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Wie der frühe Film zum Erzählkino wurde - Filmportal.de

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ich spreche, ist einer, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich sozusagen an einer für die Zuschauer eher unsichtbaren<br />

Front abspielte, nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige, bei <strong>de</strong>m die Produzenten <strong>de</strong>n Kinobetreibern<br />

gegenüberstan<strong>de</strong>n, als es darum ging, die Kontrolle über das Produkt '<strong>Film</strong>' <strong>de</strong>m<br />

Vorführer, Kinobesitzer o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schaubu<strong>de</strong>nbetreiber zu entreißen, um <strong>de</strong>n <strong>Film</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verfügungsmacht ebenso wie <strong>de</strong>n Normen <strong><strong>de</strong>r</strong> Produzenten und <strong>de</strong>m Vertrieb zu<br />

unterstellen. Denn die Forschungen <strong>zum</strong> sozialen und ökonomischen Umfeld <strong>de</strong>s <strong>frühe</strong>n<br />

<strong>Film</strong>s haben klar gezeigt, wie wesentlich das Aufkommen <strong>de</strong>s <strong>Erzählkino</strong>s (und damit<br />

auch <strong>de</strong>s langen Spielfilms) als dominantes Mo<strong>de</strong>ll abhängig war von <strong>de</strong>m spezifischen<br />

Kräfteverhältnis zwischen <strong>de</strong>n Kinobetreibern einerseits und <strong><strong>de</strong>r</strong> Produktion bzw.<br />

Distribution an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits. 39 Das geht vom Übergang vom Kopienverkauf <strong>zum</strong> Tauschund<br />

Leihwesen, vom Blockbuchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong>de</strong>s Monopolfilms, von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erfindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Uraufführungskinos bis hin zu <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>zum</strong> <strong>Film</strong> mitgelieferten<br />

Orchesterpartitur. 40 Alles lief darauf hinaus, <strong>de</strong>m Kinobesitzer die Macht darüber zu<br />

entreißen, wie er sein <strong>Film</strong>programm gestalten kann, wobei es auch darum ging, eine<br />

Neutralisierung <strong>de</strong>s einst so bewegten, abwechslungsreichen Zuschauerraums, <strong>de</strong>s<br />

Kinos als physischem Ort <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung und <strong>de</strong>s Erlebnisses durchzusetzen. Insofern hat<br />

es Hollywood <strong>de</strong>n Kinoreformern nur recht gemacht, <strong>de</strong>nn eine grundlegen<strong>de</strong> Bedingung<br />

<strong>de</strong>s klassischen Kinos bestand darin, daß die Kontrolle auf <strong><strong>de</strong>r</strong> textuellen Ebene mehr<br />

und mehr in die Hän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Produzenten bzw. Regisseure gelangen konnte. Denn was<br />

bewerkstelligt das 'klassische <strong>Erzählkino</strong>' schließlich, wenn nicht die textuelle Form <strong>de</strong>s<br />

Konsums, d.h. die Möglichkeiten <strong>de</strong>s Verstehens eines <strong>Film</strong>s zu steuern und damit zu<br />

kontrollieren Auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ebenen – <strong><strong>de</strong>r</strong> Heranführung und 'Handhabung' <strong>de</strong>s Publikums<br />

– ist die Kontrolle lange Zeit in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Verleiher und Kinobesitzer geblieben.<br />

Das post-klassische Kino zeigt aber einmal mehr, daß diese textuelle Kontrollinstanz<br />

auch historisch bedingt sein kann: heute entwickelt sie sich weg vom Monopol <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Interpretation (wer liest noch <strong>Film</strong>kritiken!) und hin <strong>zum</strong> Marketing und Merchandising,<br />

zu <strong>de</strong>n tie-ins und spin-offs, die allerdings, obwohl sie quasi 'außerhalb' <strong>de</strong>s Texts liegen,<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gezielt, d.h. ökonomisch vom Produzenten bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Distribution <strong>de</strong>finiert,<br />

ausgewertet und damit wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um kontrolliert wer<strong>de</strong>n – beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s effektiv über Lizensen<br />

und Copyright, was Markennamen, Werbung und graphisches Design angeht.<br />

Aus dieser Perspektive stellt sich somit das <strong>Erzählkino</strong> noch einmal als ein Kompromiß<br />

dar zwischen verschie<strong>de</strong>nen Faktoren, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis verzahnt sind, in ihren<br />

Wirkungen jedoch durchaus wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich bleiben. Erst durch die Standardisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Länge und <strong><strong>de</strong>r</strong> Anpassung von Form und Inhalt an diesen Standard <strong>wur<strong>de</strong></strong> die Grundlage<br />

für eine massenproduzieren<strong>de</strong> <strong>Film</strong>industrie geschaffen. Aber dazu mußten <strong>Film</strong>e in<br />

einem regulierten Verleih- und Tausch-Kreislauf zirkulieren können, wofür es wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Existenz von Verleihern und Kinobesitzern bedurfte, die feste Abspielstätten,<br />

verläßliche Spielpläne und einen konstanten Umsatz <strong>de</strong>s Produktes garantieren konnten.<br />

Das Kino han<strong>de</strong>lt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ware 'Ver-gnügen' in einer weit offenkundigeren Weise, als z.B.<br />

die Automobilindustrie es tut (das Marken-Auto hat neben seinem Status-Renommé<br />

immerhin noch einen – kleinen – Gebrauchswert). Aber insofern die Warenproduktion<br />

allgemein sich vom Gebrauchswert weg und hin <strong>zum</strong> Schau-und Statuswert bewegt hat,<br />

mag das Kinoprodukt immer weniger unterscheidbar sein von all <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Konsumgütern, für die mit Mitteln i<strong>de</strong>aler Selbstbil<strong><strong>de</strong>r</strong>, Lifestyles und <strong><strong>de</strong>r</strong> damit<br />

verbun<strong>de</strong>nen Wunschträume und Werte bei <strong>de</strong>n Konsumenten geworben wird. Allerdings<br />

hat das Kino genau auf diesem Terrain seine kulturelle Vormachtstellung: es ist die<br />

research and <strong>de</strong>velopment-Abteilung speziell dieser 'Darstellungsmodi', die wir heute mit<br />

<strong>de</strong>m Begriff 'Konsumgesellschaft' verbin<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Avantgar<strong>de</strong> das Kino immer noch ist.<br />

www.filmportal.<strong>de</strong> 15

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