal Air Force<br />
Laarbruch - Weeze“ wurde im Beisein<br />
zahlreicher Gäste feierlich eröffnet<br />
Schon beim Eintreten in das Gebäude<br />
fällt sofort auf, dass hier die Beleuchtung<br />
anders ist als in anderen Museen. Statt<br />
schmuckloser Neonlampen hängen hier<br />
Kerzenleuchter an der Decke und weisen<br />
auf die frühere kirchliche Nutzung des<br />
Gebäudes hin. Sehr interessant. In einigen<br />
Fenstern kann man wunderbar gearbeitete<br />
Bleiglasmotive (alle mit Bezug zur<br />
RAF) bewundern. Zentraler Mittelpunkt<br />
des Museums ist zweifellos der Bug einer<br />
Buccaneer mit dem markanten „Rüssel“<br />
zur Luftbetankung.<br />
Zusammenfassung:<br />
Ein Museum einmal etwas anders. Sehr<br />
stilvoll und sehr gut dargestellt. In den<br />
zahlreichen Vitrinen kann man anschaulich<br />
die Geschichte der RAF Laarbruch/Weeze<br />
und auch der RAF Germany<br />
entdecken, bei den Eintrittspreisen<br />
lohnt sich auch die weiteste Anreise.<br />
Das Museum<br />
Meine „Guides“ (links: Heinz Willi Knechten,<br />
Mitte unbekannt, rechts Rod Hawkins )<br />
führten mich über eine Stunde äußerst sachkundig<br />
durch die unzähligen Exponate.<br />
Sehr sehenswert! Anschauen!<br />
www.laarbruch-museum.net<br />
Text und Bilder: Peter Ahlers<br />
Textteile mit freundlicher<br />
Genehmigung der Museumsleitung.<br />
13
GESCHICHTE<br />
Gefährliche Spiele in Finow<br />
FINOWFURT - Die Spione aus dem<br />
Westen kamen in der Regel alle zwei<br />
Tage. Morgens gegen 8 Uhr hoben<br />
sie mit lautem Getöse im südenglischen<br />
Mildenhall ab und spätestens,<br />
wenn sie dann über der Nordsee in die<br />
Reichweite des sowjetischen Radars<br />
gerieten,schrillten auf dem Flugplatz<br />
in Finow (Barnim) die Alarmsignale.<br />
„Jastreb“ (übersetzt: „Habicht“) hieß das<br />
Codewort, und die diensthabenden Besatzungen<br />
ließen alles stehen und liegen<br />
und rannten zu ihren Maschinen.<br />
„Dann musste alles schnell, schnell gehen“,<br />
berichtet Klaus-Peter Kobbe, Chef<br />
des Luftfahrtmuseums Finowfurt. Die<br />
Amerikaner waren wieder da!<br />
Während des Kalten Krieges versuchten<br />
sowjetische MiG-25-Jäger, amerikanische<br />
Spionageflugzeuge abzufangen<br />
14<br />
Die Amerikaner – das waren sehr hoch<br />
und sehr schnell fliegende Aufklärungsflugzeuge<br />
des Typs Lockheed SR-71. In<br />
den 1980er Jahren, mitten im Kalten<br />
Krieg, rasten die geheimnisumwitterten<br />
schwarzen Maschinen der U.S. Air Force<br />
regelmäßig an der Staatsgrenze der DDR<br />
entlang und versuchten, aus 25 Kilometern<br />
Höhe den Gegner auszuspähen.<br />
Noch heute gilt die „Blackbird“ (deutsch:<br />
„Amsel“), wie sie offiziell hieß, mit einer<br />
Höchstgeschwindigkeit von mehr<br />
als 3500 Stundenkilometern als schnellstes<br />
Flugzeug der Welt. Die Piloten selbst<br />
nannten den heißen Stuhl, mit dem sie<br />
durch die Stratosphäre glühten, lieber<br />
„Habu“ – nach einer japanischen Giftschlange.<br />
Wenn „Habu“ im englischen Mildenhall<br />
ihre Triebwerke anwarf, geriet die Luftaufklärung<br />
der Nationalen Volksarmee<br />
(NVA) in große Aufregung.<br />
Das sowjetische Oberkommando in Moskau<br />
hatte seinerseits beschlossen, dem<br />
gefährlichen Feind etwas beinahe Gleichwertiges<br />
entgegenzustellen: die MiG-25.<br />
Das war nicht irgendeine MiG, sondern<br />
die schnellste, die bis dahin gebaut worden<br />
war. Sie flog offiziell 3000 Kilometer<br />
in der Stunde, inoffiziell noch etwas<br />
mehr, und erreichte immerhin 20 Kilometer<br />
Höhe. Im Gegensatz zum amerikanischen<br />
Aufklärer war sie bewaffnet – mit<br />
vier gelenkten Luft-Luft-Raketen des Typs<br />
R-40R oder R-40T. Im Jahr 1982 wurde<br />
eine Staffel des 787. Jagdfliegerregiments<br />
in Finow mit solchen MiG-25 ausgerüstet<br />
– mit der speziellen Aufgabe, der lästigen<br />
„Blackbird“ entgegenzutreten. Damit<br />
begann ein gefährliches Spiel, und der<br />
bisher eher beschauliche Flugplatz bei<br />
Eberswalde im heutigen Brandenburg, so<br />
Museumschef Klaus-Peter Kobbe, „stand<br />
plötzlich im Brennpunkt des Kalten Krieges.<br />
Auf einmal gaben sich hier die Generäle<br />
die Klinke in die Hand.“ Alexander<br />
Iwanowitsch Cholod war einer der russischen<br />
Piloten, die damals in Finow ihren<br />
Dienst versahen.„Wir waren immer auf
GESCHICHTE<br />
einen Konflikt vorbereitet“, berichtet er.<br />
Glücklicherweise stellte sich schnell eine<br />
gewisse Routine ein. War sie erst einmal<br />
über Schleswig- Holstein aufgetaucht,<br />
flog die SR-71 entweder über die Ostsee<br />
weiter in Richtung Leningrad (Route Nr.<br />
2) oder sie nahm die deutsch-deutsche<br />
Grenze ins Visier (Route Nr. 5). Cholod:<br />
„Die Nato-Flieger zogen ruhig ihre Bahnen.<br />
Wir haben sogar deren Flugzeiten<br />
studiert.Da sie im August Urlaub hatten,<br />
gab es zu dieser Zeit nur wenig Flüge.“<br />
Trotzdem ließen sich gefährliche Zwischenfälle<br />
nicht vermeiden. Wie aus einem<br />
soeben veröffentlichten Buch von<br />
A. F. Agarew, K.-P. Kobbe, R. Großer<br />
und I.W. Sisowa hervorgeht, hatte die<br />
sowjetische Bodenleitstelle die extrem<br />
hohe Geschwindigkeit einer MiG einmal<br />
falsch eingeschätzt – immerhin legte sie<br />
in der Minute 50 Kilometer zurück – und<br />
der Pilot kriegte die Kurve erst über dem<br />
dänischen Kopenhagen. Ein anderer flog<br />
aus Versehen direkt auf den US-Aufklärer<br />
zu und geriet auf das Territorium<br />
der Bundesrepublik. In solchen Fällen<br />
setzte es dann diplomatische Protestnoten.<br />
Aber auch die Amerikaner schnitten<br />
auf ihrem rasanten Flug hin und wieder<br />
notgedrungen ein Stück DDR-Grenze ab.<br />
Burghard Keuthe hat beim Flugabwehrraketenregiment<br />
13 der NVA in Parchim<br />
(Mecklenburg-Vorpommern) zahlreiche<br />
solcher „Blackbird“-Flüge persönlich<br />
miterlebt.<br />
„Die kam immer aus Richtung 330 Grad,<br />
aus Nordwest“, sagt er. „Sie flog uns direkt<br />
an und im Raum Kiel entschied sich,<br />
auf welche Strecke sie einbog, nach Leningrad<br />
oder nach Süden.“ Er hatte auch<br />
die russischen MiGs auf seinem Schirm<br />
und weist Behauptungen zurück, diese<br />
hätten die SR-71 aus technischen Gründen<br />
gar nicht abfangen können: „Wir<br />
haben ja mit eigenen Augen gesehen,<br />
wie die da ranflogen!“ Armin Schulz,<br />
damals Jägerleitoffizier in Kolkwitz bei<br />
Cottbus, erinnert sich an eine wirklich<br />
brenzlige Situation. Üblicherweise flogen<br />
die Jets direkt auf Thüringen zu, um dann<br />
in einer großen Linkskurve abzudrehen.<br />
Dieser eine Pilot aber behielt seinen Kurs<br />
eisern bei. Schulz: „Junge, dachte ich,<br />
mach die Kurve! Zehn Sekunden, 20<br />
Sekunden – und das mit 3500 Stundenkilometern!<br />
Der kratzt die Grenze an!“<br />
Schließlich sah er keine Alternative, als<br />
eine Raketenstellung feuerbereit zu machen.<br />
20 Sekunden hätten sie jetzt noch<br />
bis zum Start gebraucht. Genau diese 20<br />
Sekunden war die Welt noch von einer<br />
möglichen kriegerischen Auseinandersetzung<br />
entfernt. In diesem Moment bog<br />
der Amerikaner ab.<br />
Von den 32 insgesamt gebauten SR-71<br />
stürzten zwölf ab, abgeschossen wurde<br />
jedoch keine einzige. Ende 1989 startete<br />
die letzte Maschine aus England, 1998<br />
wurde das gesamte Programm eingestellt<br />
und durch Satellitenaufklärung ersetzt.<br />
Einige Maschinen stehen heute in Museen.<br />
Die russischen Streitkräfte hatten ihre<br />
MiG-25 ebenfalls 1989 aus Finow abgezogen,<br />
wegen der hohen Betriebskosten<br />
wurden die meisten inzwischen ausgemustert.<br />
A. F. Agarew, K.-P. Kobbe,<br />
R. Großer,I. W. Sisowa:<br />
An der Verteidigungslinie<br />
– Das Schicksal eines Menschen im Kontext<br />
des Kalten Krieges. Rjasan (Russland),<br />
2013. Mehr Infos zum Buch finden<br />
Sie auf Seite 30.<br />
15
GESCHICHTE<br />
Cholod: Nein, ich konnte den amerikanischen<br />
Piloten nicht in die Augen gucken.<br />
Dazu waren wir zu weit entfernt. Wir flogen<br />
in etwa zehn Kilometer Entfernung,<br />
ungefähr parallel. Da sieht man nur einen<br />
Punkt. Einen kleinen Punkt, der sich ziemlich<br />
schnell bewegt. Über neutralem Gelände<br />
der Ostsee etwa kam man näher ran, aber<br />
nicht über der DDR, da war die Grenze dazwischen.<br />
MAZ: Wie lief so ein Alarm ab<br />
Cholod: Das Codewort lautete „Jastreb“,<br />
„Habicht“, und kam vom Führungspunkt.<br />
Dann gab es zwei Alternativen: Entweder der<br />
Pilot musste nur das Flugzeug besetzen und<br />
abwarten. Das war der Fall, wenn die SR-71<br />
nach Norden flog. Oder auf der Leuchtanzeige<br />
leuchtete das Kommando „Wosduch“<br />
auf, das hieß: „Luft“. Dann ist die Besatzung<br />
sofort losgeflogen. So ein Flug dauerte<br />
in der Regel 40 Minuten.<br />
MAZ: Hatten Sie damals in Finow Kontakt<br />
zur deutschen Bevölkerung<br />
Cholod: Es gab offizielle Freundschaftstreffen.<br />
Aber wir sind auch heimlich nach Berlin<br />
gefahren. Da war ein großes Schwimmbad.<br />
MAZ: Ist die MiG-25 aus Ihrer Sicht ein<br />
gutes Flugzeug<br />
INTERVIEW<br />
„Wer sich fürchtet,<br />
kann nicht fliegen“<br />
Alexander Iwanowitsch Cholod diente<br />
von 1981 bis 1987 als Pilot in Finowfurt.<br />
Heute lebt der Oberstleutnant<br />
a.D. als Rentner im russischen Rjasan.<br />
MAZ: Was ist es für ein Gefühl, mit einer<br />
MiG-25 zu fliegen<br />
Alexander I. Cholod: Die Geschwindigkeit<br />
spürt man nur beim Start. Die Erde rennt<br />
unten vorbei. Wenn man ein paar Kilometer<br />
hoch ist, ist sie schon weit weg. Dann sind<br />
unter einem nur noch die Wolken. Und nur<br />
die Geräte zeigen an, wie schnell man ist.<br />
MAZ: Hatten Sie auch mal Angst<br />
Cholod: Wer sich fürchtet, kann nicht fliegen.<br />
MAZ: Konnten Sie Ihren amerikanischen<br />
Gegner in der Luft sehen<br />
Cholod: Sie ist sehr zuverlässig. Sie wurde<br />
extra für den Flug in großen Höhen entworfen,<br />
für 20 Kilometer Höhe und 2500<br />
Stundenkilometer. Sie fliegt sehr sicher, sehr<br />
ruhig, stabil.Wie ein Panzer. Nur das Landen<br />
war wegen der großen Geschwindigkeit<br />
etwas schwierig. Aber ich bin immer wieder<br />
zurückgekommen.<br />
Bericht und Interview: Klaus Stark<br />
Quellen / Bilder:<br />
Märkische Zeitung / Oktober 2013<br />
Wikipedia<br />
MAZ: Hat es Ihnen Spaß gemacht<br />
Cholod: Es ist ein erhebendes Gefühl, so<br />
eine gewaltige Maschine zu lenken. Wenn<br />
man sie von der Seite sieht, denkt man: Da<br />
ist so ein riesiges Heck hinten dran. Und da<br />
vorne sitze ich!<br />
16
Wenn Mütter überraschen<br />
Völlig frontunerfahren hatte man uns ehemalige<br />
blutjunge Luftwaffensoldaten in<br />
sehr harte Kämpfe hineingeworfen. Unter<br />
hohen Verlusten wurde die ganze Division<br />
aufgerieben. Der Restbestand kam nach<br />
zweimonatigem Fronteinsatz ins Hinterland<br />
zurück, zunächst in eine Entlausungsanstalt.<br />
Neue Wäsche gab es noch nicht.<br />
Mit dürftiger Kleidung kamen wir wieder<br />
im Bahntransport nach Deutschland. In<br />
Stendal, einer alten Garnisonsstadt, warteten<br />
leerstehende Kasernen auf uns. Hier<br />
wurden wir für den weiteren Fronteinsatz<br />
neu zusammengestellt.<br />
Das Weihnachtsfest stand vor der Tür, und<br />
ich traute meinen Ohren nicht, als der Grenadier<br />
Horst Beckmann ausgerufen wurde.<br />
Dann stehe ich vor meinen Eltern!<br />
Mein Vater, dessen Tischlerei zur Rüstungswerkstatt<br />
umgestellt wurde, hatte seinen<br />
Pkw frei; das heißt, der Wagen bekam am<br />
Nummernschild einen roten Winkel als<br />
Zeichen dafür, daß er das Auto mit Hänger<br />
für Lieferungen einsetzen durfte, aber auch<br />
einige Privatfahrten waren genehmigt. So<br />
waren meine Eltern von Stargard nach<br />
Stendal gekommen, um mich zu besuchen.<br />
Natürlich hat eine Mutter schnell einen<br />
Blick für den Zustand ihrer Kinder, und so<br />
stellte sie auch fest, wie dürftig ich gekleidet<br />
war. Statt der Strümpfe hatte ich Fußlappen,<br />
und das im kalten Winter. Unterwäsche<br />
trug ich auch nicht – die war für<br />
uns noch nicht eingetroffen. Die verlauste<br />
Wäsche waren wir losgeworden. So fehlte es<br />
an vielem. Mutter war entsetzt, was ich ihr<br />
sofort anmerkte. Dennoch gab es gute Gespräche,<br />
vor allem mußte ich, wenn auch<br />
sehr vorsichtig, von meinem ersten Fronteinsatz<br />
berichten, bei dem viele Kameraden<br />
und Freunde verwundet wurden, aber auch<br />
viele gefallen waren. Alles hat meine Eltern<br />
sehr mitgenommen. Vater und Mutter sind<br />
betroffen und traurig nach Hause gefahren,<br />
hatten aber ein kräftiges Lebensmittelpaket<br />
dagelassen, dessen Inhalt ich mit meinen<br />
Kameraden teilte.<br />
Weihnachten, eine Zeit, die bei manchen<br />
Kameraden, besonders wenn sie Familienväter<br />
waren, die Herzen wehmütig werden<br />
ließ. Es gab eine Verfügung, nach der es<br />
in besonderen Fällen zum Heiligen Abend<br />
Heimaturlaub gab, wenn Soldaten Familienväter<br />
waren oder wenn zu Hause ein<br />
Notfall vorlag. Für den jungen Grenadier<br />
Beckmann kam das natürlich nicht in Frage.<br />
Aber mit Rücksicht auf die Weihnachtsurlauber<br />
wurde die Feier für die Einheit um<br />
einige Tage vorverlegt. Bis zu diesem Tag<br />
ging es in der Truppe sehr hektisch zu, und<br />
man kam sich vor wie in den Kindertagen,<br />
denn wer aus der Rolle fiel, würde von der<br />
Weihnachtsfeier ausgeschlossen – so sagte<br />
man uns.<br />
Dann war es soweit! In Gruppen zogen wir<br />
in den festlich geschmückten Tagesraum<br />
wie beim Exerzieren auf dem Kasernenhof.<br />
Festlich geschmückt soll heißen, daß<br />
in einer Ecke des Raumes ein mit Kerzen<br />
dekorierter Tannenbaum aufgestellt war.<br />
Die Tische waren schlicht gedeckt. Auf jedem<br />
Platz lag eine Tafel Schokolade. Ein<br />
Kamerad begleitete auf einem alten, sehr<br />
verstimmten Klavier das erste Weihnachtslied<br />
„O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie<br />
grün sind deine Blätter“.<br />
Dann ergriff der Kommandeur das Wort:<br />
„Kameraden, wir feiern heute die sechste<br />
Kriegsweihnacht. Viele unserer Kameraden<br />
sind auf dem Feld der Ehre geblieben,<br />
aber ...“ Und dann kamen für uns heute<br />
leere Worte. Damit war der offizielle Teil<br />
dieses Abends beendet. Davor wurde noch<br />
ein „Weihnachtslied“ gesungen: „Hohe<br />
Nacht der klaren Sterne, die wie weite Brücken<br />
steh’n. Über einer tiefen Ferne, drüber<br />
uns’re Herzen geh’n ...“ – ein Lied, das jemand<br />
für die „germanische“ Wintersonnenwende<br />
geschrieben hatte, die beim Nationalsozialismus<br />
mehr Beachtung fand als<br />
das christliche Weihnachtsfest.<br />
Als sich dann besonders die älteren Kameraden<br />
am Glühwein erfreuten, bei dem der<br />
gehörige Schuß Rum nicht fehlen durfte,<br />
verließen jüngere nach und nach schweigend<br />
den Raum. Auch ich zog mich, von<br />
der Feier enttäuscht, zurück und wollte<br />
mich, wehmütig an unsere Familienfeiern<br />
denkend, auf mein Bett legen und traurig<br />
sein. Kaum hatte ich meine Stube betreten,<br />
als mein Blick auf mein Bett fiel: ein Paket!<br />
An der groß aufgemalten Adresse erkannte<br />
ich die Handschrift meiner Mutter. Das<br />
Weihnachtspaket aus meiner pommerschen<br />
Heimat Stargard!<br />
Und dann so früh, obwohl die Eltern bei<br />
ihrem Besuch vor drei Wochen bereits ein<br />
großes Paket mitgebracht hatten. Sollte<br />
ich es bis zum Heiligen Abend liegen lassen,<br />
noch fünf Tage Oder ob ich es schon<br />
öffnete Es könnte ja etwas Verderbliches<br />
drin sein. Meine Mißstimmung gab zu<br />
Letzterem Anlaß. So würde der Abend doch<br />
noch einen guten Abschluß finden, Mutter<br />
schreibt immer so gute und eindrucksvolle<br />
Begleitbriefe.<br />
Sparsam und gespannt löste ich die Schnur,<br />
denn ein Soldat kann alles verwenden, und<br />
Mutter wußte das, darum hatte sie die Verpackungsschnur<br />
so geknotet, daß man sie<br />
ohne Schwierigkeiten lösen konnte. Dann<br />
der Einschlagbogen, auch der wurde wieder,<br />
brauchbar für irgendetwas, in den alten<br />
Falten zusammengelegt. Mutter verpackte<br />
ihre Pakete sehr korrekt und eigen. Der Karton<br />
war noch einmal mit dünner Schnur<br />
WEIHNACHTLICH<br />
zugebunden, und so wuchs die Spannung<br />
zunehmend. Natürlich waren alle kostbaren<br />
Sachen liebevoll in Weihnachtspapier<br />
eingewickelt, wenn das Papier auch schon<br />
einige Jahre gedient hatte. Man mußte alles<br />
gut aufheben, um es wieder verwenden<br />
zu können, denn zu kaufen gab es nur das<br />
Nötigste.<br />
Obenauf lag der begleitende Brief wie auch<br />
sonst bei den Feldpostpäckchen. Ich sollte<br />
ihn zuerst lesen, bevor ich die eingewickelten<br />
Sachen auspacke; dann könnte ich immer<br />
noch entscheiden, ob ich sie bis zum<br />
Heiligen Abend verpackt lasse.<br />
„Mein lieber Junge ...“, so begann Mutter<br />
immer ihre Briefe an mich, „... nun ist es für<br />
Dich und für uns das zweite Weihnachtsfest,<br />
an dem Du nicht mit uns am Heiligen<br />
Abend zusammen sein kannst. Es tut uns<br />
sehr leid, daß Du unsere eindrucksvollen<br />
Familienfeiern vermissen mußt, wenn Vater<br />
zu den Liedern auf der Geige gespielt<br />
hat, während ich ihn auf dem Klavier begleitet<br />
habe. Und dann die Gedichte und<br />
Geschichten, die wir aufgesagt und gelesen<br />
haben, nachdem wir die Weihnachtsgeschichte<br />
vorher gemeinsam in der Kirche<br />
gehört haben. Aber nun bin ich schon beim<br />
Heiligen Abend!<br />
Zuvor gratulieren wir Dir sehr herzlich zu<br />
Deinem Geburtstag! 18 Jahre wirst Du alt.<br />
Drei Jahre sind es noch bis zur Volljährigkeit,<br />
und so jung mußt Du schon Frontsoldat<br />
sein und unsere Heimat verteidigen ...“<br />
Ich glaube, ich habe mich erschrocken!<br />
An der Front wurden Geburtstage oft verdrängt,<br />
weil sie zu Sentimentalität Anlaß<br />
gaben, aber hier in der Kaserne Ich dachte<br />
über die Tage nach. Die Kalendertage hatten<br />
wir nicht immer im Griff, aber es waren<br />
noch fünf Tage bis zum Heiligen Abend,<br />
und – tatsächlich: Wir hatten heute den 19.<br />
Dezember – mein Geburtstag, und ich wurde<br />
18! Ich hatte ihn wirklich vergessen!<br />
Ich glaube, ich habe ein paarmal: „Danke,<br />
Mutti, danke!“, gesagt. Die vorausgegangene<br />
Weihnachtsfeier war abgehakt. Aber ob<br />
mir jetzt trotzdem die Tränen kamen, weiß<br />
ich nicht mehr, vielleicht Tränen des Heimwehs,<br />
der Sehnsucht, der Freude – oder ein<br />
paar schon echte Männertränen<br />
Eines aber weiß ich noch, daß ich an diesem<br />
Abend die eindrucksvollste Stunde aller<br />
meiner Geburtstage erlebt habe. Was<br />
doch eine Mutter alles vermag! Und darüber<br />
hinaus war es ihr gelungen, das Paket<br />
so abzuschicken, daß es mich pünktlich an<br />
meinem Geburtstag erreichte. Danke, Mutti,<br />
das sage ich heute noch einmal über Deinen<br />
Tod hinaus.<br />
Horst Beckmann<br />
(Mehr Infos zum Buch auf Seite 30)<br />
17
GESCHICHTE<br />
Im Tiefflug über die Alpen – Durchschlagen nach Hause<br />
Ludwig Stumptner am Steuer einer<br />
He 177 - Foto aus dem März 1944.<br />
In der Ausgabe 3/2012 der Luftwaffen-Revue<br />
hat Eberhard Schmidt über<br />
seinen abenteuerlichen Heimflug mit<br />
einer Focke-Wulf 200 „Condor“ am<br />
Kriegsende berichtet. Über ihn hat uns<br />
eine Reportage der Hersbrucker Zeitung<br />
erreicht, die in dieser Ausgabe der<br />
Luftwaffen-Revue die Geschichte vom<br />
letzten Flug eines deutschen Kampfflugzeuges<br />
erzählt. Sie ist so interessant<br />
und spannend, daß sie für die<br />
Nachwelt festgehalten werden soll. Genau<br />
an dem Tag, an dem der 2. Weltkrieg<br />
zu Ende ging, am 8. Mai 1945,<br />
landete eine zweimotorige Maschine<br />
vom Typ Heinkel 111 am Igelsee in der<br />
Nähe von Kleinmeinfeld.<br />
Im Hersbrucker Land war der Krieg um<br />
den 20. April 1945 zu Ende, nachdem<br />
die Amerikaner das Gebiet besetzt hatten.<br />
Die Bewohner der Jurahochfläche<br />
waren schon dabei, wieder ihre Felder zu<br />
bestellen und die Kriegschäden zu beheben.<br />
Kleinmeinfeld war von US-Panzern<br />
beschossen worden, nachdem die Amerikaner<br />
sich mit deutschen Truppenresten<br />
Gefechte geliefert hatten.<br />
mit seiner Tochter Mist ausfuhr. Der<br />
Bauer fürchtete schon, das Flugzeug würde<br />
ihn samt dem Fuhrwerk in Grund und<br />
Boden rammen, doch wenige Meter vor<br />
ihm und dem Igelsee kam es zum Stehen.<br />
Zwei Besatzungsmitglieder rannten zum<br />
Bauern und erkundigten sich, wo „der<br />
Ami“ stehe.<br />
Dann flüchtete die ganze Besatzung, Soldaten<br />
und Blitzmädchen (Luftnachrichtenhelferinnen)<br />
in den Wald, nachdem<br />
sie noch den Bauern ermuntert hatten,<br />
sich an den in der Maschine zurückgelassenen<br />
Ausrüstungsgegenständen zu<br />
bedienen Der Bauer fürchtete jedoch Probleme<br />
mit den Amerikanern und fuhr<br />
schleunigst in Richtung Grünreuth davon.<br />
Die glückliche Bauchlandung war das<br />
Ende eines gefährlichen Fluges aus der<br />
sogenannten Alpenfestung, der letzten<br />
Zuflucht von Wehrmachtsstäben und<br />
Nazigrößen in den österreichischen Alpen.<br />
Auf dem kleinen Flugplatz in dem<br />
schmalen Ennstal in der Steiermark standen<br />
vier Flugzeuge in Startbereitschaft<br />
für Agentensondereinsätze. Jeder, wusste<br />
Stumptner schon damals, wäre (wenige<br />
Tage vor Kriegsende!) ein reines Himmelfahrtskommando<br />
gewesen. Beim ersten<br />
hätten sie mit der JU 52 in den rumänischen<br />
Hochkarpaten 20 Agenten absetzen<br />
sollen, und das Benzin hätte nur<br />
für den Hinflug gereicht. Ein akut eitriger<br />
Zahn mit verschwollenem Auge bewahrte<br />
den Piloten vor diesem Flug ohne<br />
Wiederkehr. Dafür sollte er zwei Tage<br />
später mit einer He 111, mit Lebensmitteln<br />
vollbeladen, auf dem Großglockner<br />
Gletscher eine Bauchlandung machen,<br />
um der Wetterstation dort Nachschub zu<br />
liefern. Eine Bauchlandung auf einem<br />
Gletscher war der blanke Wahnsinn.<br />
Pilot Stumptner erklärte der Besatzung<br />
seine Absicht, die Verpflegungskisten<br />
dort oben im Tiefflug abzuwerfen, dann<br />
aber - angesichts des bevorstehenden<br />
Kriegsendes - mit Nordkurs auf amerikanisch<br />
besetztem Gebiet notzulanden. Die<br />
Besatzung stimmte zu. Ein Befehl kam<br />
aber nicht mehr. Der Führungsstab hatte<br />
sich aus dem Staub gemacht. Die Amerikaner<br />
waren nördlich der Enns stehengeblieben,<br />
von Süden her näherten sich<br />
russische Panzer dem Flugplatz.<br />
Der Flugzeugführer eröffnete der Besatzung<br />
seinen neuen Plan: die Maschine<br />
vollzutanken, im geeigneten Moment<br />
zu starten und zu fliegen, „so weit die<br />
Flügel tragen“, um nach Möglichkeit der<br />
Gefangenschaft zu entgehen.<br />
Die Besatzung organisiert noch fehlende<br />
Dinge, und nimmt sich einiger umherirrender<br />
Blitzmädchen an, die angesichts<br />
der Russen mit wegfliegen wollen. Das<br />
Flugzeug hat maximal fünf Mann Besatzung,<br />
und nun sind es zehn. Man holt<br />
noch fünf Fallschirme aus dem Gerätelager,<br />
und dann hinein in die Maschine!<br />
Eines von den aufgeregten Mädels<br />
fummelt am Griff des Schirmes und -<br />
Das Flugzeug, das am 8. Mai tief über<br />
den Dörfern auftauchte, hielt man deshalb<br />
zuerst für eine amerikanische Maschine.<br />
Doch es war ein intaktes, voll<br />
ausgerüstetes deutsches Kampfflugzeug,<br />
das hier einen Kreis zog, um nach einem<br />
geeigneten Landeplatz Ausschau zu<br />
halten. Zur Verblüffung der Bauern, die<br />
auf den Feldern ihrer Arbeit nachgingen,<br />
kam es plötzlich tiefer und tiefer, übersprang<br />
gerade noch eines der Fuhrwerke<br />
der Bauern Scharrer („Wirt“) und Kolb<br />
(„Semmelbauer“) aus Kleinmeinfeld,<br />
setzte dann mit einem Krach auf dem<br />
Boden auf und rutschte schnell auf das<br />
Pferdefuhrwerk des Grünreuther Bauern<br />
Seibold zu, der dort gerade zusammen<br />
18<br />
Ludwig Stumptner mit der Kanzelbesatzung der He 177. Links der Bordfunker,<br />
rechts der Bordschütze / -mechaniker und der Kampfbeobachter.
GESCHICHTE<br />
schwupp! -springt er auf. Die fünf hinten<br />
im Rumpf sind von 48 qm weißer Seide<br />
und von vielen Schnüren eingehüllt.<br />
Im Wegrollen bugsieren sie den offenen<br />
Schirm aus der Maschine.<br />
Schwer beladen steigt die Maschine auf.<br />
Jeder weiß: Dies ist der allerletzte Flug,<br />
unten auf der Straße nach Radstadt eine<br />
Flut von Menschen und Fahrzeugen auf<br />
der Flucht vor den Russen. Oben fliegen<br />
die zehn allein im Tiefflug über die Alpen.<br />
Alle sind ergriffen, keiner spricht ein<br />
Wort.<br />
Die Maschine nimmt Kurs auf Straubing,<br />
wo der Pilot fünf Jahre zuvor das Fliegen<br />
lernte. Diese Gegend kennt er wie seine<br />
Hosentasche. Im Tiefflug, oft nur fünf<br />
Meter über dem Boden, rast die Maschine<br />
über das Gelände, überspringt Hecken<br />
und Hochspannungsleitungen. Rehe und<br />
Hasen flüchten vor dem großen unbekannten<br />
Vogel. Größere Orte werden<br />
umflogen. Erst im Bayrischen Wald tauchen<br />
zweimal amerikanische Jäger auf<br />
und nehmen die Verfolgung auf. Mit<br />
ihrem grünen Tarnanstrich ist die He<br />
111 so tief unten für die Jäger schwer zu<br />
erkennen. Seitentäler helfen ihr, beide<br />
Male zu entkommen.<br />
Dann aber wird der amerikanische Luftverkehr<br />
über der deutschen Maschine<br />
immer dichter. Der Pilot weiß, lange<br />
kann er nicht mehr in der Luft bleiben.<br />
Jetzt fliegt er hinein in die Hersbrucker<br />
Schweiz. Unter ihm ein Hochtal, beidseitig<br />
von Wald begrenzt, und am Ende ein<br />
kleiner Weiher. Jetzt oder nie, durchfährt<br />
es ihn. Dicht über dem Boden fliegend,<br />
sucht er nach gefährlich werdenden Hindernissen.<br />
Keine zu sehen - aber schon ist<br />
wieder Wald vor der Flugzeugkanzel.<br />
Ruckartig zieht Stumptner die Maschine<br />
hoch, streift einen Baumwipfel, die Maschine<br />
schüttelt es dabei zum Zerbrechen,<br />
die linken Luftschraubenblätter sind abgebrochen,<br />
Mit Minimalgeschwindigkeit<br />
und nur einem Motor fliegt er eine<br />
360-Grad-Kurve und kommt wieder in<br />
die Schneise hinein, fährt die Landeklappen<br />
aus. Mit nur noch 150 km/h gelingt<br />
ihm das Überspringen eines Bauernfuhrwerks<br />
(siehe Anfang des Berichts). Dann<br />
setzt er auf. Zündung aus, Benzinhahn<br />
zu, Gashebel zurück, Kabinendach abwerfen<br />
und gleichzeitig schon der Krach<br />
und der Ruck durch die Maschine, die<br />
ohne Fahrwerk den unebenen Boden berührt.<br />
Nach 80 bis 100 Metern kommt sie<br />
zum Stehen. Stille. Die Bauchlandung ist<br />
perfekt gelungen. Nun alles schnell raus,<br />
denn Brand- oder Explosionsgefahr besteht<br />
in solchen Fällen immer.<br />
Mit ihren wenigen Habseligkeiten rennt<br />
die Besatzung in den nahen Wald und<br />
versteckt sich. Wenige Minuten später<br />
sind die ersten Amis an der Maschine.<br />
Später kommt noch ein Hubschrauber,<br />
wie sie aus ihrem Versteck beobachten.<br />
„Go on“<br />
Am Nachmittag tauschen die Flieger bei<br />
den Bauern in Kleinmeinfeld ihre Uniformen<br />
und Fliegerkombinationen gegen<br />
Zivilkleidung. Am nächsten Tag treten<br />
sie getrennt, jeweils ein Flieger mit einem<br />
Blitzmädchen, auf Schleichwegen den<br />
Marsch nach Fürth an.<br />
Ludwig Stumptner erreicht mit seiner<br />
Weggefährtin nach einem Dreitagemarsch<br />
auf Feld- und Waldwegen ohne<br />
Begegnung mit Amerikanern den Stadtrand<br />
von Fürth. Am Flussübergang über<br />
die Rednitz kontrollieren zwei farbige<br />
Amerikaner die Passanten. „Im letzten<br />
Moment umkehren hätte nichts mehr<br />
genützt“, erzählt Dr. Stumptner. „Also<br />
mimten wir ein Liebespärchen und gingen<br />
engumschlungen auf den Steg zu.<br />
Mit einem lässigen „go on“ ließen uns<br />
die Posten passieren“. Nur zehn Minuten<br />
später nahm ihn seine Mutter überglücklich<br />
in die Arme.<br />
Am Igelsee hatten die Amerikaner unmittelbar<br />
nach der Landung Waffen und<br />
Gerät aus dem Flugzeug ausgebaut, und<br />
nun bedienten sich die Einwohner der<br />
umliegenden Dörfer. Man konnte damals<br />
ja alles brauchen. Besonders begehrt war<br />
die Lederverkleidung der Treibstofftanks,<br />
aus der später Stiefel und Schuhe gefertigt<br />
wurden. Das Benzin diente als „Zahlungsmittel“<br />
bei Tauschgeschäften. Die<br />
Fliegerkleidung aus sehr gutem Stoff und<br />
die ledernen Fliegerkappen taten ihren<br />
Trägern noch lange Jahre gute Dienste,<br />
und aus der Fallschirmseide ließ man<br />
den Mädchen schöne Kleider machen.<br />
Auch Blechstücke der Tragflächen und<br />
des Rumpfes fanden Ihre Liebhaber, Teile,<br />
davon sind heute noch vorhanden.<br />
Das ausgeschlachtete Wrack blieb liegen,<br />
bis 1948 Eisenhändler die Reste zusammen<br />
mit zerstörten deutschen Panzern<br />
abholten, die bis dahin die Buben<br />
der Umgegend als „Abenteuerspielplatz“<br />
benützt hatten. Geblieben sind nur die<br />
Erzählungen von dieser Sensation am<br />
Kriegsende.<br />
Eckhardt Pfeiffer und Werner Kaschel<br />
Erstveröffentlichung in der „Heimat“, einer<br />
Beilage zur Hersbrucker Zeitung, die als 67.<br />
Jahrgang im August 1997 erschien.<br />
So ähnlich dürfte sich die notgelandete Maschine auf dem Kleinmeinfeld<br />
den amerikanischen Soldaten präsentiert haben (Bild einer gleichartigen Situation nach Kriegsende).<br />
19
GESCHICHTE<br />
Die Gothas im Angriff auf London<br />
Rudolf Kleine und das „England-Geschwader“ BOGOHL 3<br />
Im Herbst 1914 wird nach Erstarrung<br />
der Fronten auf Befehl der Obersten<br />
Heeresleitung (O.H.L.) ein Geschwader<br />
unter der Tarnbezeichnung „Brieftauben<br />
– Abteilung Ostende“ (B.A.O.) aufgestellt.<br />
20<br />
Rudolf Kleine<br />
Führer einer Kasta im Kagohl 1; in<br />
Nachfolge von Ernst Brandenburg ab Juni<br />
1917 Kommandeur des so genannten‚<br />
England-Geschwaders‘ Bogohl 3<br />
Major Siegert, der spätere Inspekteur der<br />
Fliegertruppe, formt einen Verband, der<br />
ausschließlich Bombenangriffe durchführen<br />
soll. Im weiteren Verlauf des Krieges<br />
zweigen sich weitere Abteilungen<br />
bzw. Geschwader ab, so dass sich – nach<br />
ihrer Umbenennung in Kampfgeschwader<br />
(KAGOHL), dann in Bombengeschwader<br />
(BOGOHL) – im März 1918<br />
acht strategische Bomberverbände im<br />
Einsatz befinden.<br />
Anfangs werden die Bombenangriffe gegen<br />
Stellungen und Flugplätze im Nahbereich<br />
noch mit herkömmlichen Aufklärungsflugzeugen<br />
(einmotorige B- und<br />
C-Flugzeuge) geflogen. Der Industrie gelingt<br />
es erst Ende 1915, in kleiner Stückzahl<br />
die ersten zweimotorigen G- (Groß)<br />
Flugzeuge an die Front zu bringen. Sie<br />
lösen auch bei Fernzielen die Heeres –<br />
Luftschiffe im Bombenkrieg ab, da diese<br />
durch die immer effektivere Abwehr des<br />
Gegners steigende Verluste erleiden. Die<br />
erste für den rein strategischen Luftkrieg<br />
gebildete Fliegerformation nimmt als<br />
BOGOHL 3 unter Führung von Hauptmann<br />
Ernst Brandenburg im Mai 1917<br />
den Luftkrieg gegen England auf. Bei Angriffen<br />
auf militärische Objekte wird die<br />
Waffenwirkung auf zivile Ziele, die auf<br />
Grund begrenzter Navigationsmittel vorkommen,<br />
billigend in Kauf genommen.<br />
So erlangen die von ihr geflogenen „Gothas“<br />
durch ihre anfänglich verlustfreien<br />
Angriffe auf London, deren jede die Wirkung<br />
aller Angriffe der Luftschiffe übertrifft,<br />
eine traurige Berühmtheit.<br />
Nach dem Ausfall des bei einem Absturz<br />
schwer verletzten Hauptmann Brandenburg<br />
übernimmt Hauptmann Rudolf<br />
Kleine am 23. Juni 1917 das Kommando<br />
über das BOGOHL 3.<br />
Rudolf Kleine ist am 28. August 1886 in<br />
Minden (Westfalen) geboren. Als Leutnant<br />
dient er ab Juni 1905 beim Infanterie<br />
Regiment 65. Seinem Wunsch gemäß<br />
wechselt er 1913 zur Fliegertruppe und<br />
absolviert an der Herzog-Karl-Eduard<br />
Fliegerschule in Gotha und beim Fliegerbataillon<br />
3 in Köln die Ausbildung zum<br />
Flugzeugführer.<br />
Nach Kriegsausbruch ist er einer der ersten<br />
Flieger, die Feindberührung haben,<br />
als er für den Angriff auf Lüttich Aufklärung<br />
fliegt. In der Folgezeit führt er<br />
verschiedene Feldfliegerabteilungen und<br />
eine Staffel des Kampfgeschwaders 1, die<br />
alte Brieftauben – Abteilung Ostende<br />
(B.A.O.). In diesen Verwendungen bringt<br />
er es zu vortrefflichen Leistungen, für die<br />
er mehrfach ausgezeichnet wird. Zudem<br />
wird er zweimal verwundet.<br />
Das sogenannte England-Geschwader<br />
BOGOHL 3 führt er in einer bis dahin<br />
noch nicht erreichten Zahl und Intensität<br />
von Angriffsoperationen gegen London<br />
und andere englische Städte. Am 4.<br />
Oktober 1917 wird ihm die höchste preußische<br />
Kriegsauszeichnung, das Pour le<br />
mérite, verliehen.<br />
Das Geschwader hat aber auch zunehmend<br />
Verluste zu verzeichnen: Der junge<br />
Kommandeur muß dem General der<br />
Luftstreitkräfte berichten, „dass bei der<br />
dauernd sich steigernden feindlichen<br />
Gegenwirkung die Fortsetzung der Englandangriffe<br />
nur noch dann zu verantworten<br />
ist, wenn entweder Flugzeuge mit<br />
einem Steigvermögen über 6000 Meter<br />
zur Verfügung gestellt werden, oder aber<br />
der Angriff bei Tag aufgegeben und zum<br />
Nachtflug übergegangen wird“. Die unter<br />
dem Mangel an Rohstoffen mehr und<br />
mehr leidende Heimatindustrie vermag<br />
die Forderung nach einem leistungsfähigeren<br />
Tagbomber nicht zu erfüllen.<br />
Es bleibt also nur mehr der Angriff bei<br />
Nacht. Rudolf Kleine gelingt es, durch<br />
sorgfältige Schulungen der Besatzungen<br />
und Ergänzung der Bordausrüstung das<br />
Geschwader auf Nachtflug umzustellen<br />
Der erste Nachtangriff findet in der<br />
Nacht vom 3. auf den 4. September 1917<br />
statt. Es sind nur 4 Gothas beteiligt, aber<br />
ihre Bomben töten 130 Rekruten und<br />
verwunden 88 in ihren Schlafräumen in<br />
Chatham. Nach einem weiteren kleinen<br />
Angriff am 4./5. September bringt die<br />
Zeit vom 24. September bis zum 2. Oktober<br />
1917 den Höhepunkt der Englandfliegerei.<br />
Es gelingt dem Geschwader, in<br />
dichter Folge in sechs Nächten hintereinander<br />
Angriffe auf London durchzuführen.<br />
Diese Angriffe lösen in der Stadt<br />
panische Ängste aus. Was wäre an moralischer<br />
Zermürbung zu erwarten, wenn<br />
die Deutschen in Zukunft jede Nacht<br />
angriffen und über 300.000 Londoner<br />
Bürger immer wieder zur Flucht in den<br />
Untergrund veranlassen würden<br />
Kleine muß aber auf Grund schwerer<br />
Verluste seine Angriffe aussetzen und<br />
will die nächste Vollmond-Periode zu ihrer<br />
Wiederaufnahme abwarten. Zugleich<br />
ist er gezwungen, die Bodentruppen in<br />
Flandern gegen eine englische Offensive<br />
zu unterstützen. Es entbehrt nicht einer
esonderen Tragik, dass der Mann, der<br />
sich voll für den Ausbau des Englandunternehmens<br />
eingesetzt hat, bei einem<br />
taktischen Sonderunternehmen ums Leben<br />
kommt.<br />
Bei einem Tagangriff am 12. Dezember<br />
1917 auf feindliche Truppenansammlungen<br />
bei Ypern wird die Gotha, auf der<br />
Kleine als Geschwaderkommandeur mitfliegt,<br />
durch Flakfeuer abgeschossen. Mit<br />
ihm stirbt die Besatzung aus Leutnant v.<br />
d. Nahmer, Leutnant Bülowius und Gefreiter<br />
Weber.<br />
In einem Telegramm äußert sich der<br />
Kommandierende General der Luftstreitkräfte<br />
(Kogenluft) von Hoeppner wie<br />
folgt: „Der vorbildliche tapfere Kommandeur<br />
des Geschwaders, Hauptmann Kleine,<br />
ist mit der besten Besatzung gefallen.<br />
Zu großen Erfolgen hat Hauptmann<br />
Kleine das Geschwader geführt…..<br />
An dem Beispiel und an den Erfolgen der<br />
gefallenen Kameraden müssen Zuversicht<br />
und Angriffsgeist des Geschwaders<br />
sich aufrecht erhalten.“<br />
Horst Schuh<br />
Quellen:<br />
• Eberhardt, Walter von (Hrsg.): Unsere<br />
Luftstreitkräfte 1914 – 1918. Ein Denkmal<br />
deutschen Heldentums, Berlin 1930<br />
• General der Kavallerie von Hoeppner:<br />
Deutschlands Krieg in der Luft, Leipzig 1921<br />
GESCHICHTE<br />
• Mückler, Jörg: Die Königlich Preußischen<br />
Luftstreitkräfte 1884 bis 1918, Zweibrücken<br />
2002<br />
• Nowarra, Heinz J.: Bombengeschwader 1.<br />
Die Entstehung der deutschen Bomberwaffe<br />
im Ersten Weltkrieg, Fliegergeschichten,<br />
Sonderband Nr. 47, München 1961<br />
• O’Connor, Neal W.: Aviation Awards of<br />
Imperial Germany in WW I, Vol. II Prussia<br />
• Zuerl, Walter: Pour le mérite – Flieger, Steinebach–Wörthsee,<br />
Reprint 1977<br />
• http://Frontflieger.de<br />
• Bildquellen: Wikipedia / Timelife<br />
GOTHA G.IV<br />
Mit einem 260 PS Mercedes Motor, der<br />
die zwei Schubpropeller antrieb, konnte<br />
die G. IV in großen Höhen operieren und<br />
war erstaunlich wendig für ein so großes<br />
Flugzeug. Ihre Bomben hingen unter<br />
der Tragfläche. Ein Tunnel im Rumpf<br />
ermöglichte dem Heckschützen, nach<br />
unten und hinten zu schießen, was der<br />
GIV Überraschungseffekte ermöglichte.<br />
Der Erstflug dieser bei der Gothaer Waggonfabrik<br />
produzierten Maschine war im<br />
Jahre 1916, die Indienststellung im März<br />
1917. In der gesamten Produktionszeit<br />
entstanden 230 Maschinen dieses Typs.<br />
Die Gothaer Waggonfabrik baute bereits<br />
seit 1915 Großflugzeuge, die vor allem in<br />
den strategischen Bombergeschwadern<br />
zu Fernangriffen eingesetzt wurden.<br />
Quelle Wikipedia<br />
21
GESCHICHTE<br />
ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN ABWURFMUNITION IM ERSTEN WELTKRIEG<br />
Man definiert Bomben als Munition,<br />
die aus Luftfahrzeugen zum Einsatz<br />
gebracht werden. Ihre nach ballistischen<br />
und fertigungstechnischen Erfordernissen<br />
geformten Hüllen dienen<br />
der Füllung mit Stoffen, die - mit einer<br />
entsprechenden Zündung kombiniert<br />
- Splitter- und Gasdruckwirkung,<br />
Brandstiftung oder Vergasung erzeugen.<br />
Es erscheint einfach, die verschiedenen<br />
Merkmale im Sinne maximaler<br />
Waffenwirkung miteinander zu verbinden.<br />
Im Vergleich zum Verschuß<br />
von Artilleriegeschossen wirft man ja<br />
nur etwas ab. Dass mit der Entwicklung<br />
von Abwurfmunition Neuland<br />
betreten wurde und viele technische<br />
Probleme gelöst werden mußten -<br />
auch das soll in diesem Beitrag dargestellt<br />
werden.<br />
Generalleutnant Friedrich Metzler, ein<br />
Infanterist, dass planmäßige Schlachten<br />
in der Luft auch zukünftig zu den<br />
Phantasiegebilden gehören würden. Die<br />
praktischen Erfahrungen aus den militärischen<br />
Auseinandersetzungen der Zeit<br />
unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg<br />
schienen diese Skepsis zu bestätigen. Im<br />
November 1913 schrieb ein Peter Hagen<br />
in Reclam‘s „Universum“ unter dem Titel<br />
„Flugzeuge im Land- und Seekrieg“ über<br />
den Einsatz von Flugzeugen im italienisch-türkischen<br />
Krieg 1911-1912: „Und<br />
das Flugzeug als Waffe … Wir können<br />
… so bedingungslos diese Aufgabe dem<br />
Flugzeug nicht zuweisen. Weder in Tripolis<br />
noch auf dem Balkan hat man irgendwelche<br />
Erfolge damit erzielt.<br />
welche die Geschosse im Fall in senkrechter<br />
Lage halten sollten. „Bei fast allen<br />
Luftangriffen … verfehlte ein großer<br />
Teil der abgeworfenen Bomben das Ziel“,<br />
resümierte ein Dr. Staby in einem 1917<br />
veröffentlichten Aufsatz. Was war zu<br />
tun Zunächst mussten die theoretischen<br />
und praktischen Probleme des Bombenabwurfes<br />
geklärt werden. Das gehörte<br />
zu den großen Herausforderungen im<br />
Krieg, und unter erheblichem Zeitdruck<br />
mußten<br />
1. funktionssichere, wirkungsvolle, handhabungs-<br />
und transportsichere Abwurfmunition<br />
konstruiert, sie erprobt und ihre serienmäßige<br />
Herstellung vorbereitet werden, und<br />
2. mussten spezielle Zielfernrohre (Lotfernrohre)<br />
und zuverlässige Abwurfvorrichtungen<br />
geschaffen werden.<br />
Sprengbombe aus der Anfangszeit des Luftkrieges.<br />
In den C-Flugzeugen gehörte es zu<br />
den Aufgaben der Beobachter, die Bomben<br />
mit der Hand abzuwerfen. Um das avisierte<br />
Ziel am Boden treffen zu können, brauchten<br />
sie Augenmaß und Glück.<br />
Während des Krieges verwendeten die deutschen<br />
Flieger noch lange Zeit behelfsmäßige<br />
Abwurfmunition. Das Bild zeigt das Beladen<br />
eines C-Flugzeuges mit Stielhandgranaten,<br />
Brennzündern und Wurfgranaten,<br />
die eigentlich für den Granatenwerfer 16<br />
(„Priester“-Werfer) bestimmt waren.<br />
Die Frage der Bewaffnung von Flugzeugen<br />
war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />
in Deutschland noch nicht gelöst;<br />
wirksame Abwurfmunition, Abwurfvorrichtungen<br />
und Zielgeräte fehlten. 1911<br />
hatte ein namentlich nicht genannter<br />
Autor im Heft 1 der „Vierteljahreshefte<br />
für Truppenführung und Heereskunde“<br />
geschrieben, „...daß gegenüber den<br />
gewaltigen Zerstörungsmitteln, die wir<br />
schon besitzen, die Wirkung von Wurfgeschossen<br />
aus Flugzeugen immer begrenzt<br />
bleiben wird“. Ein Jahr später erklärte<br />
22<br />
In Tripolis haben die Italiener kleine<br />
Bomben geworfen, weil sie so große und<br />
wirkungssichere in genügender Anzahl<br />
nicht mitnehmen konnten. Sie haben<br />
daher und weil sie keine guten Visierfernrohre<br />
hatten, um den Augenblick<br />
des Abwurfs richtig zu bestimmen, nichts<br />
ausgerichtet.“ Auch die ersten Einsätze<br />
der „aeronautischen Artillerie“ zu Beginn<br />
des Ersten Weltkrieges schienen den<br />
Skeptikern Recht zu geben. In Deutschland<br />
war man über einige wenige - man<br />
darf sagen: mißlungene - Versuche mit<br />
kugelförmigen Bomben der Fußartillerieabteilung<br />
der Artillerie-Prüfungskommission<br />
nicht hinaus gekommen. Um die<br />
Organisation und Förderung durch die<br />
verantwortlichen Dienststellen stand es<br />
schlecht. Die wenigen Flieger hatten bei<br />
Ausbruch des Krieges keine brauchbare<br />
Abwurfmunition. So mussten für die<br />
ersten Angriffe der deutschen Luftschiffe<br />
auf die belgische Festung Lüttich am 5.<br />
August 1914, gefolgt von Angriffen auf<br />
Antwerpen, Ostende und Calais, als Notbehelf<br />
ein paar 15- und 21-cm-Granaten<br />
hergerichtet werden. Sie wurden am Boden<br />
mit großen Steuerklappen versehen,<br />
Zu den bekanntesten Bomben der ersten<br />
Kriegsjahre gehörten die Carbonit-Bomben.<br />
Das Bild zeigt das Kaliber 20 kg (ohne Zünder<br />
und Vorstecker). Von den 20 kg Gesamtgewicht<br />
entfielen 50% auf die Sprengladung.<br />
Die Abmessungen sind mit 627 x 206<br />
mm angegeben.<br />
Praktische Erfahrungen gab es nur in<br />
geringem Umfang. 1911 waren auf dem<br />
Truppenübungsplatz Döberitz erstmals<br />
Bomben aus einem Flugzeug aus 150 m<br />
Höhe abgeworfen worden. Hinzu kamen<br />
die Versuche der Artillerie-Prüfungskommission<br />
1914 auf dem Artillerieschießplatz<br />
Kummersdorf, über die schon<br />
berichtet wurde. So bemühte sich die<br />
Sprengstoff A.-G. Carbonit in Hamburg<br />
auf der Grundlage werkseigener Versuche<br />
um kriegsbrauchbare Abwurfmuniti-
on. Es entstanden einige kleine, mit der<br />
Hand oder aus speziellen Metallkörben<br />
bzw. -käfigen abzuwerfende Bomben, die<br />
zünd- und sprengstofftechnisch, nicht<br />
aber hinsichtlich der Treffsicherheit und<br />
Wirkungsmöglichkeiten, den militärischen<br />
Anforderungen entsprachen. Bekannt<br />
wurden sie unter der Bezeichnung<br />
Carbonit-Bomben.<br />
entsichert wurden. Die kleinste Sprengbombe,<br />
die 4,5-kg-Carbonit-Bombe,<br />
konnte mit oder ohne ein 190 mm langes<br />
Abstandsrohr abgeworfen werden. Eine<br />
abweichende Form und Konstruktion<br />
zeigten die später herausgebrachte 1-kg-<br />
Splitter-, ebenso die 10-kg-Brandbombe<br />
des Hamburger Unternehmens. Für erstere<br />
verwendete man den dickwandigen<br />
Körper der Gewehrgranate 1914, der als<br />
Abstandshalter einen Holzstab und zur<br />
Stabilisierung einen Stoffschirm erhielt.<br />
Erst im Jahre 1918 wurden an ihrer Stelle<br />
kleine, 1 kg schwere Splitterbomben,<br />
sogenannte Infanteriefliegerbomben (Ifl-<br />
Bomben oder Ifl-Mäuse) eingeführt. Mit<br />
ihnen ließ sich, massenhaft abgeworfen,<br />
im Trichtergelände eine gute Wirkung<br />
erzielen. Die Brandbombe zeigte einen<br />
zylindrischen Körper, der mit 4,7 Liter<br />
eines Brandgemisches aus Teer, Benzin<br />
und Petroleum gefüllt war.<br />
GESCHICHTE<br />
Wöllersdorf-Feuerwerksanstalt bei Wiener<br />
Neustadt, eine birnenähnliche Form,<br />
besaßen ein Ringleitwerk und im Heck<br />
eingebaute, wiederum mittels Windrad<br />
entsicherte Aufschlagzünder. Die 12-kg-<br />
Brandbombe dieses Unternehmens wich<br />
in Form und Funktion von dieser Bauart<br />
ab. Der Bombenkörper war zylindrisch<br />
und ohne Leitwerk, besaß vorn eine massive<br />
Spitze und wurde über einen einfachen<br />
Zeitzünder mit Plombe und Abreißring<br />
zur Entzündung gebracht.<br />
Die Schnittzeichnung zeigt die typischen<br />
Merkmale der Carbonit-Bomben. Abgebildet<br />
ist das Modell 50 kg, welches 722 mm lang<br />
war, einen Durchmesser von 245 mm hatte<br />
und 25 kg Sprengstoff aufnahm. Gegen<br />
widerstandsfähige Ziele konnte der im Heck<br />
untergebrachte Aufschlagzünder auf 0,25 s<br />
Zündverzögerung eingestellt werden.<br />
Es gab die Kaliber 4, 5, 10, 20 und 50 kg.<br />
Charakteristische Merkmale waren die<br />
dünnwandigen, birnenförmigen Hüllen<br />
mit Ringleitwerken sowie die mittels Vorstecker<br />
transportsicheren, empfindlichen<br />
und sprengkräftigen Aufschlagzünder,<br />
im Heck die während des Falls durch ein<br />
sich im Luftstrom drehendes Windrad<br />
Baugruppen der Carbonit-Brandbombe<br />
waren das zylindrische Brandgeschoß mit<br />
aufgesetztem Kegel, der Brennstoffbehälter<br />
mit 4,7 l eines Gemisches aus Teer, Benzin<br />
und Petroleum enthielt. Sie wog 10 kg, war<br />
560 mm lang und hatte einen Durchmesser<br />
von 175 mm. Die dritte Baugruppe war die<br />
Zünd- und Stabilisierungsvorrichtung.<br />
Weiterhin erhielt die Fliegertruppe 1915<br />
Abwurfmunition der Bauart Traisen. Es<br />
gab sie als Splitterbomben in den Größen<br />
25 und 60 kg und als 10-kg-Brandstreubombe.<br />
Traisen lieferte darüber hinaus<br />
eine 14-kg-Rauchbombe. Bemerkenswert<br />
ist, dass auch die Firma Skoda als Hersteller<br />
von Splitterbomben (10, 15, 20 und<br />
50 kg) in Erscheinung trat. Sie zeigten,<br />
wie auch die Bomben (18 und 40 kg) der<br />
Die 1-kg-Splitterbombe der Firma Sprengstoff<br />
A.-G. Carbonit aus Hamburg zeigte einige<br />
Besonderheiten. Der mit vorgeprägten<br />
Sollbruchstellen versehene Bombenkörper<br />
nahm 0,12 kg Sprengstoff auf. Ein Stoffschirm<br />
diente der Stabilisierung des Falls<br />
und der Holzstab ermöglichte die Detonation<br />
über dem Erdboden. So ergab sich eine<br />
bessere Splitterwirkung.<br />
Es gab weitere brandstiftende Munition,<br />
darunter den Brandpfeil 1kg. Während<br />
des Krieges fanden neben den Sprengund<br />
Splitterbomben allein Brandbomben<br />
in großem Umfang Verwendung,<br />
und zwar in erster Linie bei Angriffen auf<br />
Ziele in England sowie größere Städte in<br />
Frankreich. Nennenswerte Erfolge sind<br />
nicht erzielt worden; zumindest liegen<br />
darüber keine Berichte vor. Zum Kriegsende<br />
kam die Idee auf, Brandherde mit<br />
zahlreichen kleinen Brandbomben zu<br />
entfachen. 1918 wurde auf der Grundlage<br />
einer Idee der Firma Griesheim-Elektron<br />
die Konstruktion einer 1 kg schweren<br />
Elektronenbrandbombe abgeschlossen.<br />
Sie war in der Lage, die Dächer von<br />
Wohngebäuden zu durchschlagen und<br />
brannte dann im Dachgeschoß ab. Am<br />
Heck der stabförmigen Brandbombe<br />
(Maße: 350 x 50 mm) aus einer Magnesium-Kupfer-Legierung<br />
waren Stabilisierungsflächen<br />
befestigt. Großflugzeu-<br />
23
GESCHICHTE<br />
ge des Bombenfliegergeschwaders Nr. 3<br />
waren für die Mitnahme einiger tausend<br />
dieser Bomben vorbereitet worden. Zum<br />
Einsatz ist es nicht mehr gekommen.<br />
Von der Firma Traisen kam eine 25-kg-<br />
Nacheilbombe. Ihr Körper war aus Grauguß<br />
gefertigt, vorn durch eine Stahlspitze<br />
verstärkt und nahm eine Sprengladung aus<br />
4,5 kg Trotyl auf. Weitere Merkmale waren<br />
der windradentsicherte Bodenzünder, der<br />
nach 100 m Fallweg scharf wurde. Das Vierflächenleitwerk<br />
besaß hinten einen Versteifungsring.<br />
Der demoralisierenden und zerstörenden<br />
Wirkung von Spreng- und Splitterbomben<br />
musste man schon wegen der Unvollkommenheit<br />
der anderen Bombenarten<br />
den Vorzug geben. Dabei waren<br />
die in Gebrauch genommenen Bomben<br />
alles andere als vollkommen. Der tief<br />
24<br />
Die 12-kg-Brandbombe der Firma Wöllersdorf zeigte einen recht einfachen Aufbau. Unmittelbar<br />
vor dem Abwerfen musste der Zeitzünder vorsichtig gelöst und der Reibzünder<br />
kräftig abgerissen werden. Nach 10 s begann das Brennen, wobei der Brandkern mit einer<br />
heißen Stichflamme die Brandmasse entzündete, die dann etwa 3 min lang brannte.<br />
gelegte Schwerpunkt und die Ringleitwerke<br />
beeinflussten die Stabilität in der<br />
Fallkurve nachteilig. Dementsprechend<br />
gering war die Treffgenauigkeit. Oft<br />
überschlugen sich die Bomben, die Zahl<br />
der Blindgänger erreichte einen nicht<br />
mehr hinnehmbaren Anteil an der ohnehin<br />
nur geringen Menge abgeworfener<br />
Munition. Auffällig bei der bis 1915 verwendeten<br />
Abwurfmunition ist das geringe<br />
Gewicht, welches 50 bzw. 60 kg nicht<br />
überschritten hat. Das verwundert nicht,<br />
wenn man die Tragfähigkeit der bis dahin<br />
für den Bombenabwurf eingesetzten<br />
Aufklärungs- und Artillerieflugzeuge (C-<br />
Flugzeuge) kennt. Sie konnten maximal<br />
90 bis 113 kg Bombenlast mitführen.<br />
Das genügte im zweiten Kriegsjahr nicht<br />
mehr den Anforderungen. Nach dem<br />
Krieg, im Jahr 1921, äußerte sich der<br />
im Krieg mit der Wahrnehmung der Geschäfte<br />
des Kommandierenden Generals<br />
der Luftstreitkräfte beauftragte General<br />
der Kavallerie, Erich von Hoeppner, zu<br />
den Veränderungen:„... so führte auch<br />
die Entwicklung des Bombenkrieges zur<br />
Schaffung einer neuen Flugzeugart, des<br />
Großflugzeuges.<br />
Je entschiedener die Kriegführung den<br />
Charakter des Stellungskrieges annahm,<br />
desto mehr häuften sich hinter der feindlichen<br />
Front Massen von Munition, Verpflegung<br />
und Kriegsgerät aller Art, desto<br />
ausgedehnter wurden die Eisenbahnanlagen<br />
und Lagereinrichtungen für Mann<br />
und Pferd. Außerhalb der Reichweite der<br />
Artillerie gelegen, ließen sie den Wunsch<br />
entstehen, sie durch den Masseneinsatz<br />
von Fliegerbomben zu zerstören … Weitere<br />
Ziele des Luftkrieges wurden die widerstandsfähigen<br />
Bauten feindlicher Industrieanlagen.<br />
Gegen sie war nur mit<br />
schweren Bomben Wirkung zu erwarten;<br />
das Gewicht wurde daher auf 50 kg gesteigert;<br />
weitere Erhöhungen auf 100 und<br />
mehr Kilogramm standen in Aussicht.“<br />
Da die einmotorigen C-Flugzeuge solche<br />
Bombenlasten nicht zu tragen vermochten,<br />
ging man dazu über, zwei-,<br />
später viermotorige Bombenflugzeuge<br />
(G-Flugzeuge) zu bauen. Sie konnten<br />
Bomben mit einem Gesamtgewicht von<br />
600, zuletzt bis 2000 kg laden. Hand in<br />
Hand mit dieser Entwicklung gingen die<br />
Kalibersteigerung und die technische<br />
Vervollkommnung der Abwurfmunition<br />
einher. Maßgeblichen Anteil daran<br />
hatte der Leutnant Heinrich Russell. Der<br />
begabte Offizier kam von den Goslarer<br />
Jägern (Hannoversches Jäger-Bataillon<br />
Nr. 11) und war 1915 zur Fliegertruppe<br />
versetzt worden, wo er in der Fliegerbomben-Versuchsabteilung<br />
eine sinnvolle<br />
Verwendung fand. Eine seiner vielen Ideen<br />
war ein optisch-mechanisches Bombenzielgerät,<br />
welches zusammen mit<br />
der Firma C.P. Goertz, Berlin, entwickelt<br />
wurde. Um die Erprobung der Bombenzielgeräte<br />
an der Front erwarb sich der<br />
Kommandeur des Kagohl 4, Hauptmann<br />
Günter von Detten (gefallen am 21. Juni<br />
1916 vor Verdun), besondere Verdienste.<br />
Weiterhin beschäftigte sich Russell mit<br />
den ballistischen Problemen des Bombenabwurfes.<br />
Er erkannte den Zusammenhang<br />
zwischen der strömungsgünstig<br />
geformten Bombenhülle, der davon<br />
beeinflussten Fallkurve und den Einfluss,<br />
den Bewegung und Lage des mit einem<br />
zuverlässig arbeitenden Bombenzielgeräts<br />
ausgerüsteten Bombenflugzeuges<br />
auf die Treffgenauigkeit hatten. Seiner<br />
Anregung folgend, wurden deshalb<br />
mit den verschiedenen Bombenformen<br />
Versuche im Windkanal des Kaiser-Wilhelm-Institutes<br />
für Strömungsforschung<br />
in Göttingen durchgeführt. Der Leiter des<br />
Institutes war zu jener Zeit der Begründer<br />
der modernen Hydro- und Aerodynamik,<br />
Professor Ludwig Prandtl.<br />
Die Entwicklung eines neuen Typs der<br />
Abwurfmunition erfolgte in der Zuständigkeit<br />
der Prüfanstalt und Werft der<br />
Fliegertruppe (P.u.W.). Sie war bis 1915<br />
aus den drei wissenschaftlichen Abteilungen<br />
der Deutschen Versuchsanstalt<br />
für Luftfahrt (DVL) hervorgegangen. Zunächst<br />
ging es darum, die Versäumnisse<br />
der Vergangenheit aufzuholen. Unter<br />
den sich überstürzenden Anforderungen<br />
der Obersten Heeresleitung (OHL)<br />
und der Truppe war eine systematisch<br />
aufbauende Entwicklung nur schwer zu<br />
verwirklichen. Auf der Grundlage der Arbeiten<br />
von Hermann Russell - er fand am
GESCHICHTE<br />
21. Juni 1917 an der Westfront den Fliegertod<br />
- entstanden Bomben, die unter<br />
den gegebenen Bedingungen mit ihrer<br />
langgestreckten torpedoähnlichen Form<br />
und den gebogenen Steuerflächen am<br />
Schwanzende als einzige für einen treffsicheren<br />
Fall geeignet waren. Sie wurden<br />
nicht mehr in vertikaler Aufhängung<br />
aus Käfigen, sondern aus einem horizontalen<br />
Bombengeschirr abgeworfen. Lediglich<br />
die 12-kg-Splitterbombe ließ sich<br />
auch in vertikaler Aufstellung, im Stand<br />
des Beobachters, mitführen. Im Gegensatz<br />
zu den kugel- bzw. birnenförmigen<br />
Bomben, die ihre Höchstgeschwindigkeit<br />
von rund 150 m/s erst nach 25 s Falldauer<br />
(= 2000 m Fallhöhe) erreichten,<br />
brachten es die von der Prüfanstalt und<br />
Werft entwickelten Bomben auf 250 m/s.<br />
Diesen Wert erreichten sie nach 33 s und<br />
4000 m Fallhöhe. Trotzdem blieben sie<br />
hinsichtlich der Eindringtiefe in lockeren<br />
Boden vergleichbaren Artilleriegeschossen<br />
unterlegen. Hauptdurchschlagziele<br />
für Sprengbomben bildeten Gebäude.<br />
Um die Zeit bis zur Einführung der neuen<br />
P.u.W.-Bomben zu überbrücken, verwendeten<br />
die Bombenflieger noch 1916/17 95 kg<br />
schwere Wurfminen des 25-cm-Minenwerfers<br />
der Pioniere. Sie erhielten ein Leitwerk<br />
mit vier schräg gestellten Leitwerksblechen<br />
und den Aufschlagzünder der 12-kg-P.u.W.-<br />
Bombe. Die Sprengladung bestand aus 45<br />
kg Ammonsalpeter oder 50 kg Nitrosprengstoff.<br />
Konstruktiv gab es bei den Skoda-Sprengbomben kaum Unterschiede zu der von anderen<br />
Herstellern gelieferten Abwurfmunition. Die Zeichnungen zeigen das Kaliber 15 kg, welches<br />
mit 7 bis 9 kg Sprengstoff gefüllt werden konnte. Der Bodenzünder mit Windradsicherung<br />
befand sich im Heck. Ebenfalls typisch war das Ringleitwerk.<br />
Bei einem Gewicht oberhalb 50 kg reichte<br />
die Auftreffwucht aus, um das leicht<br />
nachgebende Dach und alle Etagen<br />
eines vierstöckigen Hauses zu durchdringen.<br />
Damit in diesem Fall eine maximale<br />
Druckwirkung erreicht werden<br />
konnte, mussten die Bombenzünder so<br />
abgestimmt sein, dass sie den Zerknall<br />
der Bombe erst mit Verzögerung auslösten.<br />
Traf sie dagegen hartes Straßenpflaster,<br />
zerplatzte die dünnwandige<br />
Bombenhülle, ohne dass die verzögerte<br />
Zeitzündung ausgelöst wurde. In dem<br />
Fall war sofortige Zündung unverzichtbar,<br />
ebenso bei der Verwendung als Splitterbombe<br />
gegen lebende Ziele.<br />
Die neuen Bomben, kurz P.u.W.-Bomben<br />
genannt, erhielten - bis auf die 12-kg-<br />
Splitter- und die 50-kg-Sprengbombe<br />
- zwei empfindliche sprengkräftige Aufschlagzünder,<br />
einen im Kopf, den zweiten<br />
im Heck. Beide waren drallentsichert,<br />
was bei den Zündern der 100-kg-P.u.W.-<br />
Bombe bei 300 U/min geschah. Für die<br />
Drehung der Bombe sorgte während des<br />
Falls das Leitwerk, das bei den 12- und<br />
50-kg- Bomben aus drei, bei allen anderen<br />
Kalibern aus vier schräg gestellten<br />
Leitwerksblechen bestand. Nach Fallhöhen<br />
von 30 bis 1500 m wurden die Zünder<br />
scharf.<br />
P.u.W.-Bomben waren, mit Ausnahme<br />
der 12-kg-Splitterbombe, Sprengbomben<br />
mit einem Sprengstoffanteil von 40<br />
bis 70% des Gesamtgewichtes. Ihre zerstörende<br />
Wirkung basierte auf den sich<br />
mit hoher Geschwindigkeit - 6000 m/s<br />
- ausbreitenden Detonationsgasen. Es<br />
war also eine ausgesprochene Minenwirkung.<br />
Auch die Splitterzahl der großen<br />
dünnwandigen Bomben war größer als<br />
die kleiner dickwandiger Splitterbomben.<br />
Trotzdem blieb ihre Splitterwirkung<br />
unzureichend. Unter dem gewaltigen<br />
Druck der Detonationsgase zerlegte sich<br />
die dünne Bombenhülle in viele kleine<br />
und kleinste, weitgehend unwirksame<br />
Sprengstücke.<br />
Die 12-kg-Splitterbombe war die kleinste<br />
aus der Familie der P.u.W.-Bomben. Das<br />
Leitwerk war auf den dickwandigen, mit Sollbruchstellen<br />
versehenen Bombenkörper aufgeschraubt<br />
und besaß zur Drallerzeugung<br />
schräg gestellte Leitwerksflächen. Beim Zerknall<br />
entstanden, in Abhängigkeit von der<br />
Stahlqualität und anderen Faktoren, 600 bis<br />
800 Splitter mit einem Gewicht von 5 bis 12<br />
g. Sie waren noch in 300 m Entfernung tödlich.<br />
Auf diese Distanz war die Trefferdichte<br />
nur noch gering.<br />
25
GESCHICHTE<br />
1917 auf Ziele an der Südostküste Englands<br />
abgeworfen. Es folgten Nachtangriffe<br />
auf militärische Anlagen in Frankreich.<br />
Das immer kritisch eingestellte<br />
fliegende Personal äußerte sich nach den<br />
Einsätzen begeistert über die bis dahin<br />
nicht gekannte Wurfgenauigkeit und die<br />
geringe Anzahl der Blindgänger.<br />
Da die Zuladungsmöglichkeiten der<br />
Bombenflugzeuge immer mehr gesteigert<br />
werden konnten, entstanden bei<br />
der Prüfanstalt und Werft 300- und zuletzt<br />
sogar 1000-kg-Bomben. Nur wenige<br />
Informationen gibt es über eine<br />
Brandbombe, die zur Familie der P.u.W.-<br />
Bomben gehört. Sie war 692 mm lang,<br />
nahm ein 5,2 kg schweres Brandgemisch<br />
aus Benzin, Paraffin sowie Bariumnitrat<br />
auf und war bereits im Herbst 1917 an<br />
der Westfront in der Erprobung gewesen.<br />
Außerdem arbeitete man an 12- und<br />
50-kg-Brandsprengbomben. Bei der Entwicklung<br />
der 1000-kg-Bombe mussten<br />
einige konstruktive Probleme gelöst werden.<br />
Das betraf vor allem die Festigkeit<br />
des dünnwandigen Bombenkörpers. Er<br />
unterlag auf Grund seiner Länge und<br />
wegen der Eigenrotation in der Fallkurve<br />
besonderen Belastungen. Ein weiteres<br />
Problem stellte die nicht in jedem Fall sichergestellte<br />
restlose Detonation der 680<br />
kg schweren Sprengladung in der rund 4<br />
m langen Bombe dar. Maßgeblich war<br />
Dr. Ing. Friedrich Archilles an den Konstruktionsarbeiten<br />
beteiligt, der nach<br />
dem Fliegertod Russells dessen Stelle eingenommen<br />
hatte.<br />
Der Zünder für die 12-kg-P.u.W.-Bombe. Wie bei den Zündern für alle Bomben dieser Bauart<br />
handelte es sich um einen hochempfindlichen, sprengkräftigen Aufschlagzünder mit<br />
einstellbarer Zündverzögerung. Ein Hinweis auf ihre Verwandtschaft zu Artilleriezündern<br />
ist die Drallentsicherung, die bei 300 U/min wirksam wurde. Die Rotation erreichte man<br />
mittels der schräg gestellten Flächen des Bombenleitwerkes.<br />
Die ersten P.u.W.-Bomben erhielten die<br />
neu zusammengestellten Bomben- bzw.<br />
Nachtbombengeschwader im Frühjahr<br />
1917. Zunächst standen nur die Kaliber<br />
50 und 100 kg zur Verfügung. Bis zu ihrem<br />
Eintreffen hatten die Bombenflieger<br />
improvisiert und von den Pionieren gelieferte,<br />
100 kg schwere 25-cm-Wurfminen<br />
sowie speziell angefertigte geballte<br />
Ladungen abgeworfen. Über die Veränderungen<br />
berichtete Hauptmann Hermann<br />
Köhl, der nach mehrmonatigem<br />
Lazarettaufenthalt die 19. Staffel des<br />
Nachtbombengeschwaders IV übernommen<br />
hatte: „Jetzt hatten wir alles, was<br />
26<br />
wir brauchten: Spezialnachtmaschinen,<br />
einmotorige und zweimotorige. Die Bomben<br />
waren auch schon längst verbessert<br />
worden. Wir hatten nicht mehr die sich<br />
in der Luft überschlagenden Karbonitbomben.<br />
Die eleganten P.u.W.-Bomben<br />
tauchten im schönsten Kurvenflug hinab<br />
in die Tiefe. Sie konnten je nach Ziel auf<br />
Früh- und Spätzündung eingestellt werden.<br />
Die Gewichtsmengen … überstiegen<br />
schon 100 kg. … 300 bis 500 und 700 kg<br />
wurden Normallasten.“<br />
Erstmals wurden 50- und 100-kg-P.u.W.-<br />
Bomben im größeren Umfang Ende Mai<br />
und in der ersten Junihälfte des Jahres<br />
Vertikal aufgestellte 12-kg-P.u.W.-Bomben<br />
neben dem Beobachtersitz eines zweimotorigen<br />
Bombenflugzeuges AEG G IV. 1917<br />
waren 216 Maschinen des Typs ausgeliefert<br />
worden. Sie konnten 400 kg Bombenlast tragen,<br />
erreichten eine Gipfelhöhe von 4500 m.<br />
1000-kg-P.u.W.-Bomben kamen Anfang<br />
1918 an die Front. Das erste Mal wurden<br />
dieses Kaliber am 18. Februar 1918 von<br />
einer Zeppelin-Staaken R IV der Riesenflugzeugabteilung<br />
501 über England abgeworfen.<br />
Getroffen hat man das Royal<br />
Hospital in Chelsea, wobei es zahlreiche<br />
Tote und Verletzte gab. Weitere Großbomben<br />
dieses Typs fielen im Frühjahr<br />
des Jahres auf Ziele in Frankreich.
GESCHICHTE<br />
schaffen, konnte der schnell wachsende<br />
Bedarf der Fliegerkräfte nicht abgesichert<br />
werden. Zufriedenstellende technische<br />
Lösungen ergaben sich erst 1916/17 mit<br />
Mit der 50-kg-P.u.W.-Bombe konnte dank<br />
des hohen Sprengstoffanteils von über 50%<br />
eine ausgesprochene Minenwirkung erzielt<br />
werden. Vorn war der Bombenkörper gegossen,<br />
das hintere Teil bestand aus 6 mm<br />
starkem Stahlblech. Der drallentsicherte,<br />
hochempfindliche und sprengkräftige Aufschlagzünder<br />
wog allein 3,6 kg.<br />
Die Alliierten erhielten recht schnell<br />
Kenntnis von den Tod und Vernichtung<br />
bringenden P.u.W.-Bomben. Über technische<br />
Details der 50-, 100- und 300-kg-<br />
Bomben wurde schon am 17. September<br />
1917 in einem Nachtrag zur Nummer 8<br />
des Nachrichtendienstlichen Rundbriefes<br />
berichtet.<br />
Vergleich der bis 1917 fertig entwickelten<br />
vier Modelle von P.u.W.-Bomben. Von links<br />
nach rechts sind 12 kg, 50 kg, 100 kg und<br />
300 kg zu sehen. Die letzten beiden zeichneten<br />
sich durch Leitwerke mit vier schräg<br />
gestellten Laufwerksflächen aus, außerdem<br />
hatten sie zwei Aufschlagzünder.<br />
Dieses Bombenflugzeug ist mit insgesamt 16 P.u.W.-Bomben beladen: sieben 10 kg, vier<br />
50 kg, vier 100 kg und eine 300 kg. Insgesamt sind das 970 kg Bombenlast. Gut zu erkennen<br />
ist das Geschirr zur horizontalen Aufhängung der Munitionskörper.<br />
Über den Verbrauch an Abwurfmunition<br />
durch die deutschen Luftstreitkräfte<br />
in den vier Kriegsjahren liegen im Gegensatz<br />
zu den Angaben über den Verschuß<br />
von Artilleriemunition nur recht<br />
unbestimmte Zahlen vor (vgl. Tabelle<br />
2). Insgesamt wurden mehr als eine Million<br />
Bomben mit einem Gesamtgewicht<br />
von über 27000,00 Tonnen abgeworfen.<br />
Besatzungen, die 1915 bei ihren ersten<br />
Nachtflügen 50 bis 60 kg Bombenlast abgeworfen<br />
hatten, schafften es 1918, bei<br />
vier bis sieben Einsätzen in einer Nacht,<br />
bis zu 5000 kg über feindlichem Gebiet<br />
abzuwerfen. Einen Höhepunkt stellen in<br />
dieser Hinsicht sicherlich die Angriffe auf<br />
Paris in der Nacht vom 8. zum 9. März<br />
dar, in der vier Bombengeschwader 23,7t<br />
abwarfen.<br />
Im Sommer 1918 lag der durchschnittliche<br />
Bombenverbrauch in einer Nacht<br />
bei 1665 t, was dem Inhalt von elf Eisenbahnwaggons<br />
entsprach.<br />
Die deutschen Flieger hatten in den ersten<br />
Kriegsjahren auf dem Gebiet der<br />
Bewaffnung von Luftfahrzeugen mit<br />
Abwurfmunition erhebliche Defizite<br />
hinnehmen müssen. Dafür gab es verschiedene<br />
Gründe. Potential sah man zunächst<br />
am ehesten bei den Zeppelinen,<br />
deren Entwicklung weit fortgeschritten<br />
war und die durch ihre große Reichweite<br />
sowie Tragfähigkeit beeindruckten.<br />
Flugzeuge als Bombenträger zu verwenden<br />
- das schien undenkbar. Der Verlauf<br />
des Krieges bewirkte ein Umdenken. Da<br />
man es aber versäumt hatte, die theoretischen<br />
und praktischen Grundlagen für<br />
kriegsbrauchbare Abwurfmunition zu<br />
Das Bodenpersonal einer Bombenfliegerstaffel<br />
bereitet eine 300-kg-P.u.W.-Bombe für<br />
den Einsatz vor. Nachdem der Heckzünder<br />
eingesetzt ist, kann das Leitwerk wieder aufgesetzt<br />
werden. Beachte die vier schräg gestellten<br />
Leitwerksflächen!<br />
der Einführung der P.u.W.-Bomben. Von<br />
da ab stand den deutschen Bomben- und<br />
Schlachtfliegern, trotz ihnen anhaftender<br />
Mängel, sicher funktionierende Abwurfmunition<br />
mit großer Zerstörungskraft<br />
zur Verfügung. Ihre Verwendung<br />
27
GESCHICHTE<br />
Quellen- und Literaturangaben:<br />
Für das Heranschaffen der 300-kg-P.u.W.-<br />
Bomben standen spezielle Transportwagen<br />
zur Verfügung.<br />
verfolgte man von deutscher Seite nach<br />
der Niederlage im Ersten Weltkrieg weiter,<br />
obwohl von den Siegermächten verboten.<br />
Diese Absicht scheiterte letztlich<br />
an konstruktiven Besonderheiten dieses<br />
Bombentyps.<br />
Ihre Hüllen waren den Belastungen<br />
beim Abwurf aus den leistungsgesteigerten<br />
Kampfflugzeugen der Nachkriegszeit<br />
nicht mehr gewachsen. Sie zerbrachen<br />
bei Versuchsabwürfen, die in den 1920er<br />
Jahren in Schweden und Rußland durchgeführt<br />
worden waren, bereits in der Luft.<br />
Wolfgang Fleischer<br />
Diese Aufnahme vom Sommer 1918 zeigt<br />
die gigantischen Ausmaße der 1000-kg-<br />
P.u.W.-Bombe. In der äußeren Form war sie<br />
mit dem Kaliber 300 kg vergleichbar, nur<br />
wesentlich größer. Der innere Aufbau zeigte<br />
Unterschiede: Längs- und Querversteifungen<br />
und ein Zentralrohr zwischen Kopf- und<br />
Heckzünder, das eine Übertragungsladung<br />
aufnahm. Der Kopfzünder entsprach dem<br />
der 300-kg-Bombe, der Heckzünder war von<br />
der 100-kg-Bombe übernommen worden.<br />
Werksschrift, Beschreibung und Gebrauchsanweisung<br />
der von der Sprengstoff A.-G. Carbonit,<br />
Hamburg, gefertigten Abwurfmunition, Hamburg<br />
o.J. - Reports on anemy ammunition, o.O. 1917,<br />
verschiedene Ausgaben - Walther von Eberhardt,<br />
Unsere Luftstreitkräfte 1914-18, Berlin 1930<br />
Hermann Franke, Handbuch der neuzeitlichen<br />
Wehrwissenschaften, Dritter Band, 2. Die<br />
Luftwaffe, Berlin 1939 - Peter Hagen, Flugzeuge<br />
im Land- und Seekrieg, in: Reclams Universum,<br />
Ausgabe Mai/Juni 1913, Leipzig 1913, S. 165<br />
ff. - Erich von Hoeppner, Deutschlands Krieg in<br />
der Luft 1914/1918, Berlin 1921 und 1936<br />
Karl Justrow, Konstruktion und Wirkung von Fliegerbomben,<br />
in: Heerestechnik Jg. 1927, Berlin<br />
1927, S. 101-106, 137-143, 167-176 und 200-<br />
203 - André Kling, Bombes et engins explosifs<br />
de l‘Aeronautiques allemande, Paris 1915 - Otto<br />
Riebicke, Was brauchte der Weltkrieg, Berlin<br />
1938 - Hans Rumpf, Brandbomben - Ein Beitrag<br />
zum Luftschutzproblem, Berlin 1932 - Der<br />
Luftkrieg 1914-1915, Leipzig 1915 - Georg Paul<br />
Neumann, Die deutschen Luftstreitkräfte im Weltkriege,<br />
Berlin 1920<br />
Bildnachweise<br />
Fleischer (14), Hensel (3), Schuh (2)<br />
Tabelle 1 Taktisch-technische Daten der P.u.W.-Bomben 1<br />
Tabelle 2 Gesamtverbrauch an<br />
Bomben in den Jahren.1917/18. 1<br />
1 072 957<br />
Anmerkungen:<br />
Anmerkung: 1 - Ermittelt im Rahmen einer Versuchsanordnung. Zündung erfolgte bei senkrechtem<br />
Eindringen in den Boden, nachdem etwa eine Bombenlänge zurückgelegt war. Beispiel<br />
50-kg-P.u.W.Bombe = 1,70 m.<br />
1 Erfasst wurden nur die P.u.W.-Bomben.<br />
Das heißt, die Angaben über den Gesamtverbrauch<br />
an Bomben sind nur für die<br />
Kriegsjahre 1917 und 1918 repräsentativ.<br />
2 Bei der Berechnung des Gesamtgewichtes<br />
wurde offensichtlich das Kaliber zugrunde<br />
gelegt. Beispiel: die 1000-kg-P.u.W.-Bombe<br />
hat ein tatsächliches Gewicht von 1120 kg.<br />
Demzufolge können die Zahlen nur als Anhalt<br />
dienen.<br />
3 Jedes deutsche Bombengeschwader warf in<br />
den letzten Kriegsmonaten durchschnittlich<br />
etwa 100 t Bomben ab.<br />
28
BÜCHER<br />
Fliegertruppe übertrifft an<br />
Umfang, Gehalt und Ausstattung<br />
alles, was bisher als Spezialliteratur<br />
auf diesem Fachgebiet<br />
erschienen ist.<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Carsten Baldes<br />
Baldes Verlag Neu-Ulm<br />
ISBN 978-3-9815016-0-5<br />
704 Seiten, 1346 Farbfotos<br />
Hardcover, 21,5 x 30 cm<br />
Preis: 95,00 Euro<br />
Seine langjährige Erfahrung<br />
als Sammler und Geschäftsmann<br />
und sein Sachverstand<br />
auf dem Gebiet der Phaleristik<br />
(Ordenskunde) haben im Ergebnis<br />
zu einem Nachschlagewerk<br />
geführt, das fachliche<br />
Expertise mit Ästhetik paart.<br />
In einer knappen, aber qualitätvollen<br />
Darstellung führt<br />
das Buch in die Kaiserliche<br />
Fliegertruppe ein und präsentiert<br />
in neun Teilen das<br />
Auszeichnungswesen für Flieger<br />
und Luftschiffer des Deutschen<br />
Kaiserreichs und des<br />
Königreichs Bayern.<br />
Carsten Baldes - Autor und<br />
Verleger zugleich hat einem<br />
interessierten Leserpublikum<br />
ein kostbares Geschenk<br />
gemacht.<br />
Sein Buch über die Abzeichen<br />
& Ehrenpreise der deutschen<br />
Beeindruckend sind die großformatigen<br />
Farbaufnahmen<br />
der verschiedenen Abzeichen,<br />
die mit Vorder- und Rückseite<br />
in allen Feinheiten abgebildet<br />
sind. Sie bieten der Fach- und<br />
Sammlerwelt präzise Ansichten<br />
und liefern Prüfkriterien<br />
für die Unterscheidung von<br />
echten und gefälschten Stücken.<br />
Auch ein Nachweis der<br />
Herstellerfirmen und ihrer<br />
Marken darf nicht fehlen.<br />
Es schmälert nicht ihren Wert<br />
als Standardwerk, wenn bestimmte<br />
Hinweise fehlen. Es<br />
fällt z.B. auf, daß von den<br />
deutschen Flugpionieren der<br />
Erfinder des ersten motorgetriebenen<br />
Flugapparates,<br />
Gustav Weißkopf, nicht in<br />
den Vorworten genannt wird.<br />
Bei der Aufzählung der Luftstreitkräfte<br />
findet leider auch<br />
der Heimatluftschutz, hier<br />
die Kampfeinsitzerstaffeln<br />
(Kest) und die Flak, keine Erwähnung.<br />
Dessen ungeachtet<br />
liegt mit dem Prachtband von<br />
Carsten Baldes ein bibliophiles<br />
Spitzenprodukt vor, das<br />
seinen Preis wert ist.<br />
Umfängliche und akribisch<br />
erstellte Listen sowie Originalurkunden<br />
dokumentieren<br />
die Beliehenen. Bisher unveröffentlichte<br />
Trägerfotos verdeutlichen<br />
exemplarisch die<br />
Trageweise der Abzeichen auf<br />
Uniformen. Ein mehrseitiges<br />
Glossar der benutzten Abkürzungen,<br />
der Flieger- und<br />
Luftschiffereinheiten und der<br />
ausgewerteten Literatur Verordnungsblätter<br />
schließen die<br />
Forschungsarbeit ab.<br />
Horst Schuh<br />
29
BÜCHER<br />
Daten zum Buch<br />
Autoren: Eric Mombeek,<br />
Jean-Louis Roba, Chris Goss<br />
Eigenverlag<br />
DIN A4 Format<br />
222 Seiten, 300 Fotos<br />
Einband broschiert<br />
Preis: 49,90 Euro<br />
zzgl 7,00 Euro Versand<br />
Bestellungen bitte an<br />
hoves@telenet.be<br />
70 Jahre mussten ins Land<br />
gehen, bis eine detaillierte<br />
Chronik des Jagdgeschwaders<br />
2 „Richthofen“ der<br />
deutschen Luftwaffe erscheinen<br />
kann.<br />
Trotz der schweren Verluste,<br />
die das Geschwader im II.<br />
Weltkrieg erleiden musste und<br />
trotz der vielen Jahre, die seitdem<br />
vergangen sind, konnten<br />
die Autoren ca. einhundert<br />
ehemalige Geschwaderangehörige<br />
und zahlreiche Familienangehörige<br />
gefallener<br />
Piloten ermitteln, die durch<br />
ihre persönlichen Berichte<br />
und ihre privaten Unterlagen<br />
dieser Chronik eine zu Herzen<br />
gehende menschliche Dimension<br />
verleihen.<br />
Nicht zuletzt ist es der freundlichen<br />
Unterstützung der Traditionsgemeinschaft<br />
JG 71<br />
„Richthofen“, die den Autoren<br />
in dankenswerter Weise Einsicht<br />
in ihre Archive gewährte,<br />
zu verdanken. Mit Fug und<br />
Recht kann das vorliegende<br />
Werk somit als eine nunmehr<br />
umfassende Geschichte des JG<br />
2 „Richthofen“ gelten.<br />
Der zweite Band dieser Chronik<br />
umfasst die Zeit vom Juli<br />
1940 bis März 1941 mit ihren<br />
heftigen Kämpfen, die unter<br />
dem Namen „Luftschlacht<br />
um England“ in die Geschichte<br />
eingegangen sind und an<br />
denen das JG 2 mit großen<br />
Erfolgen, aber auch schweren<br />
Verlusten beteiligt war,<br />
bis zum Winter 1940/41, der<br />
dem Richthofen-Geschwader<br />
vor den neuen Herausforderungen<br />
des Jahres 1941 eine<br />
wohlverdiente Atempause gewährte.<br />
Der erste Band dieser Chronik<br />
(erschienen am Ende 2012),<br />
der die Zeit von den Anfängen<br />
des Geschwaders bis zur<br />
siegreichen Beendigung des<br />
Westfeldzuges umfasste wurde<br />
von diversen Zeitschriften<br />
mit sehr positiven Wörtern<br />
besprochen:<br />
„Der Text ist sehr verständlich<br />
geschrieben und wird durch eine<br />
beeindruckende Anzahl an Fotos<br />
mit detaillierten Bildtexten<br />
ergänzt. Ein Buch, dessen Kauf<br />
sich lohnt.“ (Flugzeug Classic)<br />
„Geschichte wird in diesem<br />
Werk detailliert, fundiert, aber<br />
immer auch sehr menschlich<br />
einer Generation, die den Krieg<br />
nicht miterleben musste, nahe<br />
gebracht.“ (Modellfan)<br />
„Es ist z.Z. die ausführlichste Publikation,<br />
die über das Geschwader<br />
im angegebenen Zeitraum<br />
vorliegt. Zahlreiche Bilderseiten<br />
ergänzen den Text. Ein Namensregister<br />
hilft bei der Suche nach<br />
Personen.“ (Fliegerblatt)<br />
Die Übersetzung aus dem<br />
Französischen und die deutsche<br />
Bearbeitung lagen auch<br />
diesmal wieder in den Händen<br />
von Hans G. Berger, einem<br />
ehemaligen Staffelkapitän<br />
im JG 1 und beruflichen<br />
Übersetzer.<br />
Da dieser Band im Eigenverlag<br />
erschienen ist, kann er<br />
nur direkt bestellt werden.<br />
Der Band 2 ist erhältlich zum<br />
Preis von 49,90 Euro (zuzüglich<br />
ca. 7,- Euro für Versandkosten<br />
nach Deutschland).<br />
Bestellungen richten Sie bitte<br />
ausschließlich über E-Mail an<br />
hoves@telenet.be.<br />
A. F. Agarew, K.-P. Kobbe,<br />
R. Großer, I. W. Sisowa<br />
Preis: 20,00 Euro<br />
inkl. Porto und Verpackung<br />
Bestellungen bitte an<br />
Luftfahrtmuseum Finowfurt<br />
Museumsstraße 1<br />
16244 Schorfheide-Finowfurt<br />
Tel.: 03335 - 7233<br />
Der Kalte Krieg ging mit der<br />
Wiedervereinigung Deutschlands<br />
zu Ende. Jeder weiß,<br />
welch großen Anteil der<br />
russische Präsident Gorbatschow<br />
daran hatte. Hier liegt<br />
jetzt eine deutsch-russische<br />
Gemeinschaftsarbeit in beiden<br />
Sprachen vor, die am<br />
Lebenslauf des russischen<br />
Piloten, Oberstleutnant Alexander<br />
Iwanowitsch Cholod,<br />
ein kaum erforschtes Kapitel<br />
der deutsch-russischen Beziehungen<br />
aufzeigen will. Die<br />
beiden Supermächte, USA<br />
und UDSSR, die Machtblöcke<br />
Nato und Warschauer Pakt,<br />
standen sich an der deutschdeutschen<br />
Grenze gegenüber.<br />
Der Mensch Cholod gibt heute,<br />
soweit möglich, Antworten<br />
aus seiner Sicht. Er lebte<br />
viele Jahre mit seiner Familie<br />
in Eberswalde-Finow, sein<br />
Einsatzort war der Flugplatz<br />
Finowfurt. So berichtet er über<br />
den Ausbau des Flugplatzes,<br />
Belegung, Flugzeugtypen mit<br />
der dazugehörigen Technik<br />
und Weiterentwicklung, Ziele<br />
der Aufklärung entlang der<br />
Grenze, über seinen „Alltag“.<br />
Die schwierige Situation jener<br />
Zeit am Schicksal eines einzelnen<br />
Menschen zu beleuchten,<br />
das macht das Buch lesenswert<br />
und ist all jenen zu empfehlen,<br />
die auch Erkenntnisse<br />
über „die andere Seite“ gewinnen<br />
wollen. (Wally Busch)<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Matthias Dolderer<br />
Motorbuch Verlag<br />
ISBN 978-3-613-03396-2<br />
128 Seiten, 14 x 20 cm,<br />
176 Farbbilder, broschiert<br />
Preis: 9,95 Euro<br />
Kunstflugzeuge gelten Vielen<br />
als die Königsklasse in der<br />
Allgemeinen Luftfahrt, überschreiten<br />
sie doch routinemäßig<br />
die Grenzen dessen, was<br />
der »Normalflieger« in seinem<br />
Alltag erfahren kann. Diese<br />
hochspannende Flugzeugklasse<br />
wird vom bekannten<br />
Red Bull Air Race-Pilot Matthias<br />
Dolderer beschrieben.<br />
Unvergessene Weihnachten<br />
Band 9<br />
Erinnerungen aus guten und aus<br />
schlechten Zeiten, 1924-2005.<br />
36 Zeitzeugen-Erinnerungen, 192<br />
Seiten mit vielen Abbildungen,<br />
Ortsregister, Zeitgut Verlag, Berlin.<br />
(Buchauszug auf Seite 17)<br />
Gebundene Ausgabe mit<br />
Lesebändchen.<br />
ISBN: 978-3-86614-218-3,<br />
Euro 7,90<br />
Taschenbuch-Ausgabe<br />
ISBN: 978-3-86614-223-7,<br />
Euro 5,90<br />
30
BÜCHER<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Ingo Bauernfeind<br />
Motorbuch Verlag<br />
ISBN 978-3-613-03597-3<br />
112 Seiten, 14 x 20 cm,<br />
153 s/w-, 5 Farbbilder,<br />
8 Zeichnungen<br />
Einband broschiert<br />
Preis: 9,95 Euro<br />
n<br />
Während des Zweiten Weltkrieges<br />
ergänzte ein kleiner<br />
Hilfsflugzeugträger die bestehenden<br />
Trägerflotten. Dieser<br />
wurde als Geleitflugzeugträger<br />
oder kurz als Geleitträger<br />
bezeichnet. Die bei weitem<br />
größte Anzahl bauten die<br />
USA, aber auch England und<br />
Japan wandelten vorhandene<br />
Schiffe – oftmals Handelsschiffe<br />
– in Geleit- und Hilfsträger<br />
um.<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Edmund Bohr<br />
Helios Verlag<br />
ISBN 978-3-86933-072-3<br />
160 Seiten, 21 x 28,7 cm,<br />
290 Abbildungen,<br />
inkl DVD 80 min.,,<br />
fest gebunden<br />
Preis: 44,50 Euro<br />
Mai 1945. Der Zweite Weltkrieg<br />
war vorbei. Das deutsche<br />
Reich , das Dritte Reich<br />
lag am Boden, hatte bedingungslos<br />
kapituliert. Aber es<br />
war nicht zu Ende, es ging<br />
weiter. Die deutschen Technologien<br />
und militärischen<br />
Entwicklungen wurden in die<br />
westlichen und östlichen Labors<br />
und Konstruktionsbüros<br />
integriert, beeinflussten und<br />
beschleunigten deren Technik<br />
und Entwicklungen maßgeblich<br />
bis in die heutige Zeit mit.<br />
Aus den einstigen alliierten<br />
Waffenbrüdern und Partnern<br />
waren erbitterte politische und<br />
militärische Kontrahenten geworden.<br />
In den 1950er Jahren<br />
entstand ein neuer Begriff: „<br />
Der kalte Krieg“. Jahrzehnte<br />
voll Angst vor dem Erstschlag<br />
der westlichen oder östlichen<br />
Armeen. Man kann zahlreiche<br />
Beispiele heranziehen,<br />
was deutsche Techniker, Konstrukteure<br />
und zwangsrekrutierte<br />
Spezialisten in Russland<br />
und auch in Amerika oder<br />
in andren Ländern der Welt<br />
fertigten, nachbauten und<br />
weiterentwickelten. Die A4<br />
V2, ein Waffensystem, das die<br />
militärische und später die zivile<br />
Raumfahrt entscheidend<br />
beeinflusst und geprägt hat.<br />
Wäre eine Mondlandung im<br />
Jahre 1968 ohne diese Technik<br />
aus Peenemünde möglich<br />
gewesen Saturn V, SS 20 ,<br />
Scud, Patriot, Begriffe, die in<br />
den Nachkriegsjahrzehnten<br />
in vielen Nachrichtensendungen<br />
und politischen Debatten<br />
bekannt waren. Die<br />
US-Tomahawk könnte ein<br />
Nachfolger des Projekts „Tonne“<br />
sein, eine Lenkwaffe, die<br />
schon gegen Ende 1944 mittels<br />
einer Kamera Bilder in ein<br />
Trägerflugzeug sendete und<br />
die eine Treffgenauigkeit von<br />
5x5 Metern hatte. Die F-86<br />
war der einzige Jäger der westlichen<br />
Welt, der es im Koreakrieg<br />
mit der „sowjetischen“<br />
MiG-15 aufnehmen konnte<br />
- beides waren deutsche Entwicklungen.<br />
Die Leistungsdaten,<br />
wie Höchstgeschwindigkeit<br />
und Gipfelhöhe, waren<br />
bei der F-86 Sabre zwar etwas<br />
schlechter, dafür waren die<br />
Flugeigenschaften und das<br />
Kurvenverhalten und Wendigkeit<br />
besser. Im Koreakrieg<br />
wurde die F-86 als Luftüberlegenheitsjäger<br />
eingesetzt,<br />
um das Eingreifen von MiGs<br />
in die Bodenkämpfe und die<br />
gefürchteten Einsätze gegen<br />
die B-29 Bomber zu unterbinden.<br />
Die bekannten B-29<br />
„Superfortress“ waren gegen<br />
die MIG-15, der Nachfolger<br />
der Tank Ta-183-Abfangjäger<br />
ohne eine echte Chance.<br />
Im Prinzip kämpfte im<br />
Koreakrieg zum Teil weiterentwickelte<br />
deutsche Strahlantriebstechnologie<br />
aus dem<br />
Zweiten Weltkrieg gegeneinander.<br />
Auf nordkoreanischer<br />
Seite der Ta-183-Nachfolger<br />
Mig 15 gegen den Me P.1101-<br />
Nachfolger F-86 „Sabre“. Interessant<br />
ist natürlich, dass die<br />
„Sabre“ aus der Me P.1101<br />
und der Me-262 entwickelt<br />
worden war.<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Sebastian Rosenboom<br />
Verlag: Militärgeschichtliches<br />
Forschungsamt<br />
ISBN 978-3941571273<br />
122 Seiten, 24 x 16,4 cm,<br />
broschiert<br />
Preis: 10,20 Euro<br />
Luftstreitkräfte avancierten<br />
während des Ersten Weltkrieges<br />
zu einem unverzichtbaren<br />
Bestandteil der modernen<br />
Kriegführung. Im Schatten<br />
der Westfront fast unerforscht<br />
geblieben waren bislang die<br />
Aktivitäten der deutschen<br />
Fliegertruppe an der Ostfront.<br />
Interessant sind sie vor allem,<br />
weil es genau an dieser<br />
Front zum ersten Mal in der<br />
Militärgeschichte zum systematischen<br />
Einsatz von<br />
Luftstreitkräften in einem Bewegungskrieg<br />
kam.<br />
Dieser Sachverhalt wird anhand<br />
der Betrachtung Osteuropas<br />
als »Raum« untersucht.<br />
Neben Faktoren wie<br />
Geografie, Infrastruktur und<br />
dem lokalen Klima sowie deren<br />
Auswirkungen auf die<br />
Luftkriegführung werden die<br />
Taktiken, Erfahrungen und<br />
Darstellungen der deutschen<br />
Fliegertruppe im Osten analysiert.<br />
Auf diesem Wege wird<br />
ein erster Beitrag zur Erforschung<br />
des Luftkrieges an der<br />
Ostfront im Ersten Weltkrieg<br />
geliefert.<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Thomas Kühn<br />
Helios Verlag<br />
ISBN 978-3-86933-084-6<br />
188 Seiten, 17 x 24 cm,<br />
6 Grafiken, gebunden<br />
Preis: 24,90 Euro<br />
Beim ersten Blick auf den Titel<br />
werden manche stutzig. Auch<br />
als „Nicht-Militär“ erahnt<br />
man nach der Lektüre der<br />
Rückseiten-Kurzbeschreibung<br />
und als Konsument der umfangreichen<br />
Sekundärliteratur<br />
zur Geschichte des Zweiten<br />
Weltkrieges – es geht um<br />
Kesselschlachten, um Durchbrüche<br />
an den Fronten, um<br />
Strategien.<br />
In Wirklichkeit ist der Inhalt<br />
des Buches wesentlich komplexer<br />
und informativer. Es<br />
ist ein Exkurs in die Militärgeschichte,<br />
der die Abhängigkeit<br />
der militärtechnischen<br />
Entwicklung von politischen,<br />
wirtschaftlichen, geografischen<br />
und historischen Bedingungen<br />
und ihren Wechselbeziehungen<br />
aufzeigt. Dass<br />
diese technische Entwicklung<br />
auch Einfluss auf die Einsatzstrategien<br />
hatte, wird u.a. am<br />
31
BÜCHER<br />
Einsatz von Maschinengewehren,<br />
Granatwerfern, aber<br />
auch Tanks (später Panzer)<br />
im Betrachtungszeitraum<br />
von 1918 bis 1941 dargestellt.<br />
Schon die Tatsache, dass sich<br />
das Buch auf die Entwicklung<br />
der „Roten Armee“ in der Sowjetunion<br />
konzentriert, ist etwas<br />
besonderes.<br />
Die Zusammenhänge werden<br />
auch für einen militärischen<br />
Laien einfach und grundsätzlich<br />
logisch hergeleitet. Trotzdem<br />
entstehen sofort Fragen<br />
im Detail. So werden für den<br />
Bürgerkrieg in Russland von<br />
1918 – 1920 die Entwicklungen<br />
von Panzerautos und<br />
Panzerzügen hervorgehoben.<br />
Die besonders an der Südfront<br />
in Massen zum Einsatz<br />
gebrachten sog. „Tatschankas“<br />
(mit MG bestückte leichte<br />
Pferdekutschen) werden aber<br />
nicht erwähnt. Gerade diese<br />
Waffe wurde an den Schwerpunkten<br />
und bei den Frontdurchbrüchen<br />
eingesetzt.<br />
Die nahezu ausschließliche<br />
Konzentration des Autors<br />
auf die Bewertung von<br />
militärischen Strukturen,<br />
Strategien und Kräften vernachlässigt<br />
zwangsläufig in<br />
vielen Bereichen die damals<br />
vorhandenen politischen<br />
Rahmenbedingungen. Dafür<br />
ein Beispiel. Bei der Behandlung<br />
des Bürgerkrieges wird<br />
nur am Rande auf die Lieferungen<br />
von Kriegstechnik an<br />
die sog. „Weißen“ hingewiesen.<br />
Das komplexe Wirken<br />
der imperialistischen Mächte<br />
in diesem Krieg wird nur angedeutet.<br />
Auch bürgerliche<br />
Historiker sind sich heute darüber<br />
einig, dass es ohne den<br />
aktiven Einsatz der deutschen,<br />
polnischen, amerikanischen,<br />
englischen und französischen<br />
Truppen diesen Bürgerkrieg<br />
in diesem Umfange nicht gegeben<br />
hätte. Nahezu selbstverständlich<br />
„drücken“ sich<br />
die meisten Historiker um die<br />
Einordnung dieses Bürgerkrieges<br />
in Sowjetrussland in die<br />
lange historische Linie der<br />
militärischen, politischen und<br />
wirtschaftlichen Maßnahmen<br />
zur möglichst raschen und<br />
vollständigen Vernichtung<br />
32<br />
der Sowjetunion. Der Bürgerkrieg<br />
von 1918 – 1920 war da<br />
nur der Beginn, es folgte die<br />
politische und wirtschaftliche<br />
Isolierung in den 30er Jahren,<br />
der erklärte Vernichtungsfeldzug<br />
der Deutschen ab 1941,<br />
und nach 1945 der sich sofort<br />
anschließende Kalte Krieg.<br />
Wenn dieses Rahmenwissen<br />
beim Leser vorhanden<br />
ist, dann ist das Lesen dieses<br />
Buches ein Genuss. Es erklärt<br />
manche Entscheidung der<br />
sowjetischen politischen und<br />
militärischen Führung in ihrer<br />
Zeit, es erzeugt manchen<br />
„Aha-Ausruf“ sowie noch<br />
mehr Fragen und Wünsche<br />
zur Diskussion und ggf. weitere<br />
Hinweise zur Vertiefung.<br />
Was kann sich ein Autor<br />
mehr wünschen Ich befürchte<br />
nur, dass gerade heute viele<br />
jüngere Leser nicht über das<br />
komplexe politische Wissen<br />
zu diesem Sachverhalt verfügen.<br />
So bleibt beim unkritischen,<br />
raschen Lesen der<br />
Eindruck, dass die Sowjetunion<br />
bei allen militärischen<br />
Konflikten dieser Zeit wie alle<br />
anderen imperialistischen<br />
Mächte Feldzüge organisiert,<br />
Kriege geführt und Schlussfolgerungen<br />
zur Stärkung ihrer<br />
Militärmacht gezogen hat.<br />
Das stimmt so nicht. Fragwürdig<br />
erscheint auch die im<br />
Buch getroffene Feststellung,<br />
dass bis 1939 die Sowjetunion<br />
der einzige europäische<br />
Staat gewesen sei, der mit einer<br />
imperialen Zielstellung<br />
Kriege geführt hätte. Bei der<br />
Aufzählung der sowjetischen<br />
Kriege der 20er und 30er Jahre<br />
wie dem Bürgerkrieg, dem<br />
Polenfeldzug, den Kämpfen<br />
am Chalchin Gol und den<br />
Finnlandkriegen, fehlt dann<br />
ausgerechnet der Spanienkrieg<br />
1936, sicher kein Zufall.<br />
Es bleibt aber die positive Einschätzung<br />
zu diesem Buch,<br />
ein Buch, das beim Lesen viel<br />
Spielraum für Fragen und Widersprüche<br />
eröffnet. Diese positive<br />
Einschätzung wird auch<br />
durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis<br />
verstärkt,<br />
ein Umstand, der heute leider<br />
nicht mehr selbstverständlich<br />
ist. (Dr. K.-P. Kobbe)<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Philippe Rio<br />
Motorbuch Verlag<br />
ISBN 978-3-613-03602-4<br />
!76 Seiten, 34 x 30 cm,<br />
213 s/w-, 677 Farbbilder, geb.<br />
Preis: 29,90 Euro<br />
Viel ist bereits über die<br />
Schlachten zwischen der Roten<br />
Armee und der deutschen<br />
Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg<br />
geschrieben worden. Im<br />
Fokus des Autors stehen hier<br />
jedoch erstmalig die sowjetischen<br />
Soldaten selbst. Ihre<br />
Uniformen, Waffen und Ausrüstungen<br />
– ihr Leben in der<br />
Roten Armee. Philippe Rio gelingt<br />
es in diesem Prachtband,<br />
ein bisher stark vernachlässigtes<br />
Thema mit Hilfe einer<br />
Fülle an exklusiven Bildern<br />
dem Leser nahe zu bringen.<br />
Er informiert ausführlich über<br />
die Waffengattungen der<br />
Sowjetarmee in den Jahren<br />
zwischen 1939 und 1945 und<br />
widmet sich ebenso gründlich<br />
den verschiedenen Uniformen.<br />
Im Detail werden Orden,<br />
Schulterklappen, Rangabzeichen,<br />
Kopfbedeckungen<br />
und Ausrüstungsgegenstände<br />
durch alle Kriegsphasen hinweg<br />
vorgestellt. Die Version in<br />
englischer Sprache erschien<br />
bereits am 19. Juni 2011.<br />
Daten zum Buch<br />
Autor: Hans Werner Neulen<br />
Helios Verlag<br />
ISBN 978-3-86933-101-0<br />
272 Seiten, 21 x 29 cm,<br />
246 Abbildungen,<br />
fest gebunden<br />
Preis: 42,00 Euro<br />
Die italienische Luftwaffe erlitt<br />
1940/41 im Kampf gegen<br />
die über Ägypten und der<br />
Cyrenaika eine schwere Niederlage<br />
und verlor 90 % ihres<br />
dortigen Bestandes. Aber statt<br />
des Zusammenbruchs erfolgte<br />
die Wiedergeburt. Erstarkte<br />
Jagdverbände der Regia Aeronautica<br />
gingen in Luftkämpfe<br />
wie in mittelalterliche Duelle<br />
und Elite-Torpedobomberverbände<br />
wilderten erfolgreich<br />
vor den nordafrikanischen<br />
Küsten. Die Transportflieger<br />
wiederum opferten sich auf<br />
bei dem Versuch, die Verbindung<br />
zwischen dem Mutterland<br />
und dem libyschen<br />
Kriegsschauplatz aufrechtzuerhalten.<br />
Für viele der italienischen<br />
Piloten war Fliegen<br />
eine Art Obsession, eine Leidenschaft,<br />
für deren Ausleben<br />
sie extreme Gefahren und<br />
Risiken in Kauf nahmen. Bis<br />
heute aber wird das Bild der<br />
Regia Aeronautica im Kampf<br />
über den nordafrikanischen<br />
Wüsten mit geprägt durch<br />
eine nachwirkende alliierte<br />
Kriegspropaganda, die den<br />
Italienern die Rolle von militärischen<br />
Dilettanten zuweist.<br />
Mit der hier vorgelegten Untersuchung,<br />
der ersten im<br />
deutschsprachigen Raum, die<br />
sich exklusiv mit den Einsätzen,<br />
Erfolgen und Verlusten<br />
der italienischen Luftwaffe<br />
über Libyen, Ägypten, Tunesien<br />
und Algerien auseinandersetzt,<br />
korrigiert der Autor<br />
nach jahrelangen Recherchen<br />
viele Vorurteile und Fehlinformationen<br />
und zeichnet ein<br />
realistisches Bild der italienischen<br />
Wüstenluftwaffe.
VERBAND intern<br />
Tradition bewahren besteht nicht aus dem Aufheben der Asche,<br />
sondern aus dem Weitergeben der Flamme.<br />
Ehrentafel<br />
Kurt Rusch<br />
13.07.1927 - 21.09.2013<br />
Magda Horst<br />
30.09.1925 - 23.11.2013<br />
Luftschlacht überm Kamm<br />
Am 11. September 1944 starben knapp<br />
80 Menschen - Inzwischen gibt es auch<br />
ein Internet-Spiel.<br />
Die Motoren heulen, Explosionen lassen<br />
die Luft vibrieren, grelle Lichtblitze zucken<br />
am Himmel. Man schreibt<br />
Montag, den 11. September 1944,<br />
und über dem Erzgebirge tobt eine<br />
Luftschlacht zwischen der 3. Bomberdivision<br />
der 8. USAAF und dem<br />
Jagdgeschwader 4 der deutschen<br />
Luftwaffe. Ein erbitterter Kampf,<br />
bei dem rund 80 Menschen ihr<br />
Leben verlieren, über 50 Flugzeuge<br />
stürzten ab. Augenzeugen<br />
erinnern sich später daran, dass<br />
der Himmel über dem Kamm des<br />
Erzgebirges voll mit Feuer, Fallschirmen,<br />
brennenden Trümmern<br />
und explodierenden Flugzeugen<br />
war. Wie in jedem Jahr trafen sich<br />
auch 2013 Hinterbliebene der Opfer<br />
in Kovarska (Schmiedeberg),<br />
um an den vernichtenden Kampf<br />
zu erinnern. In dem kleinen böhmischen<br />
Ort gibt es ein sehenswertes<br />
Museum zur Luftschlacht, in<br />
dem Trümmer, Fotos und Karten<br />
Wir gedenken in Ehrfurcht unserer Verstorbenen.<br />
zu sehen sind. Es ist Samstag und<br />
Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet<br />
und vermittelt einen genauen<br />
Eindruck, was sich am „Schwarzen<br />
Montag vom Erzgebirge“ abgespielt<br />
hat. Inzwischen ist auch ein Anbieter für<br />
Internetspiele auf den Luftkampf aufmerksam<br />
geworden, bot entsprechende<br />
Maschinen und Updates an. Auf der<br />
Homepage von World of Warplanes<br />
heißt es: „Aufgrund der Verluste auf beiden<br />
Seiten in diesem denkwürdigen Gefecht<br />
ist die Geschichte der Luftschlacht<br />
über dem Erzgebirge recht düster. Was<br />
später als der „Schwarze Montag über<br />
dem Erzgebirge“ bekannt werden sollte,<br />
„begann am 11. September 1944 als eine<br />
reguläre Mission der 100. Bombergruppe,<br />
auch „The Bloody Hundredth“ genannt.<br />
Ein Flugzeugverband, bestehend aus 36<br />
Die Karte zeigt, wo amerikanische (schwarzes Symbol)<br />
und deutsche Maschinen abstürzten.<br />
schweren Bombern vom Typ Boeing B-<br />
17G Flying Fortress, startete am Morgen<br />
von seinem Stützpunkt der Royal Air<br />
Force in England und bewegte sich südwärts.<br />
Das Ziel waren sowohl das Synthesewerk<br />
Schwarzheide in Ostdeutschland<br />
als auch eine Treibstofffabrik in den böhmischen<br />
Bergen. Das Jagdgeschwader 4<br />
traf direkt über Schmiedeberg auf die<br />
B-17-Bomber und griff mit allen Kräften<br />
an. Insgesamt wurden 14 amerikanische<br />
Bomber abgeschossen. Einige stürzten<br />
sofort ab, andere etwas weiter weg über<br />
dem sächsischen Erzgebirge. Die Verluste<br />
wären höher gewesen, wenn das<br />
Geschwader der P-51 nicht doch noch<br />
erschienen wäre. Die P-51 verwickelten<br />
die deutschen Jäger sofort<br />
in aggressive Kurvenkämpfe und<br />
ermöglichten somit den verbliebenen<br />
schweren Bombern die Flucht.<br />
Obwohl die Bf 109 G-Jäger eigentlich<br />
ein mehr als angemessener<br />
Gegner für die neu eingetroffenen<br />
Mustangs waren, zogen die<br />
Deutschen in diesem Gefecht den<br />
Kürzeren. Viele ihrer Piloten waren<br />
im Luftkampf unerfahren und<br />
flogen ihren ersten Einsatz. Dies<br />
ermöglichte es den US-Jägern,<br />
den Deutschen schwere Verluste<br />
zuzufügen. Die Kerngruppe der<br />
schweren Bomber konnte dadurch<br />
den Rest ihrer Mission erfolgreich<br />
ausführen und warf eine Bombenladung<br />
von insgesamt 53 Tonnen<br />
auf das Synthesewerk Schwarzheide<br />
ab. Obwohl es den Alliierten<br />
gelang, das Blatt in diesem<br />
Gefecht zu wenden, hatte dieser<br />
einfache Bombardierungsflug zu<br />
großen Verlusten auf beiden Seiten<br />
geführt. 19 amerikanische<br />
Flugzeuge sowie 32 deutsche Jäger wurden<br />
zerstört. Dabei verloren beinahe 80<br />
Menschen ihr Leben: Und ebenso viele<br />
amerikanische Flieger gerieten nach ihrem<br />
Absturz in Gefangenschaft.<br />
Sven Günther - Erzgebirge<br />
Günter Bennewitz<br />
33
IMPRESSUM<br />
Zeitschrift für die Luftwaffe in Vergangenheit, Gegenwart<br />
und Zukunft sowie die gesamte Luftfahrt.<br />
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der Marineflieger (KMF)<br />
Vorsitzender: Kapitän zur See Gert Kiehnle<br />
Timmermannallee 5, 27580 Bremerhaven<br />
Tel.: 0471-9020560,<br />
Chrigeki@t-online.de<br />
Verband der Reservisten der<br />
Deutschen Bundeswehr e.V.<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Zeppelinstraße 7A, 53177 Bonn<br />
Tel.: 0228 - 25909-0<br />
Deutsches Technik Museum Berlin<br />
Prof. Dr. Dr. Holger Steinle<br />
Trebbiner Straße 9, 10963 Berlin<br />
Tel: 030/90 254-118<br />
Luftfahrt- und Technik-<br />
Museumspark Merseburg<br />
Dieter Schönau<br />
Kastanienpromenade 50, 06217 Merseburg<br />
Tel: 03461-525776<br />
Dornier Museum<br />
Claude-Dornier-Platz 1 (Am Flughafen)<br />
88046 Friedrichshafen<br />
www.dorniermuseum.de<br />
Dauerausstellung<br />
Luftzeugamt Kölleda<br />
Vorsitzender Ralf Lemser<br />
Johannisstr. 16, 99625 Kölleda<br />
Tel. 03635-400049<br />
www.luftzeugamt-koelleda.de<br />
Luftfahrtmuseum Finowfurt<br />
Vorsitzender: Dr. Klaus-Peter Kobbe<br />
Museumstr. 1<br />
16244 Schorfheide / OT Finowfurt<br />
Tel.: 03335 - 7233<br />
info@luftfahrtmuseum-finowfurt.de<br />
Technikmuseum Hugo Junkers<br />
Geschäftsführer: Gerhard Beeg<br />
Kühnauerstr. 161a, 06846 Dessau<br />
Tel. 0179-5590525<br />
gerhard.beeg@t-online.de<br />
Luftfahrt Museum<br />
Hannover-Laatzen e.V.<br />
Ulmer Straße 2<br />
30880 Laatzen<br />
Tel.: 0511-8791791<br />
Alle Angaben ohne Gewähr<br />
Irrtümer und Änderungen vorbehalten<br />
Die Verbände werden gebeten, die Angaben auf Richtigkeit zu überprüfen und uns auch künftig Änderungen in der Anschrift bekanntzugeben.<br />
Sollte die Aufnahme einer Telefon-Nummer und/oder E-Mail gewünscht werden, so bitten wir um Mitteilung.
Adventskalender<br />
Wir wünschen allen Soldaten der Bundeswehr, die in<br />
Afghanistan und anderswo in der Welt im Einsatz sind,<br />
sowie unseren Mitgliedern und Freunden<br />
ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und<br />
ein hoffnungs - und friedvolles Neues Jahr.<br />
Der Bundesvorstand des Deutschen Luftwaffenring e.V<br />
Hinter jeder Adventstür warten Geschenke auf Sie: Gutscheine für Eintrittskarten, Kampfstiefel und Sachpreise für die Zeit nach Ihrer Rückkehr.<br />
7 11 3 16 23<br />
19 9 5 10 6<br />
14 18 8 1<br />
24<br />
20 2<br />
17 4<br />
12 22 15 21 13<br />
Machen Sie sich also selbst eine Freude und schreiben Sie einfach eine LoNo an radioandernach@bundeswehr.org mit Ihrem Namen, Dienstgrad und Ihrer Erreichbarkeit.<br />
Oder melden Sie sich persönlich über die Lagergrußkarten in Ihrer Einsatzredaktion vor Ort in Prizren oder Mazar-e-Sharif an. Teilnahmeschluss ist am 23.12.2013